Bild Paar

 

Eine nicht-gynäkologische Untersuchung von Ursula Schröder

 

Neulich las ich, dass etwa zwei Drittel der US-Amerikanerinnen übergewichtig sind. (Angeblich wären von ihnen viele sogar bereit, zehn Jahre eher als nötig zu sterben, statt zu fett zu sein. Wer macht solche Umfragen?!?) Der Rest hat dann wohl eine Traumfigur einschließlich makelloser Haut und wundervoller Haare und damit das Recht erworben, im Genre der „Romance Novels“ literarisch abgebildet zu werden. Weil das bevorzugt in Form einer Trilogie geschieht, kommt es gelegen, dass diese Gruppe von Damen sich wiederum in drei Unterkategorien aufteilen lässt, was ihre sexuelle Erfahrung angeht:

  1. Sie hatte bisher guten Sex und ergreift deshalb sehr selbstbewusst die Initiative, was den Helden zunächst überrascht, dann aber zu Höchstleistungen antreibt.
  2. Sie hatte bisher schlechten Sex, was den Helden motiviert, ihre Vorurteile durch eine Super-Performance seinerseits zu überwinden, und ihn deshalb ebenfalls zu Höchstleistungen antreibt.
  3. Sie hatte bisher noch gar keinen Sex, was den Helden zunächst bestürzt und beinahe zurückschrecken lässt, dann aber – wie sollte es anders sein – bei der sorgfältig inszenierten Einführung in die kopulativen Freuden zu Höchstleistungen antreibt. (Dabei ist ganz wichtig, endlos viele Kerzen und – wenn irgend möglich – auch Rosen oder deren Blütenblätter ins Spiel zu bringen. Sonst taugt die beste Entjungferung nichts.)

Nachdem nun diese Grundeinteilung festgelegt ist, erhofft die geneigte Leserin natürlich eine detailliertere Beschreibung der Ereignisse im Schlafzimmer (das sich je nach Thema des Werkes gern auch durch ein Eisbärfell vor dem Kamin / einen einsamen Strand / eine Blumenwiese o.ä. ersetzen lässt. Wichtig ist nur, dass die Akteure niemals frieren, was hauptsächlich den bereits erwähnten Höchstleistungen des Helden zuzuschreiben ist). Und dabei ist verständlicher Weise ein wenig Abwechslung vonnöten, denn ein anständiger Liebesroman braucht auf jeden Fall mehrere Sexszenen, um zu beweisen, dass die Höchstleistung des Helden kein einmaliger Zufall war. Dafür kann die routinierte Romance-Autorin auf diese Basis-Varianten zurückgreifen:

 

Paar erotisch=> Die klassische Missionarsstellung für die eher zärtlichen Minuten, besonders für Frauen der Gruppe 2 und 3 zu Anfang empfehlenswert, allein schon weil sie dabei am besten sehen können, wem sie die ungewohnten Wohltaten verdanken.

=> Sie reitet ihn – speziell Damen der Kategorie 2 müssen dieses Angebot begeistert annehmen, weil sie sich dadurch so proaktiv und befreit fühlen dürfen.

=> Oralsex, vor allem in Momenten, in denen sie meint, sie könne unmöglich noch mal kommen, er ihr aber – fuck the Leistungsdruck – unbedingt das Gegenteil beweisen muss.

=> Manuelle Stimulation wird gern dann genommen, wenn die Heldin sich noch nicht wirklich sicher ist – oder dadurch auf die Idee gebracht wird, sich ihrerseits auf diese Weise an der samtigen, aber stahlharten Männlichkeit des Helden zu schaffen zu machen.

=> Das Saugen an ihren Brustwarzen, das schon allein sie in einen Zustand versetzt, der sonst nur mit illegalen Drogen zu erreichen ist.

 

Im fortgeschrittenen Stadium oder bei Frauen der Gruppe 1 kommen dann noch diese Praktiken hinzu:

Bild Paar in Dusche=> Sex im Stehen (hui!), nicht selten verbunden mit dem geknurrten Hinweis des beteiligten Herrn, dass er sie jetzt sofort braucht! Sofort!! Aber ihr geht es natürlich genauso. Nicht mal die Amtseinführung des Präsidenten könnte jetzt wichtiger sein.

=> Sex im Stehen unter der Dusche (ich mag mir weder die Unfallrisiken ausmalen noch die Reaktion der danach hinzugerufenen Sanitäter). Aber: sauber.

=> Sex in Verbindung mit Lebensmitteln. Lecker, jedoch weniger sauber.

=> Doggie-Style, also von hinten, jedoch bitte nicht in Verbindung mit tierischen Kosenamen wie „Maus“ oder „Hase“, das verdirbt die Stilnote.

=> Das Zerreißen von Unterwäsche, was allerdings so vorsichtig wie eine Dynamitstange gehandhabt werden sollte.

 

Die Erwähnung von Kondomen ist selbstverständlich. Nicht so gern gesehen hingegen sind Pornofilme, Schläge, mitwirkungsbereite Dritte und der Einsatz anderer Hilfsmittel, die eher dafür sprechen, dass „er“ nicht der Richtige ist, denn ein echter Held erbringt seine Höchstleistungen ohne Zuhilfenahme solcher Krücken. Außerdem erkennt man ihn daran, dass er gut riecht, an Kopf und Rumpf korrekt behaart ist (nicht zu viel, nicht zu wenig), und seine Jeans – zwischen den Höchstleistungen pausierend – so trägt, dass zwar der Reißverschluss geschlossen ist, der Knopf aber nicht. (Letzteres symbolisiert seine latente Bereitschaft zur Fortsetzung der sexuellen Gefälligkeiten, ersteres spricht eher für den Wunsch, die Hose nicht zu verlieren).

Die Heldin zeichnet sich wiederum dadurch aus, dass sie einfach nur glücklich ist. Woran man das außer an den fehlenden Vibrator-Batterien im Sondermüll merken kann, weiß ich leider nicht, aber ich finde, ansonsten hätte ich mit dieser Zusammenfassung doch schon eine Menge beigetragen zu einem wichtigen, wenn auch bisher vernachlässigten Forschungsgebiet der modernen Literatur.

 

Ursula Schröder schreibt humorvolle Romane, die im Sauerland spielen und selten Sexszenen enthalten. Sie bloggt (gelegentlich) unter www.ursulaschroeder.de und ist bei Facebook als „schroederbooks“ vertreten.

 

Fremdwerbung

Bücher von Ursula Schröder (und ihrem Pseudonym Alexa Baumeister)

Cover Frau mit Biss trifft Mann mit Bibel Cover Glück hat auf Dauer nur der Glückliche Cover Gilla - Irgendwas ist immer

 

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