Verhütung ist wichtig, darüber sind wir uns, denke ich, alle einig. Im wahren Leben sowieso, da sollten Sex und Verhütung stets Hand in Hand gehen, insbesondere bei neuen Bekanntschaften oder häufig wechselnden Partnern oder Partnerinnen.
Dass hier immer noch Aufklärungsarbeit geleistet werden muss, zeigen nicht nur viele Teenager- und sonstige ungewollte Schwangerschaften, sondern auch die immer noch sehr hohe (oder sogar wieder steigende) Zahl von Ansteckungen mit HIV, aber auch anderen Geschlechtskrankheiten. Viele Menschen nehmen die Risiken einfach nicht ernst oder ernst genug und wundern sich hinterher über die Konsequenzen.
Immer wieder werden von Rundfunk und Fernsehen und auch übers Internet Kampagnen geschaltet, die zur Aufklärung und Sensibilisierung für dieses Thema beitragen sollen.
Ich als Autorin sehe mich hier ebenfalls in der Pflicht und Vorbildfunktion. Deshalb wird in meinen Romanen, insbesondere den zeitgenössischen, stets Safer Sex praktiziert. Zu Deutsch: Es wird ein Kondom verwendet und ja, das wird auch erwähnt. Ganz normal und selbstverständlich und ganz ohne die jeweilige romantische oder leidenschaftliche Atmosphäre zu zerstören.
Hier ein Beispiel aus Körbchen mit Meerblick:
Alles ging schnell. Viel schneller, als er vorgehabt hatte. Doch selbst wenn er es gewollt hätte, wäre ihm ein Rückzug nicht mehr möglich gewesen. Mit beiden Händen umfasste er wieder ihre Brüste, hob sie ein wenig an, glitt mit den Lippen über die hart aufgerichteten Spitzen und genoss die unruhigen Laute, die sie daraufhin ausstieß. Wieder spürte er ihre Hände an seiner Hose, dann umschloss sie ihn mit einer Hand, und ihm wurde
für einen Moment schwarz vor Augen.
Das Stöhnen, das in seiner Kehle aufstieg, mischte sich mit einem ungeduldigen Knurren, als er die Knöpfe an ihrer Hose nicht schnell genug aufbekam. Doch dann hatte er es endlich geschafft und streifte ihr Hose und Slip zusammen vom Körper.
Sie taumelte ein wenig, doch er zog sie rasch wieder fest an sich, küsste sie, umfasste mit einer Hand ihre rechte Brust und fuhr mit der anderen Hand zwischen ihre Schenkel.
Sie stieß ein fast schon erschrockenes Stöhnen aus, als er ihre heiße, feuchte Mitte fand und reizte. In seinem Unterleib pochte es verlangend.
„Alex, o Gott, ich … kann nicht mehr länger … warten …“
Ihre Worte waren unterbrochen von heftigen Atemstößen. Wieder umschloss sie ihn fest mit einer Hand und brachte ihn damit an den Rand seiner Beherrschung. Er drängte sie gegen die Anrichte und griff gleichzeitig nach seiner Jacke, die er über die Lehne der kleinen Eckbank gehängt hatte. In der Innentasche fand er das Päckchen Kondome, das er am Vortag noch gekauft hatte. Mit fliegenden Fingern streifte er sich eines davon über und drängte Melanie erneut gegen die Anrichte, hob sie darauf, sodass ihre Hüfte auf gleiche Höhe mit seine war. Sofort schlang sie ihre langen Beine um ihn.
Ihre Münder fanden sich in dem Moment, als er mit einem kraftvollen Stoß in sie eindrang.
Zumindest nach meinem Dafürhalten entsteht hier durch den Gebrauch des Kondoms kein Bruch in der Handlung oder Atmosphäre. Dafür verhalten sich meine Romanfiguren, hier vom Mann ausgehend, vorbildlich, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben.
Natürlich ist das Verhalten der Menschen im wahren Leben bei weitem nicht immer vorbildlich, werden jetzt einige von euch argumentieren. Warum sollte es dann bei Romanfiguren anders sein?
Nun: Weil es Romanfiguren sind und ich mich, als ihre Schöpferin, in oben besagter Vorbildfunktion sehe. Wo, wenn nicht in und mit unseren Geschichten, können wir Literaturschaffenden positiven Einfluss auf die Menschen nehmen? Nicht nur, was Verhütung angeht, sondern auch in allen anderen Bereichen des Lebens, in der eine solche Vorbildfunktion wichtig sein kann. Gleichberechtigung zum Beispiel und auch Toleranz gegenüber anders denkenden Menschen, Andersgläubigen, anders Aussehenden, gegenüber behinderten Menschen, bedrohten (oder auch nicht bedrohten) Tieren, der Umwelt und so weiter.
Das bedeutet nicht, dass alle meine Romanfiguren immer alles nur gut und richtig machen, denn das wäre sterbenslangweilig. Aber es schadet der Handlung in der Regel nicht, wenn Männer kochen und backen können, ihre Wohnung putzen oder wissen, wie ein Bügeleisen funktioniert (und es auch benutzen) oder wenn Frauen an der Spitze eines großen Unternehmens stehen und ihr Leben in die eigene Hand nehmen. Oder wenn der Held oder die Heldin (gerne aber auch eine Nebenfigur) beim Einkaufen Korb und Papiertüten anstelle von Plastiktüten verwendet oder sich im Tierschutz engagiert, Kollegen oder Freundinnen aller möglichen Hautfarben oder Nationalitäten hat und / oder mit Menschen generell, ganz gleich wer sie sind oder woher sie kommen, respektvoll umgeht. Immer vorausgesetzt, es passt in die Handlung hinein und wird nicht einfach von außen künstlich aufgedrückt.
In einem Buch über eine brutale Rockerbande herrscht ganz sicher ein anderer Umgangston und ein anderes Verhalten als in einer glücklichen Familie mit Mama, Papa und zwei kleinen Kindern. Obwohl auch ein Bruch des Bildes (oder Klischees) durchaus reizvoll sein kann. Etwa der besagte harte Rocker, der ein Herz für ausgesetzte Katzen hat oder dergleichen. Aber auch das natürlich nur, wenn es der Story dienlich ist und nicht einfach nur aufgedrückt wird.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Ausnahmen, was den Gebrauch von Kondomen angeht, gibt es allerdings auch in meinen Romanen, nämlich immer dann, wenn der Familienstatus oder die Familienplanung des entsprechenden Paares dies zulässt oder wenn die beiden sich aus einem anderen Grund darüber einig sind, auf ein Kondom zu verzichten. Zum Beispiel, weil sie beide zuvor schon lange sexuell inaktiv waren, beide gesund sind und die Frau sicher weiß, dass sie in dem Moment nicht schwanger werden kann.
Wie sie das wissen kann? Nun, da gibt es ja mehrere Möglichkeiten, nicht wahr?
Entweder sie nimmt die Pille oder benutzt ein anderes Verhütungsmittel (derer gibt es ja ziemlich viele) oder – was in meinen Romanen immer wieder vorkommt – sie verhütet auf natürliche Weise (NFP = Natürliche Familienplanung) und ist sich sicher, dass sie sich gerade im unfruchtbaren Zeitraum ihres Zyklus befindet.
Dazu ein Beispiel aus Vier Pfoten retten Weihnachten:
»Über eine Sache sollten wir uns noch einig werden.« Er hielt inne und wartete, bis sie die Augen aufschlug, bevor er weitersprach. »Auch wenn es so aussieht, als hätte ich das hier geplant. Ich habe Kondome besorgt. Nur für den Fall …«
»Für den Fall?« Sie lächelte verschmitzt.
»Dass sich meine kühnsten Traume erfüllen.« Er beugte sich wieder über sie und küsste sie. »Du musst mir nur Gelegenheit geben, an die Nachttischschublade zu gelangen, dann …«
»Das ist sehr verantwortungsvoll von dir.« Das Lächeln auf ihren Lippen vertiefte sich. »Aber was soll man auch anderes von einem Mann erwarten, der immer das Richtige tut?«
Mit leichtem Stirnrunzeln sah er ihr in die Augen. »Machst du dich über mich lustig?«
»Nein.« Sie wurde ernst und umfasste mit der Hand sanft seine Wange. »Ich weiß das zu schätzen, Steffen, aber … Es ist der falsche Zeitpunkt.«
»Was meinst du?« Verwundert zog er die Stirn in noch tiefere Falten.
Sie lachte. »Entschuldige, das war falsch formuliert.« Sanft zog sie seinen Kopf ein wenig weiter zu sich hinab. »Du kannst die Kondome vorerst lassen, wo sie sind. Ich verhüte auf natürliche Weise.«
»Und das funktioniert? Wie denn?«
Sie lachte wieder, als sie seinen verwirrten Gesichtsausdruck sah. »Das erkläre ich dir lieber ein andermal. Kurz gesagt bedeutet es, dass ich im Augenblick nicht schwanger werden könnte, selbst wenn ich es wollte.« Sie hob den Kopf ein wenig an und streifte mit den Lippen seinen Mund. »Und da weder du noch ich in den letzten zwei Jahren andere Partner hatten …«
»Vier Jahre«, murmelte er.
»Eben.« Sie ließ ihre Hand nun federleicht über seinen Brustkorb wandern. »Deshalb können wir auf die Kondome verzichten.«
Sein Herz pumpte das Blut noch eine Spur heftiger durch seine Adern. »Du bist dir da ganz sicher?«
»So sicher, wie man nur sein kann.« Sie ließ von ihm ab und tastete erneut nach den Knöpfen seiner Jeans.
Warum diese Version (NFP) bei meinen weiblichen Romanfiguren häufig vorkommt? Nun, das ist eine persönliche Präferenz, die damit zusammenhängt, dass ich selbst diese Methode bereits seit über 12 Jahren betreibe. Zuvor habe ich jahrelang die Pille genommen, litt aber zunehmend unter Nebenwirkungen, sodass ich irgendwann die Reißleine zog und mich nach anderen zuverlässigen Verhütungsmethoden umsah. NFP leuchtete mir ein, und nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist mir diese Methode inzwischen in Fleisch und Blut übergangen. Ganz zu schweigen davon, dass ich ein vollkommen neues Körpergefühl entwickelt und mich selbst ganz neu kennengelernt habe. Mit anderen Worten: Ich bin keine Freundin von hormoneller Verhütung, aber ich verurteile auch keine Frau, die sich dafür entscheidet. Wichtig ist in meinen Augen, dass überhaupt darüber nachgedacht wird und man / frau sich für eine Methode entscheidet.
Man(n) / Frau … Ja genau!
Auch die Herren der Schöpfung sind hier gefragt, und zwar durchaus aktiv. Das äußert sich in meinen Romanen durch eine gleichwertige und gleichberechtigte Darstellung des Themas Verhütung sowohl aus weiblicher als auch aus männlicher Perspektive. In meinen Romanen muss kein Mann erst aufgefordert werden, ein Kondom zu verwenden. Ich weiß, dass es in der wirklichen Welt leider immer noch häufig der Fall ist (und die betreffenden Männer sich trotzdem oft weigern, mit Ausreden kommen oder nur unter großem Protest einwilligen, Safer Sex zu praktizieren), aber auch hier finde ich, dass meine Romanhelden durchaus Vorbildfunktion einnehmen dürfen. (Vielleicht auch daher der Ausdruck RomanHELD …) Sie organisieren sich meist selbst Kondome, wenn sie vorhaben, Sex zu haben. So wie oben in der zitierten Szene aus Vier Pfoten retten Weihnachten. Tun sie es nicht, wird dies wiederum in irgendeiner Form thematisiert. Zum Beispiel in Ein Weihnachtshund auf Glücksmission.
Während sie noch schwer atmend dalag, entledigte er sich seines verbliebenen Kleidungsstücks und schob sich neben sie. Als er sie küsste, schlug sie die Augen auf und lächelte matt. »Das war unfair.«
Er grinste. »Gern geschehen. Vielleicht fallen mir ja noch ein paar andere Hinterhältigkeiten ein.« Begehrlich strich er mit der Hand die Innenseite ihres Schenkels entlang, bis er erneut ihre Mitte erreichte und sie sachte zu reizen begann. Ihre Augen weiteten sich und ihrem Gesichtsausdruck sah er an, dass sie noch immer erregt war. Das reichte, um seinen eigenen Körper unmissverständlich reagieren zu lassen. Allerdings wurde er sich erst jetzt bewusst, dass er bisher keinen Gedanken an Verhütung verschwendet hatte. Leicht verärgert über sich zog er seine Hand zurück. »Hast du überhaupt Kondome im Haus?«
Sie lächelte leicht. »Ich glaube schon.«
»Du glaubst?«
»Sie müssten sogar noch haltbar sein, wenn auch nur knapp.« Lachend rollte sie sich zur Seite und dann wieder halb auf ihn. »In der Nachttischschublade.« In ihre Augen trat ein verschmitzter Ausdruck. »Habe ich den so überaus verantwortungsbewussten Christian Bonner gerade bei einem Versäumnis ertappt?«
»Mach dich ruhig lustig über mich.« Stirnrunzelnd streckte er seine Hand nach der Nachttischschublade aus, doch zu seiner Verblüffung hielt sie ihn auf. »Warte.«
Noch mehr Ausnahmen
Hinsichtlich des Themas Verhütung wird es etwas schwieriger, wenn es um historische Romane geht. Ja, auch im Mittelalter und danach wurden bereits Schafsdärme und dergleichen als Kondome verwendet und man sagt, Casanova habe seinen Gespielinnen in Essig getränkte Schwämmchen zum Einführen gegeben, um damit die Spermien abzutöten. Davon kann man halten, was man will. Über viele Jahrhunderte wurde aber wohl der Coitus interruptus als gängiges „Verhütungsmittel“ praktiziert – mit, wie man sich denken kann, mäßigem Erfolg. Da die Menschen in vergangenen Jahrhunderten sich – auch aus religiösen Gründen – beim Thema Verhütung eher zurückgehalten haben oder einfach kein Wissen über und / oder keinen Zugang zu Verhütungsmitteln besaßen, wird dieses Thema in meinen historischen Romanen tatsächlich nur sehr selten angesprochen.
Aber das ist doch bloß Fiktion
Hinsichtlich des expliziten Gebrauchs von Kondomen bzw. des Ansprechens der Verhütung insgesamt in Romanen scheiden sich unter Autorinnen und Autoren die Geister. Die einen sehen es wie ich und sich selbst in einer Vorbildfunktion, die anderen umgehen das Problem entweder, indem sie strategisch frühzeitig die Schlafzimmertür schließen und den Rest der Fantasie der Leserinnen und Leser überlassen (dafür gibt es selbstverständlich noch viele, viele andere Gründe) oder sie verzichten bewusst oder unbewusst darauf, das Thema zu erwähnen. Das sei doch Fiktion und die Leserinnen und Leser wüssten doch, dass es darin nicht wie im wahren Leben zugeht, heißt es oft als Argument.
Na klar ist es Fiktion, aber leider, und das ist etwas, was viele Autorinnen und Autoren nicht wahrhaben wollen, nehmen unsere Leserinnen und Leser leider allzu oft für bare Münze, was sie in Büchern lesen. Tatsächlich bestätigen sogar Psychologinnen und Psychologen, dass sie zum Beispiel immer wieder mit Frauen (oft jungen) zu tun haben, die sich mit gewalttätigen Männern einlassen (sogenannten Bad Guys), weil sie sich erhoffen, diese durch ihre Liebe und Fürsorge ändern und läutern zu können, denn so geschehe es doch auch in so wahnsinnig vielen Romanen und Filmen. Das sind Frauen, die dann bestenfalls irgendwann im Frauenhaus landen, sich aber schlimmstenfalls gar nicht aus einer solchen extrem ungesunden Beziehung lösen können und sich selbst am Ende noch die Schuld geben, weil sie es eben einfach nicht schaffen, dem Mann genügend Liebe angedeihen zu lassen, dass er sich ändert.
Klingt unglaublich? Ist aber leider so.
Das Beispiel passt nicht ganz eins zu eins, aber seine Prämisse lässt sich auch auf das Thema Verhütung anwenden. Wie klug, gebildet und vernünftig wir auch den Großteil unserer Leserinnen und Leser einschätzen mögen und dürfen – es gibt immer auch einen nicht zu vernachlässigenden Prozentsatz, der sich tatsächlich von dem, was er liest, in seinem (oder ihrem) Leben stark beeinflussen lässt. Deshalb bin ich der Meinung, dass meine Figuren, dort wo es Sinn ergibt und zur Handlung passt, sich durchaus verantwortungsbewusst zeigen sollen, und zwar ohne dies besonders hervorzuheben oder künstlich aufzudrücken, sondern ganz selbstverständlich, ohne moralischen Zeigefinger.
Denkt darüber hinaus auch bitte mal an all die jungen Mädchen (und Jungs), die selbst heute noch glauben, dass beim allerersten Mal gar nichts passieren kann.
Kann nicht sein, die sind heute alle total aufgeklärt?
Nee, sorry, leider nicht mal ansatzweise. Und falls doch, lassen sie sich gerne aus Bequemlichkeit, Dummheit, Sorglosigkeit oder weil sie den Partner nicht verlieren wollen etwas anderes einreden.
Ein weiteres beliebtes Gegenargument:
Im wahren Leben machen es die Menschen auch meistens ohne Kondom und scheren sich nicht darum. Warum sollten es dann meine Romanfiguren tun? Die sind auch fehlerbehaftet wie jeder Mensch.
Einerseits richtig: Romanfiguren sind ebenso wenig perfekt wie reale Menschen und sollen und dürfen Fehler machen. Oft ist das ja sogar im Rahmen der Handlung gewollt. Aber die Figuren nur deshalb nicht verantwortungsbewusst handeln zu lassen, weil es ja so viele echte Menschen auch nicht tun, geht meiner Meinung nach am Ziel weit vorbei. Denn gerade WEIL so viele Menschen im realen Leben verantwortungslos handeln, ist es umso wichtiger, wenigstens in den Büchern, die sie (vielleicht) lesen, ihnen positive Impulse und Vorbilder zu vermitteln. Nicht, indem man nur noch makellose Figuren erschafft, sondern indem man diese positiven Impulse dort nutzt, wo sie sich sinnvoll einsetzen lassen.
Geht es um einen „harten Typen“, der sich Tag für Tag durch alle möglichen verfügbaren Betten vögelt und sich keinen Deut um irgendwas schert? Ihn plötzlich zu Kondomen greifen zu lassen, wäre widersinnig, es sei denn, er hat plötzlich einen guten Grund dazu.
Aber in einer Geschichte, in der ein Paar einfach innerhalb des Handlungshergangs Sex hat, der auch als Stilmittel durchaus etwas bewirken bzw. die Handlung vorantreiben kann und soll, es sich aber um Personen handelt, die keine besondere Vorgeschichte oder Charakterprägung vorzuweisen haben, sondern halt jetzt einfach Sex haben wollen, ist es doch nicht störend oder irrelevant, sie nach einem Kondom greifen zu lassen. Das kann auf so vielerlei verschiedene Weise in die Geschichte eingebaut werden, dass es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, sie alle aufzuzählen. Der lapidare Hinweis mancher Kolleginnen und Kollegen, das würde die Stimmung zerstören, klingt für mich genauso wie die Entschuldigung für das Unterlassen der Verhütung im wahren Leben: Ist mir zu lästig. Gehe ich lieber ein Risiko ein. Wird schon nix passieren.
Klar können sich Romanfiguren nicht mit Krankheiten anstecken oder schwanger werden, wenn wir Autorinnen und Autoren es nicht wollen. Nur, wie gesagt: Allzu viele Menschen lassen sich von dem, was sie in Büchern lesen und im TV und Internet sehen, in ihrem wahren Leben beeinflussen. Oftmals, ich will sogar behaupten meistens, geschieht dies unbewusst, und viele dieser Menschen würden allein den Verdacht, sie könnten von einer Geschichte beeinflusst worden sein, weit von sich weisen.
Noch mehr Gegenwind
Noch ein Gegenargument, das mir zuletzt in einem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen vorgehalten wurde, lautet: Kondome schützen ja gar nicht wirklich beziehungsweise nicht vollständig gegen Geschlechtskrankheiten. Wozu den Leserinnen und Lesern dann suggerieren, dass Sex mit Kondom sicher sei?
Sicher? Nun ja, sicher ist letztlich nur der Tod. Aber SICHERER ist Sex mit Kondom allemal als ohne. Nicht nur, was Krankheiten angeht, sondern natürlich auch ungewollte Schwangerschaft. Und ja, auch da haben wir keine hundert Prozent, denn das Kondom könnte ja reißen … Das Risiko, das ein Kondom versagt (reißt, platzt abrutscht o.ä.) und ie Gefahr einer Schwangerschaft besteht, ist aber immerhin zu 82-98 Prozent (je nach Sorgfalt bei der Anwendung) niedriger als ohne.
Noch erschreckender finde ich das Argument, dass man Tripper, Syphilis und andere Geschlechtskrankheiten ja gut mit Antibiotika ausheilen könne und HIV inzwischen dank der fortgeschrittenen Medizin nicht mehr tödlich sein muss.
Bitte was?
Ich muss in solchen Auseinandersetzungen immer sehr an mich halten und frage mich, ob diejenigen, die so argumentieren, dasselbe wohl auch ihren eigenen Kindern beibringen oder beibringen würden, wenn sie Kinder hätten. Macht es ruhig ohne Schutz, ihr könnt ja hinterher Chemie fressen, dann wird es schon wieder gut. Und HIV ist nicht so schlimm, stirbt man ja nicht mehr dran? Wirklich?
Nein, sorry, Leute, das geht meiner Meinung nach überhaupt nicht. Weder als Argumentation für fehlende Kondome in einem Roman noch als Grund, im wahren Leben auf Safer Sex zu verzichten.
Klar, wenn man sich zu hundert Prozent gegen Schwangerschaft und Krankheit schützen will, bleibt nur das Leben in Enthaltsamkeit. Aber wer will das schon? Genau, die wenigsten. Nun aber zu behaupten, nur weil ein Kondom keine hundertprozentige Sicherheit gegen jede Geschlechtskrankheit bieten kann, sei es Blödsinn, es zu benutzen beziehungsweise die Benutzung auch nur in einem Nebensatz des Romans zu erwähnen, ist in meinen Augen zumindest töricht und genauso vorgeschoben wie das oben erwähnte Argument, eine Romanfigur könne ja gar nicht krank werden.
Übrigens gibt es einige (wenige) Autorinnen und Autoren, die diese Klippe mit einem Kompromiss umschiffen, indem sie gleich am Anfang ihres Buches einen Passus einsetzen, in dem sie darauf hinweisen, dass in der folgenden Geschichte ungeschützter Sex stattfindet, weil es sich um Fiktion handelt, man die Leserinnen und Leser jedoch darauf hinweist, dass Verhütung beziehungsweise Safer Sex im realen Leben sehr wichtig sind und praktiziert werden sollten. Weil eben echte Menschen im Gegensatz zu Romanfiguren krank oder schwanger werden können. Das ist ein Kompromiss, ja, aber immerhin um vieles besser als das Thema ganz zu ignorieren. Denn vom Ignorieren ändert sich nichts, schon gar nicht in den Köpfen (und Verhaltensweisen) der Menschen.
Selbstverständlich ist es jedem Autor und jeder Autorin überlassen, wie er oder sie dieses Thema handhabt (oder nicht handhabt). Wir leben in einem Land der freien Meinungsäußerung, und das ist gut so. Trotzdem, oder gerade deswegen, finde ich es so wichtig, dass Autorinnen und Autoren, Produzenten von Literatur (und Film übrigens auch) positive Vorbilder kreieren, wo immer dies sinnvoll und aus der Handlung heraus geschehen kann, ohne die Figuren oder den Plot zu verbiegen.
Man sollte jedenfalls nicht nur aus reiner Bequemlichkeit darauf verzichten (weder im Buch noch im wahren Leben) oder nur weil angeblich die Stimmung/Atmosphäre leiden würde … oder weil einem selbst ein kleiner Passus wie eben erwähnt am Anfang des Buches nicht gefällt oder zu viel Arbeit macht.
Natürlich interessiert es mich jetzt auch sehr, wie ihr das seht, liebe Leserinnen und Leser, liebe Autorinnen und Autoren. Wenn schon Sex im Roman, dann lieber safe oder nicht safe? Empfindet ihr das als Stimmungskiller? Ist es euch total egal oder sogar extrem wichtig? Wie wird das in den Büchern gehandhabt, die ihr bisher gelesen habt? Oder wie geht ihr Kolleginnen und Kollegen damit in euren Romanen um?
Ich würde mich über ganz viele Kommentare freuen.
Eine Bitte habe ich allerdings: Bleibt höflich in eurem Ton und sachlich in eurer Argumentation. Ich weiß, dass dieses Thema zu hitzigen Diskussionen führen kann. Was ich nicht dulden werde, sind Anfeindungen oder verbale Schläge unter die sprichwörtliche Gürtellinie, Verunglimpfungen von Autorinnen oder Autoren und/oder deren Werken oder sonstige Unhöflichkeiten. Ihr dürft jede Art von Meinung vertreten, aber haltet euch bitte an die Netiquette.
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Hier noch mal die drei Romane, aus denen ich die Beispiel-Szenen zitiert habe
- Über mich
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
Toller Artikel! Safer Sex ist m. E. ein Muss, egal ob in der Realität oder im Roman. “Stören” muss das Benutzen eines Kondoms dabei weder im richtigen Leben noch im Roman, denn man kann dessen “Anbringen” real wie fiktiv so in das Liebesspiel integrieren, dass es die erotische/erregende Stimmung steigert, statt sie zu unterbrechen oder auch nur kurz zurückzunehmen.
Und ja, wir Autorinnen und Autoren sollten gerade unsere Romanfiguren in (nicht nur) diesem Punkt mit bestem Beispiel vorangehen lassen, denn auch ich habe die Erfahrung (als Autorin) gemacht, dass sich allzu viele Lesende an dem orientieren und es “für bare Münze nehmen”, was in Büchern und anderen Medien gedruckt steht oder in Filmen gezeigt wird.
Bei mir verzichten Paare nur dann auf Kondome, wenn sie bereits längere Zeit monogam liiert sind und wissen, dass sie beide gesund sind. Ansonsten dürfen sie bei mir niemals “unten ohne”. ;-)
Ich habe in meinen Romanen schon alles gehabt: Mit Verhütung und ohne (und das dann auch mit sich daraus ergebenden Komplikationen).
Da ich voreiegend im historischen Setting schreibe: ja, Coitus Interruptus wurde mit – mäßigem – Erfolg praktiziert (was ich auch in einem meiner Bücher thematisiere), es gab aber auch andere Verhütungsmittel (ich habe mich für mein frühmittelalterliches Setting im Lorscher Codex belesen) – und dann natürlich auch Abtreibungen. (Die je nach Kulturen ganz pragmatisch gehandhabt wurden, auch – unter der Hand – in christlichen Gefilden. Wer weiß, weshalb Wilhelm Busch reimte: „Zuweilen braucht die Familie | als Suppenkraut die Petersilie.“?)
Ausgerechnet bei meinem zeitgenössischen NewAdult-Zeitreise-Mix kommt es aber zu Beginn zu Sex ohne Kondom.
Ich habe damals wirklich sehr lange mit mir gerungen, eben weil ich mir gerade als Mutter von drei jungen Menschen der Signalwirkung aus Medien sehr bewusst bin.
Aber egal wie ich es drehte und wendete – der Griff nach dem Präservativ hätte die Szene und somit den Plot komplett zerstört.
Also habe ich meine Protagonistin einen dummen (wenn auch plausiblem Grund heraus, extrem verletztem Stolz) Fehler machen lassen – und dann dafür gesorgt, dass ihr von „väterlicher“ Seite ordentlich die Leviten gelesen werden.
Und ß hier kann ich es ja verraten – im weiteren Verlauf der Reihe kommen Gummis dann doch noch zum Einsatz!
Dann wird das ja auch entsprechend thematisiert und ergibt sich aus dem Plot heraus. wie ich schon schrieb, oftmals hat man dabei ja auch einen Plan. Aber nur auf das Kondom zu verzichten, weil man es halt für unnötig hält, finde ich nicht wirklich in Ordnung. Dazu ist das Thema zu wichtig
Safer Sex gehört auch in Romanen dazu, finde ich. Alles andere fände ich persönlich fahrlässig.
Zu trocken? Abtörnend? Nein, wenn es entsprechend in die Handlung integriert wird (wenn denn überhaupt so detailliert beschrieben wird).
Für mich ist es auch reizvoll, mit dem Thema zu spielen. Was sagt es über die Qualität einer Beziehung aus, wenn einvernehmlich kein Kondom mehr benutzt wird, wenn Gespräche auch über Vergangenheit und Zukunftspläne stattfinden und Verhütung bzw. Schutz vor Ansteckung thematisiert werden?
Natürlich bilde ich im Roman die Wirklichkeit nicht eins zu eins ab. Das Spiel mit Klischees gehört ebenso dazu, wie das Ausblenden allzu alltäglicher Verrichtungen und ich möchte etwas lesen (schreiben), das außerhalb meines eigenen Alltags liegt.
Trotzdem gehört es für mich dazu, von Schutz zu schreiben und zu lesen.
Den historischen Hintergrund finde ich auch höchst spannend und habe dazu in Viktorianischen Zeiten mal recherchiert …
Die Geschichte der Verhütung ist ausgesprochen interessant, dazu habe ich auch schon recherchiert. Da gibt es viel Kurioses, aber auch durchaus schon pragmatische Ansätze.
Die Diskussion habe ich auch mehr als einmal geführt mit Autor*Innen. “Ist doch alles nur Fiktion!” Wer dann mit Sprechakttheorie kommt oder wenigstens mit dem allmähligen Verfertigen der Wirklichkeit, sieht dann schnell aus wie eine Spaßbremse. Aber Herrschaftszeiten, wenn die auktoriale Phantasie nicht einmal ausreicht, Verhütendes sinnvoll UND einigermaßen erotisch einzubauen, dann ist die Chance groß, dass auch im Weiteren der Plot mit a und zwei t geschrieben wird.
Selbst wenn die natürliche Verhütung nicht ganz so sicher ist, wie ich es damals in der Schule lernte – Spermien können sehr viel länger “überleben”, als die Wissenschaft es sintemalen für möglich hielt -, wer seine Protagonist*Innen im dritten Jahrtausend nicht für erwachsen genug hält, ein gewisses Maß an Selbstschutz und Verantwortungsbewusstsein entwickelt zu haben, der sollte gute Gründe dafür haben. Die eigene Faulheit ist in meinen Augen keine, weder für Autor*Innen noch für die sie hoffentlich begleitenden Lektor*Innen.
Und an dieser Stelle ein kleiner Hinweis für die im historischen Setting Schreibenden:
Warum wohl heiratet Jungfer Ännchen, wenn doch Rosmarin und Thymian in unserem Garten wachsen und roter Wein und weißer Wein zur Verfügung standen? Genau, sie kann nicht länger warten. Hätte sie sich mal auf die Kräutlein verlassen nebst den Spülungen. Auch ein Schafdarm kann reißen. Just sayin. ;-)
Ich selbst habe eine solche Diskussion noch nie geführt. Allerdings stimme ich dir zu. In allen Punkten. Ich bin der Meinung, dass Bücher Menschen beeinflussen können, weswegen ich auch so wehement gegen toxische Beziehungen in Büchern bin.
In denen ein Partner den anderen betrügt, hintergeht oder misshandelt. Selbst wenn man sich nur unterbewusst davon beeinflussen lässt, ist es dennoch etwas, das passiert.
Und da habe ich tatsächlich auch schon Diskussionen geführt. “Ist doch nur ein Buch” – “Wer das nicht mag, sollte YA nicht lesen” wirklich? Das seh ich ganz ganz anders ♀️
Und übrigens finde ich nicht, dass der griff nach einem Kondom die Stimmung platzen lässt. Als Autor kann ich darauf doch wunderbar Einfluss nehmen. Kribbeln während man wartet, dass er das Kondom überstreift ooooder dass sie ihn erregt, während sie es ihm überstreift. Da gibt es doch so viele Varianten und es liegt am Autor sie so einzubauen, dass es die Stimmung nicht killt. :)
Genau, es gibt unzählige Möglichkeiten.
Was toxische Beziehungen angeht: Wenn sie als Mittel zum Zweck verwendet werden, ist das noch mal etwas anderes, also wenn die Hauptfigur sich daraus befreit und eine Wandlung durchmacht. Oder wenn deren Unfähigkeit zu dieser Wandlung in irgendeiner Form reflektiert wird und/oder sich zum Beispiel auf andere Romanfiguren auswirkt, sodass erkennbar wird, dass hier etwas grundfalsch läuft. Wenn aber suggeriert wird, dass solche Beziehungen, in deinen einer der Partner erniedrigt und/oder unterdrückt oder misshandelt wird, normal und okay sind, dann finde ich das sehr erschreckend.
sehr gut, danke!