Die Dreifaltigkeit der Liebe. Oder: Variation ist allesLange habe ich überlegt, worüber ich am Valentinstag bloggen soll. Natürlich über irgendetwas, das mit Liebe zu tun hat.

Deshalb hat es auch so lange gedauert und der Artikel kann erst abends online gehen. Viele von euch werden ihn deshalb vermutlich heute gar nicht mehr lesen. Vielleicht sogar, weil ihr ein romantisches Valentinstags-Date habt. Es sei euch von Herzen gegönnt.

Und keine Sorge, was ich in diesem Artikel erzähle, gilt auch die restlichen 364 Tage des Jahres. ;-)

In meiner Liste mit Ideen für Blogartikel finden sich diverse Themen, die sich um die Liebe drehen.

Ich habe mich nun für die “Dreifaltigkeit” entschieden.

Was das überhaupt ist, wollt ihr wissen?

Es handelt sich um die drei grundlegenden Typen von Liebesgeschichten. Übrigens findet man sie nicht nur in Romanen, sondern grundsätzlich auch in Theater, TV und Kino. Da ich aber nur den ersten dieser Bereiche bediene, konzentriere ich mich bei meinen folgenden Ausführungen darauf.

“Ich lese keine Liebesromane, die sind immer so vorhersehbar.”

Ja, selbstverständlich. Zwei Menschen verlieben sich und kriegen sich am Ende. Oder auch nicht. Ende der Geschichte.

Genauso gut könnte ich sagen: “Ich mag keine Krimis, die sind immer so vorhersehbar.” Es gibt einen Mord (oder mehrere) und es gibt einen Mörder (oder mehrere). Am Ende wird er  (oder werden sie) gefasst. Oder auch nicht. Ende der Geschichte.

Wenn man sich vor Augen hält, dass jedes Thema, jede Figurenkonstellation, einfach jede Art von Geschichte über die Jahrhunderte (oder Jahrtausende) schon unzählige Male erzählt worden sind, wird deutlich, wie schwierig es ist, das Rad neu zu erfinden. Es ist praktisch nicht möglich. Und Autoren bleibt nur die Möglichkeit zu variieren, unserer speziellen Geschichte unseren ureigenen Stempel aufzudrücken.

Variation ist alles

Die Dreifaltigkeit der Liebe. Oder: Variation ist allesIch schreibe nicht nur leidenschaftlich gerne Liebesgeschichten, ich lese sie auch. Von Jane Austen über Theodor Fontane (Ja, das ist der Typ, der  unter anderem Effi Briest geschrieben hat. Über diesen Roman habe ich meine Abiturklausur geschrieben.), Goethe, Schiller, Lessing (deren Dramen mich bis heute leider nicht wirklich erreichen konnten), Shakespeare und ein paar Ausflüge in mittelalterliche Balladen und Erzählungen bis hin zu zeitgenössischen Autorinnen, viele davon, aber längst nicht alle aus Übersee, allen voran eine Frau, deren Art, Geschichten zu erzählen, mich seit den 90er Jahren schon fesselt und geprägt hat: Nora Roberts. Noch weitere Namen zu nennen, unterlasse ich an dieser Stelle, denn das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Worauf ich überhaupt hinaus will:

Allen diesen Schriftstellern/Dichtern ist eines gemein: Sie schreiben oder schrieben über die Liebe. Wenn man sich den Aufbau ihrer Geschichten, Romane, Dramen usw. ansieht, fällt eines ins Auge: Sie behandeln dieses Thema immer unter einer von drei Prämissen. Wenn man sich die Literatur der Welt(geschichte) ansieht, findet man genau diese drei Prämissen immer und immer wieder.

Die Dreifaltigkeit der Liebe?

Gibt es wirklich nur drei mögliche Konstellationen in Liebesromanen? Schauen wir mal genauer hin.

  1. Love on first sight / Liebe auf den ersten Blick

    Bedeutet: Zwei Menschen begegnen einander zum ersten Mal und verlieben sich ineinander.

  2. Friends to lovers / Freunde werden zu Liebenden

    Bedeutet: Zwei Menschen, die einander schon seit einiger Zeit kennen, verlieben sich ineinander. Dabei kann die jeweilige Zeitspanne des sich zuvor Kennens variieren von wenige Monate bis hin zu vielen Jahren oder gar Jahrzehnten (in manch einem Zeitreise-Roman sogar Jahrhunderte).

  3. Enemies to lovers / Feinde werden zu Liebenden

    Bedeutet: Zwei Menschen, die sich anfangs nicht ausstehen können, verlieben sich nach einer Weile ineinander oder sind es heimlich schon die ganze Zeit, geben es aber nicht bzw. erst nach einer gewissen Weile zu.

Das war es schon. Die Dreifaltigkeit der Liebe, auf die sich so gut wie alle Geschichten letztendlich reduzieren lassen. Die drei Grundprinzipien (oder Prämissen) der Liebesromanliteratur.

“Moment mal”, schreit da der eine oder die andere von euch, “das kann nicht sein. Meine Geschichte oder die, die ich gerade lese, läuft gaaanz anders ab.”

Tut sie das wirklich? Analysiert sie einmal genau und falls ihr tatsächlich eine vierte Variante entdeckt habt, scheut euch nicht, sie mir in den Kommentaren unter diesem Artikel zu nennen.

Ich spreche jetzt allerdings nicht von den Rahmenbedingungen des jeweiligen Romans, nicht, dass ihr das verwechselt. Jeder Roman ist in einen ureigenen, spezifischen Kontext eingebettet. Romeo und Julia verlief nur so dramatisch, weil die Familien der beiden jungen Leute verfeindet waren. Das hat nichts damit zu tun, ob die beiden sich schon länger kannten, einander schon immer sympathisch waren, sich gegenseitig als Kinder getriezt haben oder sich erst kurz vor den schicksalhaften Ereignissen, die zu ihrem Tode führten, zum ersten Mal begegnet sind.

In einem historischen Roman, dessen Schauplatz eine mittelalterliche Stadt oder Burg ist, sind die gesellschaftlichen und kulturellen Umstände andere als in einer Science-Fiction-Geschichte, einem Fantasyabenteuer oder einem frechen Liebesroman, der im Hier und Jetzt spielt. Es ist auch unerheblich, ob es sich um eine klassische Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau handelt oder um eine Dreiecksgeschichte (die betreffenden Personen müssen einander ja auch erst einmal begegnen oder sich bereits auf die eine oder andere Weise kennen) oder um einen Roman, der in Schwulen- oder Lesbenmilieu angesiedelt ist. Die Dreifaltigkeit bleibt immer bestehen.

Auch die Variante, bei der die zwei Hauptfiguren einander schon immer geliebt haben, jedoch lange nicht (oder niemals) zueinander finden, fällt unter mindestens eine der drei Kategorien. Denn “schon immer” kann man einen Menschen nicht geliebt haben. Man wird nicht mit der Liebe zu einem Menschen geboren, nicht einmal mit der zur leiblichen Mutter. Möglich ist, dass man bereits im Kindergarten (oder noch früher) diesem einen besonderen Menschen begegnet ist und von da an bereits die Liebe gewachsen ist.

Die Dreifaltigkeit der Liebe. Oder: Variation ist allesAuf den ersten Blick? Im Kindergarten? Ja, so etwas gibt es tatsächlich. Die Liebe kennt kein Alter. Oder zumindest einer von beiden hat sich aufgrund einer gewachsenen Freundschaft in den jeweils anderen verliebt oder beide ineinander. Also auch hier: Liebe auf den ersten Blick oder Freunde, die zu Liebenden werden, ganz gleich, in welch frühem Kindesalter. In solchen Geschichten vergehen oftmals viele ihre oder Jahrzehnte, bevor diese Liebe erkannt oder ausgelebt wird. Manchmal wird sie es auch nie, weil die Umstände es nicht erlauben. Das Grundprinzip bleibt.

Jane Austens Elisabeth Bennet (Stolz und Vorurteil) ist übrigens ein gutes Beispiel von “Enemies to Lovers”. Sie verabscheut Mr. Darcy zu Beginn an ganz erheblich. An Ende liebt sie ihn aus vollem, tiefstem Herzen. Umgekehrt handelt es sich aber interessanterweise um eine “Liebe auf den ersten Blick”-Geschichte, denn Mr. Darcy verliebt sich gleich zu Beginn, möglicherweise sogar schon beim ersten Zusammentreffen in Elizabeth, gibt es aber lange Zeit nicht zu und spielt das Spiel der Feindschaft, das sie angezettelt hat, mit, weil er seine wahren Gefühle verbergen will.

Und damit wären wir endlich beim zweiten Teil der Überschrift meines heutigen Artikels:

Variation ist alles

Wenn es schon nur diese drei Grundtypen gibt, dann ist es ganz klar, warum viele Menschen vor Liebesromanen zurückschrecken und sie als vorhersehbar einschätzen. Das sind sie auch. Denn abgesehen davon, dass es auch nur drei mögliche Endvarianten gibt, bleibt ja nicht viel Spielraum für die Prämisse.

Moment, nur drei Endvarianten?

Ja, genau:

  1. Happy End

    Bedeutet: Am Ende kriegen sie sich. Die bei Liebesromanen am weitesten verbreitete und von der überwiegenden Zahl der Leser*innen bevorzugte Variante (Meine auch.)

  2. Unhappy End

    Bedeutet: Am Ende kriegen sie sich nicht. Siehe “Romeo und Julia”, Schillers und Lessings Dramen (deshalb mag ich die auch so wenig), die Nibelungen (ja, das ist auch eine Liebesgeschichte mit traurigem Ende). Schlimmstenfalls, wie in einigen dieser Beispiele, sind am Ende sogar einige oder alle Beteiligten tot.

  3. Open End oder offenes Ende

    Fast noch schlimmer (für mich) als das Unhappy End ist das open End, bei dem sich Leser oder Leserin selbst ausmalen oder überlegen dürfen (oder müssen), wie es mit den Figuren des Romans wohl weitergehen mag. Obgleich diese Variante durchaus zu einigen Geschichten passt oder sogar gar nicht anders erzählt werden kann, weil es sonst die Gesamtkomposition des Romans zerstören würde, ist sie, so zumindest meine Erfahrung aus Gesprächen mit Leser*innen und Kolleg*innen, die am wenigsten bevorzugte. Denn der Mensch lechzt geradezu nach einem Abschluss, einem runden, in sich schlüssigen Ende, ganz gleich, ob es ihm oder ihr ein seliges Seufzen entlockt oder den Taschentuchkonsum kurzfristig exponentiell ansteigen lässt.

Aber zurück zum Thema: Variation ist alles

Die Dreifaltigkeit der Liebe. Oder: Variation ist allesDie einzige Möglichkeit für uns Liebesromanautorinnen und -autoren ist es, uns mit einer für unsere Geschichte einzigartigen Variante einer der drei Konstellationen hervorzuheben. Und hierbei gibt es glücklicherweise so viele Alternativen wie Menschen auf diesem Planeten. Hier in der Eifel und im Rheinland sagt man so schön: Jeder Jeck is anders. Stimmt. Und auch jede Liebesgeschichte ist anders. So anders wie die jeweils an ihr beteiligten Personen. Das sind einmal die Figuren auf der einen Seite und einmal der Autor oder die Autorin auf der anderen.

Und hier wird es interessant. Spannend. Abwechslungsreich.

Leise Romantik, prickelnde Erotik, Tränendrüsen überreizende Tragik, urkomische Lachmuskelüberforderung, kitschige Schmachtfetzen, komplexe Gefühlsdramen. Für jeden Leser, jede Leserin ist etwas dabei. Man muss dem Liebesroman nur eine Chance geben. Oder auch zwei, oder drei. Nein, oops, das war der Werbespruch für Ferrero Küsschen. ;-) Passt aber auch hier, wenn wir mal ehrlich sind. Oftmals höre ich den oben zitierten Spruch, dass Liebesromane wegen der Vorhersehbarkeit nicht gelesen werden. Wenn man dann weiterfragt, zum Beispiel nach den ebenfalls oben genannten Klassikern, erfährt man oft, dass diese selbstverständlich gelesen wurden. Und für gut befunden. Oder zumindest spricht man ihnen nicht ihre Daseinsberechtigung ab, wie es zeitgenössischer Liebesromanliteratur leider allzu häufig widerfährt.

Nun, kleiner Hinweis am Rande: Ob Fontane, Austen oder Shakespeare, sie haben allesamt Liebesgeschichten geschrieben. Für die breite Masse, nicht für irgendwelche Feuilletons (die es damals so noch gar nicht gab). Und selbst wenn sie zu ihrer Zeit schon als Hochliteratur gegolten hätten, wären sie doch eines geblieben: Liebesgeschichten.

Womit wir aber wieder beim Eingangsthema wären: Die Dreifaltigkeit der Liebe und ihre Variationen. Derer gibt es, wie gesagt, unzählige. Man kann, wie Jane Austen in Stolz und Vorurteil zwei der Varianten miteinander verbinden (die eine Seite erlebt die Liebe auf den ersten Blick, die andere muss erst über die Abscheu zu Verständnis und schließlich zur Liebe finden, also vom Feind zum Liebenden werden) oder auch dem gewählten Grundmuster besonders widrige Umstände hinzufügen. Die Probleme der Hauptfiguren können von außen an sie herangetragen werden oder aus ihrer ureigenen Geschichte, ihrem Wesen, ihrem emotionalen Ballast oder schlicht und ergreifend aus ihrer Kindheit resultieren.

Ganz gleich, welche Zutaten man miteinander vermischt, es wird jedes Mal eine neue, spannende, berührende Geschichte daraus entstehen. Einige sind vielleicht noch vorhersehbarer als andere. Manche warten mit vielen kleinen, andere mit einer großen Wendung auf. Die einen sind komplex und/oder in ihrer Tragik sehr schwer verdaulich, andere lassen sich wie warmer Kakao hinwegschlürfen.

Ganz gleich, wie die Variationen aussehen mögen, sie handeln schließlich und endlich alle von dem einen Thema, das die Welt (und nicht nur die der Literatur) antreibt: der Liebe.

Die Dreifaltigkeit der Liebe. Oder: Variation ist alles

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