Textschnipsel Das Gold des Lombarden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Endlich mal was anderes …

Jetzt habe ich hier im Blog in letzter Zeit sooo viel für Auf den Wellen des Glücks getrommelt, dass sich die Fraktion der Historienfans unter euch womöglich allmählich vernachlässigt fühlt. Das möchte ich selbstverständlich verhindern, deshalb gibt es heut wieder einen Textschnipsel aus Das Gold des Lombarden für euch.

Ich habe mir zu diesem Roman eine ganze Liste mit Schnipseln zusammengestellt, die ziemlich lang ist, sodass sich euch bis zum Erscheinungstermin noch ordentlich anfüttern kann. Vermutlich ist die Liste hauptsächlich deshalb so umfangreich, weil es einfach zu viele in meinen Augen schöne Szenen in dem Buch gibt (sie sind alle so toll!). Ich konnte mich einfach nicht entscheiden …

Wenn es im Herbst daran geht, Textstellen für Lesungen zusammenzustellen, wird es mir garantiert genauso gehen. :-D

Ihr dürft mir selbstverständlich gerne erzählen, wie euch dieser oder die vorherigen Textschnipsel gefallen haben. Oder vielleicht habt ihr eine Frage, die ich möglicherweise beantworten kann? Immer her damit; ich rede nämlich notorisch gerne über meine Bücher, auch wenn sie noch nicht erschienen sind.

Aus dem 6. Kapitel

»Zweifelt Ihr meine Ehrenhaftigkeit an?« Er konnte erkennen, wie ihr Blick flackerte, sich kurz auf das Buch in ihren Händen richtete, dann wieder auf seine Augen. Noch immer unentschlossen, reichte sie es ihm.
»Eure Ehre ist es nicht, die ich infrage stelle, Herr van Cleve.« Auf ihren Wangen hatte sich eine leichte Röte gebildet, die im Schein der Öllampe gerade so zu erkennen war und ihr deutlich besser stand als die Blässe der vergangenen Tage. »Vielmehr sind es Eure Motive, die mir Kopfzerbrechen bereiten.«
Verblüfft hielt er inne, und Ärger stieg in ihm auf. »Glaubt Ihr etwa tatsächlich, ich wollte mir die Witwe meines Konkurrenten unter den Nagel reißen?«
»Ihr habt die Möglichkeit bisher nicht von der Hand gewiesen.«
»Für ein angeblich so harmloses Weib seid Ihr ausgesprochen hoffärtig und von Euch selbst eingenommen. Ich sehe schon, hinter Eurem püppchenhaften Aussehen versteckt sich eine ausgekochte Circe.«
»Eine was?« Irritiert runzelte sie die Stirn.
»Circe oder auch Kirke ist eine Zauberin aus der griechischen Mythologie. Sie galt als Verführerin schlechthin und lediglich Odysseus konnte ihr widerstehen, weil er ein Kraut einnahm, das ihn gegen ihren Zauber immun machte.«
Für einen Moment starrte Aleydis ihn sprachlos an, doch dann trat ein zorniger Ausdruck in ihre Augen. »Und Ihr vergleicht mich mit dieser Zauberin?«
»Sie war auch eine Göttin.«
»Und Euch selbst wohl mit diesem Odysseus?«
»Schwerlich. Die beiden hatten angeblich drei Söhne miteinander.«
»Dann hat dieses Kraut wohl nicht lange hergehalten.« Sie erhob sich und trat einen Schritt zur Seite.
Auch Vinzenz richtete sich wieder auf. »Einer der drei hat ihn später versehentlich mit einem Giftpfeil getötet.«
»Ihr beeindruckt mich nicht mit Eurem Wissen um alte griechische Sagen.«
»Das hatte ich auch nicht vor, Frau Aleydis. Ich habe sie lediglich als Vergleich herangezogen.«
»Um mich zu beleidigen?« Sie schnaubte. »Glaubt Ihr, ich wollte mir über Nicolais noch nicht ganz erkaltetem Leichnam einen neuen Gemahl verschaffen? Euch gar?«
»Für unbeteiligte Außenstehende hätten Eure Bemerkungen eben den Eindruck erwecken können.«
»Nun, dann kann ich ja froh sein, dass wir hier unter uns sind, Herr Gewaltrichter. Denn eines lasst Euch gesagt sein: Mir liegt nichts ferner, als Euch oder irgendjemanden sonst zu bezaubern, geschweige denn zu verführen. Fühlt Euch also sicher vor mir. Ich bin nicht auf eine neue Ehe aus.«
Er glaubte ihr, fragte sich jedoch zugleich besorgt, ob das zornige Funkeln in ihren Augen nur auf ihn eben jene bezaubernde Wirkung hatte, die sie so ganz und gar nicht beabsichtigte. In diesem Moment hätte er gerne etwas von dem immun machenden Kraut besessen. Sicherheitshalber lenkte er das Gespräch rasch wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. »Was ist noch in der Truhe?«
Mit hochgezogenen Schultern ging Aleydis noch einmal in die Knie und zog einen prall gefüllten Beutel aus Samt hervor. »Gold.«
Der unselige Bann, der sich für einen Moment über ihn gelegt zu haben schien, war vergessen. »Lasst sehen.« Er zog das Band an dem Beutel auf und warf einen Blick auf die Münzen. »Bei allen Heiligen.« Er schüttelte den Beutel ein wenig. »Das ist ein Vermögen.«
»Hier ist noch einer.« Aleydis deutete auf eine weitere samtene Geldkatze.
»Das Gold des Lombarden Nicolai Golatti.« Beeindruckt ließ Vinzenz ein paar der Münzen durch die Finger gleiten. »Ich habe es immer für eine maßlose Übertreibung gehalten, wenn davon die Rede war.«
»Wer hat darüber geredet?« Argwöhnisch nahm sie ihm den Beutel wieder ab und verschnürte ihn.
»Mein Vater hauptsächlich, aber Euch dürfte inzwischen nicht mehr verwundern, dass man sich in gewissen Kreisen über Euren Gemahl unterhalten hat. Sein Einfluss war groß. Wenn ich mir dies hier ansehe, begreife ich erst, wie groß. Euch ist bewusst, dass zumindest ein Teil hiervon Blutgold sein dürfte?« Als sie schauderte, fuhr er rasch fort: »Mit dem Inhalt nur eines dieser Geldbeutel hätte er den gesamten Stadtrat kaufen können.« Er lächelte wieder grimmig. »Ihr seid eine wohlhabende Frau, Aleydis Golatti.«
Sie nickte nachdenklich. »Wohlhabend genug, um sogar Euch dazu zu veranlassen, Eure Meinung zu ändern?«
»Meine Meinung worüber?«
»Ob es sich nicht doch lohnen könnte, Euch die Witwe Eures Konkurrenten unter den Nagel zu reißen.«
»Nichts liegt mir ferner, Frau Aleydis.« Er benutzte absichtlich ihre eigenen Worte.
»Und das soll ich Euch glauben?«
»Dieses Gold reicht bei weitem nicht aus, um mich dazu zu verleiten, mich der Gefahr einer Ehe mit Euch auszusetzen.«
Nun hob sie sichtlich überrascht den Kopf. »Worin bestünde denn diese Gefahr?«
Er machte den Fehler, ihr einen Moment zu lange in die Augen zu blicken. Ein unheilverkündender Stich durchzuckte ihn und hinterließ ein aufdringliches Brennen in seiner Magengrube. »Ihr habt eindeutig etwas von Circe.«
In ihren Augen flackerte es erneut. »Hört auf damit.«
Aus reinem Selbstschutz kam er ihrer Forderung nach. »Fragt mich nicht noch einmal, wenn Ihr die Antwort nicht wissen wollt, Frau Aleydis.«

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Köln, 1423. Aleydis de Bruinker ist noch nicht lange mit dem lombardischen Geldverleiher Nicolai Golatti verheiratet, als dieser unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt. Man findet ihn erhängt – hat er sich das Leben genommen? Aleydis will das nicht glauben. Und tatsächlich: Sie findet Male, die auf einen Mord hinweisen. Potentielle Täter gibt es genug, Nicolai hatte viele Feinde.
Die junge Witwe stellt Nachforschungen an, die nicht jeden erfreuen. Schon bald schwebt sie in großer Gefahr, und es scheint, als sei ihr einziger Verbündeter in den Mord verstrickt …

Cover Das Gold des Lombarden
Das Gold des Lombarden

Historischer Roman
Petra Schier

Rowohlt-Taschenbuch & eBook, 512 Seiten, ISBN 978-3-499-27088-8
9.99 Euro

Erscheint am 20. Oktober 2017

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