Gastbeitrag von Lia Bergman
Meine ersten erotischen Geschichten habe ich in englischer Sprache verfasst. Und das kam nicht von ungefähr, denn das Englische bietet mehr Möglichkeiten, sich elegant um explizite Nomenklatur herumzudrücken.
Für mich liegt eine der größten Herausforderungen beim Schreiben von erotischen Geschichten darin, die Dinge beim Namen zu nennen und doch nicht ins Vulgäre oder Pornografische abzudriften.
Dabei mangelt es auch im Deutschen nicht an Vokabular für die Geschlechtsorgane und das, was man damit tun kann. Hier gibt es drei primäre Stoßrichtungen (schlechtes Wortspiel nicht intendiert): die medizinisch-anatomische, die vulgäre und die metaphorisch verbrämte.
Zur ersten zähle ich Begriffe wie: Glied, Penis, Glans, Vulva, Labien, Vagina, Klitoris und so weiter. Sie sind zwar neutral und bezeichnen korrekt das Gemeinte, können aber schnell steril wirken und die Erotik stören. Das deutsche Wort Brustwarzen klingt für mich zum Beispiel total unerotisch. Wenn ich das Wort Warzen höre, bekomme ich jedenfalls nicht unbedingt Lust auf Sex. Glied und Scheide erinnern mich an Aufklärungsbücher für Kinder, Vulva, Glans und Labien an den Anatomieatlas. So richtig anregend finde ich da verbal nichts.
Die vulgäre Ecke hat Wörter wie Schwanz, Titten, Arsch, Möse, Eier und dergleichen im Angebot. Im richtigen Kontext finde ich dabei einige in Ordnung, andere wiederum sind für mich persönlich absolute Lustkiller (dazu gehören Möse und – mein ultimatives No-go – Fotze). Die Begriffe sind für mich zu abwertend und vulgär, als dass ich sie anregend finden könnte. Natürlich ist bisweilen auch das Spiel mit dem Vulgären reizvoll, aber hier sind die Empfindlichkeiten sehr unterschiedlich, und man bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Bleibt also Kategorie drei: die Metaphern. Leider ist das Deutsche dabei meines Erachtens etwas schwerfälliger als das Englische, in dem es viele unangestrengt klingende Schummelbegriffe gibt. Vielleicht liegt es auch nur an der größeren emotionalen Distanz. His hardened flesh klingt für mich zum Beispiel eleganter als sein hartes Fleisch. Möglicherweise auch, weil wir im Deutschen zwischen Fleisch zum Essen und noch lebendigem „Fleisch“ sprachlich nicht unterscheiden? Auf Englisch kann man das beste Stück des Mannes schließlich auch als meat bezeichnen und das klingt für mich ebenfalls vulgärer als flesh. Wenn man auf die Metaphern ausweicht, kann es schnell peinlich werden. Dann ist man ratzfatz beim verbalen Kuriositätenkabinett angelangt, das so schöne Blüten hervorbringt wie Lustgrotte, Mooshöhle, Freudenpfriem, Lustkolben, Fleischschwert oder Purpurkrieger. Solche Begriffe reizen dann eher das Zwerchfell als die erotische Fantasie.
Die ideale Lösung habe ich auch noch nicht, doch ich habe inzwischen für mich einen gangbaren Mittelweg zwischen den verschiedenen Extremen gefunden. Bei kurzen erotischen Szenen versuche ich im Allgemeinen, die anatomischen Gegebenheiten ganz zu umgehen und mit Andeutungen und Gefühlen zu arbeiten. In einem erotischen Roman mit längeren Sexszenen erwarten die meisten LeserInnen allerdings, dass es etwas expliziter zur Sache geht, und man kommt um entsprechende Begrifflichkeiten nicht herum. Hier versuche ich im Großen und Ganzen, nicht zu anatomisch und detailliert zu werden, nicht jede Stellung bis ins Kleinste versuchen, genau zu beschreiben. Der Text soll sich nicht lesen wie die Anleitung für eine Yoga-Übung. Ich konzentriere mich nach Möglichkeit auf die ausgelösten Empfindungen und arbeite viel mit dem Setting und der Situation. So soll das Kopfkino in Gang kommen. Eine meiner Lieblingsszenen gibt es zum Beispiel in meinem Kurzroman Midsommarhitze, in der die Protagonisten nach einem fürchterlich drückenden und schwülen Nachmittag im Freien auf der Wiese vor dem Haus Sex haben, während ein Gewitterregen über sie hereinbricht und sich die Wiese langsam in ein Matschfeld verwandelt (selbstverständlich sind sie zu abgelenkt, um sich daran zu stören).
Ich verwende eher neutrales Vokabular (Scham, Brüste, Erektion), würze hier und da (vor allem in wörtlicher oder erlebter Rede) mit etwas vulgäreren Begriffen und weiche hin und wieder auf metaphorische Begriffe aus wie Perle oder Knospe ohne krampfhaft originell sein zu wollen, weil so etwas erfahrungsgemäß schnell nach hinten losgeht. Ob es mir gelingt, können letztlich nur meine LeserInnen beurteilen.
Mich würde brennend interessieren, welche Wörter (oder Formulierungen) es gibt, die euch total abtörnen. Wenn ihr Lust habt, postet eure Lieblings-Lustkiller doch einfach in die Kommentare. Ich freue mich natürlich auch über Anregungen (kicher – letztes schlechtes Wortspiel für heute, versprochen!) und Ideen von euch oder Beispiele, die ihr für besonders gelungen haltet.
Lia Bergman lebt und arbeitet in einer kleinen Stadt unweit von Münster und schreibt Romane über Liebe, Lust und Leidenschaft. Lia ist ausgebildete kaufmännische Assistentin für Fremdsprachen, hat Anglistik und Germanistik studiert und arbeitet als Autorin, Übersetzerin, Lektorin und Sprachlehrerin. Sie verbrachte ein Jahr in Südengland und reist gerne quer durch Europa. Insbesondere die britischen Inseln und Skandinavien haben es ihr angetan. Auch in ihren Romanen sind für sie eine sinnliche Atmosphäre und interessante Kulisse wichtige Bestandteile. Geschichten hat sie sich schon immer gern ausgedacht und auch aufgeschrieben. Doch erst vor vier Jahren erfüllte sie sich mit ihrer ersten Romanveröffentlichung den langgehegten Traum vom eigenen Buch.
Lias Autorenseite bei dp digital publishers
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- Über mich
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
Vielen Dank für diesen Beitrag. Ja, manche Wörter wirken wie die berühmte Icebucket-Challenge – aber ich finde, man sollte auch Paracelsus nicht aus den Augen verlieren: „Die Dosis macht das Gift“. So sehr ich mich von dem unterhaltsam geschriebenen Artikel von Diana Gabaldon inspirieren ließ (den es inzwischen auch als E-Book gibt, habe ich jetzt erst herausgefunden) https://www.dianagabaldon.com/2012/07/how-to-write-sex-scenes/ – ich muss zugeben, dass ich an manchen Stellen die entspechenden Szenen zu überblättern begann … Nein, sie breitet sie nicht derart episch aus wie Jean M. Auel, die „Großmeisterin des Vorspiels“ in ihrem Ayla-Zyklus.
Aber für meinen Geschmack war es doch ein bisschen zu viel.
Was für mich persönlich ein no-go darstellt, ist „dirty talk“. Die Vorstellung, dass jemand angesichts hochkochender Hormone ins Sabbeln verfällt, wirkt auf mich total ernüchternd.
Ja, die Geschmäcker sind unterschiedlich.
Das Wesentliche jedoch ist – darüber habe ich auch schon einige Artikel geschrieben – die Szenen mit nachvollziehbaren, authentischen Gefühlen auszustatten.
Nichts schlimmer als eine Bedienungsanleitung für erogene Zonen. Ich meine, unsere Leser verfügen in der Regel doch über einiges an L(i)ebensserfahrung. Darauf kann man gut abheben und durch Andeutungen Erinnerungen abrufen.
Vor allem aber sollten wir als Autoren, die nicht keisch an der Schlafzimmertüre ausblenden, uns nicht in Verteidigungsstellung bringen oder gar über Werke von Kollegen (allgemeingültig) urteilen. Die Vorlieben unterscheiden sich – zum Glück! – und was dem einen zu viel ist der anderen zu wenig. Ist doch toll, wenn es eine Bandbreite gibt, aus die der Leser das jeweils passende auswählen kann.
Und bitte: Nicht das P-Wort!
Danke!
Das ist ein wichtiger Gedanke, den du da äußerst. Dass jeder anders tickt und es da eine Bandbreite gibt und geben sollte. :) Danke dir für deinen Kommentar und den Link!
Natürlich unterscheiden sich die Vorlieben, und bald wird es hier im Blog auch Stimmen geben, die die schönste Nebensache der Welt in der Literatur ganz anders sehen (oder sogar vollständig darauf verzichten könnten).
Ist nicht die Erotik allgemein ein Spiel mit den Möglichkeiten, mit Vorstellungen und Fantasien? So sehe ich auch die Ausarbeitung der Begrifflichkeiten: Ein Spiel mit den Möglichkeiten. Wobei mitunter eine Verniedlichungsform schon eine ganz andere Wahrnehmung vermitteln kann. (Möse – Möschen, Schwanz – Schwänzchen, wobei das im Gegensatz zu Ersterem für die damit benannte Seite nicht sehr schmeichelhaft rüberkommen könnte…) Ist eben auch eine Frage, welche Art von Sex man beschreiben möchte: romantischen, geschäftlichen, berechnenden usw.
Für mich absolutes No-Go in der Sprache der Erotik: Wenn’s gynäkologisch oder urologisch wird!
Stimmt, bei solchen “Lehrbuchbegriffen” wird es wohl auch alles andere als erotisch. Man könnte sie höchstens noch für eine satirische Version nutzen oder in einer Überspitzung oder als komödiantisches Element. Aber mit Erotik hat das dann auch nichts mehr zu tun.