Für jeden Autor, ob in Verlagshänden oder Selfpublisher, gehört es dazu wie das Amen in der Kirche: das Lektorat. Sollte es zumindest. Wer in Verlagen veröffentlicht, kommt in der Regel gar nicht darum herum, denn ein Lektorat gehört zum Publikationsprozess eines Verlagshauses einfach dazu. Wer ohne Verlag veröffentlicht, sollte sich vor Augen führen, dass ein Lektorat für jeden Text notwendig ist. Kein Autor ist perfekt, und jeder Text gewinnt durch den Feinschliff eines Lektorats. Das hat nichts mit Genre oder Thema zu tun; ob historischer Roman, ChickLit, literarischer Entwicklungsroman, Fantasy, Thriller oder Krimi – das Manuskript sollte unbedingt von einer außenstehenden Person, möglichst einer, die das Lektorieren gelernt hat, durchgesehen werden. Das mag den Selfpublisher zusätzliches Geld kosten, aber ihr dürft mir glauben: Diese Ausgabe lohnt sich IMMER.

Aber was passiert eigentlich in so einem Lektorat? Werden da nur die Rechtschreib- und Grammatikfehler korrigiert, oder versucht der Lektor gar, dem Autor seine eigenen Ideen und/oder seinen Stil aufzuzwingen? Ersteres kann ich mit einem klaren Nein beantworten, denn solche Dinge fallen unters Korrektorat, das zwar manchmal gleich mit im Lektorat läuft, im besten Falle aber hinterher von mindestens einer anderen Person durchgeführt wird, die den Text noch nicht kennt und demnach noch nicht betriebsblind ist.
Zum zweiten Punkt: Normalerweise tut ein Lektor so etwas nicht. Zwar kommt es ab und zu schon einmal vor, dass der Lektor übers Ziel hinausschießt und tatsächlich zu große Eingriffe in den Originaltext stattfinden, doch das sind im Großen und Ganzen doch eher Ausnahmefälle. Wenn man in einem Verlag veröffentlicht, kann man sich in solchen Fällen ggf. beschweren und bekommt möglicherweise dann einen anderen Lektor zugeteilt. Als Selfpublisher sollte man seinen Lektor sachlich auf die Problematik hinweisen und, falls es nicht zu einer Einigung kommt, ggf. den Lektor wechseln.

Jetzt fragt ihr natürlich: Wann greift ein Lektor denn zu sehr in den Text ein? Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Manch ein angehender Autor reagiert extrem empfindlich auf die kleinsten Vorschläge zur Wortänderung, zum Stil oder zum Aufbau der Story. Andere bestehen sogar darauf, dass jeder ihrer Sätze exakt so und nicht anders genial ist und es sowieso keinerlei Veränderungen bedarf. Das ist nicht der richtige Weg, denn unter solchen Voraussetzungen ist ein Lektorat überhaupt nicht möglich. Problematisch wird es hingegen aus Autorensicht zum Beispiel, wenn der Lektor wirklich versucht, das gesamte Buch nach seinen Ideen umzuschreiben, Figuren durch neue Charakterisierungen verfälscht oder ähnliches. Grundsätzlich ist auf beiden Seiten Fingerspitzengefühl angesagt, doch so läuft es meiner Erfahrung nach in den meisten Fällen auch ab.

Ein Lektor prüft das gesamte Manuskript auf Stil, inhaltliche Unklarheiten, Logikfehler, thematische bzw. fachliche Fehler (wenn er sich im jeweiligen Fachgebiet auskennt, was immer von Vorteil ist), Schlüssigkeit, Handlungszusammenhänge, Spannungsbogen, Figurendarstellung und -charakterisierung, grammatische Ausrutscher usw. Manch ein Autor muss dabei richtig viel um- und überarbeiten. Doch der Lektor macht das nicht etwa, um die sensible Autorenseele zu quälen, sondern hat immer nur eines im Auge: das möglichst optimale Buch, dass viele Leser anspricht und bestenfalls dann gleich auch das nächste Buch des Autors verkauft (weil die Leser nicht genug von diesem Autor bekommen können). Das muss man sich immer wieder vor Augen führen, wenn man ein Manuskript voller roter (oder andersfarbiger) Markierungen zurückbekommt.

Da ich kürzlich erst das Lektorat zu Der Hexenschöffe durchlaufen habe, stelle ich euch mit der Erlaubnis meines Verlagslektors exemplarisch einige Seiten aus dem lektorierten Manuskript vor, mit Screenshots und Vorher-Nachher-Effekt. Allerdings möchte mein Lektor namentlich nicht genannt werden, da er lieber für den Verlag “im Verborgenen” arbeitet.

Im folgenden werde ich mehrere Screenshots einstellen, deren Vergrößerung ihr durch einen Doppelklick auf das Bild erreichen könnt, damit auch die Kommentare am Rand einigermaßen lesbar werden. Auf einige Kommentare meines Lektors habe ich geantwortet, weil dies die Version des Manuskripts ist, die er nach der Überarbeitung von mir zurückerhalten hat. Da es nicht ganz einfach ist, den Effekt der Anmerkungen und Vorschläge aus dem Bild zu erkennen, stelle ich euch in einem Vorher-Nachher-Effekt die entsprechende Textpassage zusätzlich noch einmal vor.

Möglicherweise sind einige von euch zunächst erschrocken, wie viele rote Stellen es im Text gibt, und werden sich unangenehm an ihre Deutschaufsätze in der Schule erinnert fühlen. Wenn ihr euch das Ergebnis aber anseht, werdet ihr erkennen, wie sehr ein Text durch das Lektorat gewinnt.

Screenshot Nr. 1:

Text vorher:

auch in Rheinbach weitergehen würde. Die Hinrichtung der beiden armen Frauen neulich hatte ihm schon ziemlich zugesetzt. Niemals zuvor hatte er einen Menschen bei lebendigem Leibe verbrennen gesehen. Von den Spektakeln in Meckenheim, Flerzheim oder in den anderen Dörfern hatte er sich bislang immer ferngehalten, hauptsächlich aus Mangel an Zeit und Interesse.
Noch Tage nach der Verbrennung der beiden Rheinbacher Hexen hatte er sich eingebildet, den Gestank des verbrannten Fleisches in der Nase zu haben. Nichts, was er gerne so bald wiederholt sehen würde.
Wenige Schritte vor dem Bürgerhaus, das sich nicht allzu weit von der Rheinbacher Burg entfernt befand, blieb Hermann stehen und wischte sich erneut den Schweiß aus dem Gesicht. Irgendwo über ihm sang ein Vogel tapfer gegen die Mittagshitze an. Auf einem niedrigen Mäuerchen an der staubigen Straße kauerte die schwarz-weiß gescheckte Katze der Kramerin und schien die Sonne zu genießen wie eine Eidechse. »Na, Nicolette, du scheinst ja die Einzige zu sein, die dieses Wetter genießt. Machst wohl eine Pause vom Mäusejagen, wie?« Schmunzelnd trat Hermann auf sie zu und streckte die Hand aus, um ihr über das weiche, warme Fell zu streicheln. Die Katze reckte ihr Köpfchen und begann genüsslich zu schnurren.
Mit der anderen Hand zog Hermann seine Taschenuhr hervor und warf einen Blick darauf. Er war überpünktlich, eigentlich sogar noch ein bisschen zu früh. Vielleicht sollte er sich erst ein wenig in den Schatten setzen und verschnaufen. So erhitzt und schweißnass machte er gewiss keinen guten Eindruck, und als jüngster der Schöffen war er genau darauf sehr bedacht. Er blickte sich um und hatte gerade ein schattiges Plätzchen unter einer ausladenden Linde ausgemacht, als der markerschütternde Schrei einer Frau ihn zusammenfahren ließ.

Text nachher:

auch in Rheinbach weitergehen würde. Die Hinrichtung der beiden armen Frauen neulich hatte ihm ziemlich zugesetzt. Niemals zuvor hatte er einen Menschen bei lebendigem Leibe verbrennen gesehen. Noch Tage nach der Hinrichtung hatte er sich eingebildet, den Gestank des verbrannten Fleisches in der Nase zu haben.
Wenige Schritte vor dem Bürgerhaus, das sich in der Nähe der Rheinbacher Burg befand, blieb Hermann stehen und wischte sich erneut den Schweiß aus dem Gesicht. Irgendwo sang ein Vogel tapfer gegen die Mittagshitze an. Auf einem niedrigen Mäuerchen an der staubigen Straße kauerte die schwarz-weiß gescheckte Katze der Kramerin und schien die Sonne zu genießen wie eine Eidechse. »Na, Nicolette, du scheinst ja die Einzige zu sein, der dieses Wetter zusagt. Machst wohl eine Pause vom Mäusejagen, wie?« Schmunzelnd trat Hermann auf sie zu und streichelte ihr über das weiche, warme Fell. Die Katze reckte ihr Köpfchen und schnurrte genüsslich.
Mit der anderen Hand zog Hermann seine Taschenuhr hervor. Er war überpünktlich, eigentlich sogar noch ein bisschen zu früh. Vielleicht sollte er sich erst ein wenig in den Schatten setzen und verschnaufen. So erhitzt und schweißnass machte er gewiss keinen guten Eindruck, und als jüngster der Schöffen war er genau darauf sehr bedacht. Er blickte sich um und hatte gerade ein schattiges Plätzchen unter einer ausladenden Linde ausgemacht, als der markerschütternde Schrei einer Frau ihn zusammenfahren ließ.


Screenshot Nr. 2:

Text vorher:

Zauberin bist und wer deine Komplizen und Mittänzer beim Hexentreffen gewesen sind?«
Mit letzter Kraft hob Christina den Kopf, versuchte vergeblich, auf die Füße zu kommen. »Ich …«
»Ja?« Lauschend reckte Buirmann ihr das Ohr entgegen.
Sie schluchzte, hustete und rang nach Atem. »Ich sage es noch einmal und bleibe dabei, ich bin keine Hexe und kann nicht zaubern.«
»Was?« Das Gesicht des Kommissars lief rot an. »Du weigerst dich noch immer zu gestehen? Meister Jörg!« Mit einer knappen Geste wies er den Henker an, die Alte noch mehr zu strecken.
Meister Jörg räusperte sich vernehmlich. »Herr Doktor, seid Ihr sicher, dass ich das tun soll? Sie hält das, glaube ich, nicht aus. Wenn wir sie noch mehr peinigen …«
»Wird sie endlich den Mund aufmachen und bekennen.« Hektisch ging Buirmann in der Peinkammer hin und her, blieb wieder dicht vor Christina stehen. »Gestehe, du gottlose Erzzauberin! Gestehe endlich, und deine Qualen sind sofort vorbei.«
Christina weinte noch immer und stieß gleichzeitig ein schrilles Stöhnen aus, da ihre Arme inzwischen in einer derart unnatürlichen Haltung hinter ihr hochgezogen waren, dass die Gelenke ihre Funktion vollständig aufgegeben hatten. Ihre Stimme krächzte, als sie erneut zu sprechen versuchte. »Ich kann und kann einfach nicht zaubern. Ich weiß überhaupt nicht, wie man zaubert und habe auch noch nie gehört, wie es getan wird.«
Buirmann stieß einen fauchenden Ton aus. »Wie denn, willst du vielleicht eine Märtyrerin des Teufels werden?« Er beugte sich zu ihr hinab, bis sein Gesicht ganz nah an dem ihren war. »Dann stirb doch endlich, du alte verstockte Hexe!«, schrie er sie unvermittelt an. Angewidert richtete er sich auf und trat einen Schritt zurück. »Weiter!«, befahl er dem Henker, der daraufhin widerstrebend noch mehr an dem

Text nachher:

sind deine Komplizen und Mittänzer beim Hexentreffen gewesen?«
Mit letzter Kraft hob Christina den Kopf, versuchte vergeblich, auf die Füße zu kommen. »Ich …«
»Ja?« Lauschend reckte Buirmann ihr das Ohr entgegen.
Sie schluchzte, hustete und rang nach Atem. »Ich bin keine Hexe und kann nicht zaubern.«
»Was?« Das Gesicht des Kommissars lief rot an. »Meister Jörg!« Mit einer knappen Geste wies er den Henker an, die Alte noch mehr zu strecken.
Meister Jörg räusperte sich vernehmlich. »Herr Doktor, seid Ihr sicher? Wenn wir sie noch mehr peinigen …«
»Wird sie endlich den Mund aufmachen und bekennen.« Hektisch ging Buirmann in der Peinkammer hin und her, blieb wieder dicht vor Christina stehen. »Gestehe, du gottlose Erzzauberin! Gestehe endlich, und deine Qualen sind sofort vorbei.«
Christina weinte noch immer und stieß gleichzeitig ein schrilles Stöhnen aus. Ihre Stimme krächzte, als sie erneut zu sprechen versuchte. »Ich kann und kann einfach nicht zaubern. Ich weiß überhaupt nicht, wie das geht.«
Buirmann stieß einen fauchenden Ton aus. »Wie denn, willst du vielleicht eine Märtyrerin des Teufels werden?« Er beugte sich zu ihr hinab, bis sein Gesicht ganz nah an dem ihren war. »Dann stirb doch endlich, du alte Hexe!«, schrie er sie unvermittelt an. Angewidert richtete er sich auf und trat einen Schritt zurück. »Weiter!«, befahl er dem Henker, der daraufhin noch mehr an dem


Screenshot Nr. 3:

Text vorher:

»Alles nur Zufall, eine Laune der Natur, sagen einige von euch? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Könnt ihr denn sicher sein, dass der Teufel nicht seine Finger im Spiel hat? Denkt an die vielen Tiere in euren Ställen, die während des langen Winters verendet sind. An den Hunger, den eure Kinder leiden mussten, weil zu wenig lebensspendende Nahrung vorhanden war. Und gab es nicht vor einiger Zeit eine Viehseuche hier in der Gegend?« Kurz hielt er inne. »Schlimmer noch – sind nicht in letzter Zeit sogar Kinder Opfer bösen Schadenzaubers geworden? Wie ich hörte, wurde ein Mädchen geboren, bei dem die Eltern bald schon feststellen mussten, dass es vollkommen blind ist? Und was ist mit dem armen Jungen, von dem man mir erzählte, der über Nacht plötzlich an einem furchtbaren Klumpfuß erkrankt ist und nur noch mit Mühe an Krücken sich fortbewegen kann?«
Die erregten Stimmen steigerten sich zu einem lauten Wirrwarr an Vermutungen und Diskussionen. Möden lächelte in sich hinein. Wie leicht es doch war, die Menschen auf den rechten, den ihm nützlichen Weg zu führen! Nun war es allerdings an der Zeit, die Stimme ein wenig zu erheben, damit die Leute wussten, wer hier die Macht besaß. Er holte tief Luft: »Gottes Strafe zeigt sich in solcherlei Unbill, sagt ihr? Aber Strafe wofür denn wohl?« Seine Stimme trug weit, wenn er es darauf anlegte. Dieses Talent machte er sich jedoch nur selten zunutze, denn dadurch verstärkte er die Wirkung. Auch jetzt wurde es sofort wieder still auf den Platz. Unzählige verblüffte und erwartungsvolle Augenpaare waren auf ihn gerichtet. »Welcher Sünde kann sich ein Säugling oder ein fünfjähriger Junge wohl schuldig gemacht haben?«, fragte er, dann senkte er seine Stimme wieder etwas. »Ich bin selbst Vater von acht wohlgeratenen Kindern und habe mir diese Frage auch bereits gestellt. Und da ich, im Gegensatz zu

Text nachher:

»Alles nur Zufall, eine Laune der Natur, wie einige von Euch sagen? Vielleicht. Aber wie könnt Ihr denn sicher sein, dass der Teufel nicht seine Finger im Spiel hat? Denkt an die vielen Tiere, die während des langen Winters in Euren Ställen verendet sind. An den Hunger, den Eure Kinder leiden mussten. Und gab es nicht vor einiger Zeit eine Viehseuche hier in der Gegend?« Kurz ließ er seine Worte wirken. »Schlimmer noch – sind nicht in letzter Zeit sogar Kinder Opfer bösen Schadenzaubers geworden? Wie ich hörte, wurde ein Mädchen geboren, dass vollkommen blind ist? Und was ist mit dem armen Jungen, von dem man mir erzählte, der über Nacht an einem furchtbaren Klumpfuß erkrankt ist und nur noch mit Mühe an Krücken sich fortbewegen kann?«
Jetzt war die Menge aufgebracht, lautstark wurde durcheinander diskutiert und gerufen. Möden lächelte in sich hinein. Wie leicht es doch war, die Menschen auf den rechten, den ihm nützlichen Weg zu führen! Nun war es allerdings an der Zeit, einzuschreiten, damit die Leute wussten, wer hier die Macht besaß. Er holte tief Luft: »Gottes Strafe zeigt sich in solcherlei Unbill, sagt Ihr? Aber Strafe wofür denn wohl?« Seine Stimme trug weit, wenn er es darauf anlegte. Auch jetzt wurde es sofort wieder still auf dem Platz. Unzählige verblüffte und erwartungsvolle Augenpaare waren auf ihn gerichtet. »Welcher Sünde kann sich ein Säugling oder ein fünfjähriger Junge wohl schuldig gemacht haben?«, fragte er, dann senkte er seine Stimme wieder etwas. »Ich bin selbst Vater von acht wohlgeratenen Kindern und habe mir diese Frage auch gestellt. Und da ich, im Gegensatz zu

Wie ihr seht, wird der Text in der Regel durch das Lektorat gestrafft bis gekürzt, liest sich aber hinterher wesentlich flüssiger. Selbstverständlich kommt es auch vor, dass der Autor hier und da mal ein bisschen Text hinzufügen muss, manchmal sogar ganze Szenen oder gar Kapitel. Das kommt aber meiner Erfahrung nach eher selten vor und nur dann, wenn die Handlung irgendwo noch nicht schlüssig ist.

Ganze Szenen oder Kapitel musste ich in Der Hexenschöffe nicht hinzufügen, sondern höchstens einmal wenige Sätze. Um ein Beispiel zu finden, musste ich sogar richtig im Manuskript suchen, aber ich bin fündig geworden.


Screenshot Nr. 4:

Text vorher:

bekennen, die ich in Wahrheit nie getan habe. Noch niemals im Leben habe ich gezaubert; ich weiß doch nicht einmal, wie das geht!«
»Das ist ja ungeheuerlich«, tobte Buirmann und begann, in der Peinkammer auf und abzulaufen. Dicht vor Hermann blieb er stehen. »Seht Ihr, was ich meine, wenn ich sie verstockt nenne? Weiß der Himmel, welche Teufel ihr über Nacht beigewohnt und ihr diese Arglist eingeflüstert haben.« Er fuhr zum Henker herum. »Dreht die Beinschrauben fester.«
Meister Jörg kratzte sich am Kopf, wo der blonde Haaransatz bereits weit zurückgewichen war. »Wie Ihr wünscht.« Er bückte sich und drehte an den Schrauben, bis Christina erst ein Stöhnen, dann einen jämmerlichen Schrei ausstieß. Sie biss sich auf die Unterlippe, bis Blut floss. »Ihr könnt mir die Beine brechen«, stieß sie hervor, »aber ich werde mein Gewissen nicht mit einer Lüge belasten. Ich bin keine Hexe.« Ihre Stimme zitterte und wurde mit jedem Wort schwächer. Aus ihren Wangen war alles Blut gewichen; ihr Atem ging in flachen, unregelmäßigen Stößen.
»Bist du nicht?« Erbost baute Buirmann sich vor ihr auf. »Das werden wir ja sehen.« Mit der rechten Hand winkte er den Henker zu sich. »Bindet sie an die Strecke.« Er deutete auf den Flaschenzug unter der Decke.
»Jetzt?« Meister Jörg kratzte sich erneut am Kopf. »Ähm, seid Ihr sicher? Ich meine, sie ist schon ziemlich geschwächt, und …«
»Seid Ihr taub«, herrschte der Kommissar ihn an. »Die Strecke, jetzt sofort. Ich lasse mir doch nicht nachsagen, dass mich eine Zauberische an der Nase herumführt.«

Text nachher:

bekennen, die ich in Wahrheit nie getan habe. Noch niemals im Leben habe ich gezaubert!«
Hermann schluckte an einem Kloß, der sich in seiner Kehle gebildet hatte. Wo war er hier bloß hineingeraten? Sah denn niemand, wie irrsinnig die Annahme war, Christina Böffgens sei eine Hexe? Am liebsten hätte er sie auf der Stelle losgebunden.
»Das ist ja ungeheuerlich«, tobte Buirmann und begann, in der Peinkammer auf und abzugehen. Dicht vor Hermann blieb er stehen. »Seht Ihr, was ich meine, wenn ich sie verstockt nenne? Weiß der Himmel, welche Teufel ihr über Nacht beigewohnt und ihr diese Arglist eingeflüstert haben.« Er fuhr zum Henker herum. »Dreht die Beinschrauben fester.«
Meister Jörg kratzte sich am Kopf, wo der blonde Haaransatz bereits weit zurückgewichen war. »Wie Ihr wünscht.« Er bückte sich und drehte an den Schrauben, bis Christina erst ein Stöhnen, dann einen jämmerlichen Schrei ausstieß. Sie biss sich auf die Unterlippe, bis Blut floss. »Ihr könnt mir die Beine brechen«, stieß sie hervor, »aber ich werde mein Gewissen nicht mit einer Lüge belasten. Ich bin keine Hexe.« Ihre Stimme zitterte und wurde mit jedem Wort schwächer. Aus ihren Wangen war alles Blut gewichen. Ihr Atem ging in flachen, unregelmäßigen Stößen.
Hermann spürte bittere Galle in seiner Kehle aufsteigen.
»Bist du nicht?« Erbost baute Buirmann sich vor ihr auf. »Das werden wir ja sehen.« Mit der rechten Hand winkte er den Henker zu sich. »Bindet sie an die Strecke.« Er deutete auf den Flaschenzug unter der Decke.
»Jetzt?« Meister Jörg kratzte sich erneut am Kopf. »Ähm, seid Ihr sicher? Ich meine, sie ist schon ziemlich geschwächt, und …«
»Seid Ihr taub?«, herrschte der Kommissar ihn an. »Die Strecke, jetzt sofort! Ich lasse mir doch nicht nachsagen, dass mich eine Zauberische an der Nase herumführt.«


Apropos Textkürzungen: Diese kommen, wie gesagt, sehr häufig vor, denn Autoren neigen dazu, mehr zu schreiben, als der Geschichte gut tut. Ob es sich um Füllwörter, zu viele Adjektive/Adverbien oder zu langatmige Beschreibungen handelt, manchmal auch um überflüssige Szenen oder Textstellen, die Inhalte überflüssigerweise wiederholen, ist ganz unterschiedlich. Meistens handelt es sich um eine bunte Mischung aus alldem (und manchmal noch anderen Dingen). In meinem Making-of zu Der Hexenschöffe stelle ich euch nach und nach einige solcher Outtakes (gelöschter Szenen) vor. Einen könnt ihr bereits nachlesen, der aber bereits vor dem Lektorat, also durch meine eigene Hand rausgeflogen ist.

Hier nun eine gelöschte Szene aus meinem Manuskript als Screenshot Nr 5. Das ist so eine Sache, die wohl jeder Autor fürchtet, auch wenn die Löschung noch so berechtigt ist. Immerhin hat man ja unter Umständen lange an dem Text geschrieben und gefeilt.

Diese von meinem Lektor für überflüssig erachtete Textstelle (leider hatte er recht!), werde ich euch übrigens in Kürze als weiteren Outtake hier im Blog vorstellen. Ihr braucht euch also nicht die Mühe zu machen, den Text aus dem Screenshot herauszulesen. Die Szene ist dort sowieso nur unvollständig zu sehen. Haltet einfach die Augen offen und freut euch auf die nächsten Blogartikel. ;-)

Outtake Der Hexenschöffe Screenshot


So ein Lektorat ist, wie ihr seht, nicht nur nützlich, sondern auch eine Menge Arbeit. Vor allen Dingen, wenn das Mansukript sehr umfangreich ist. Aber keine Sorge, es geht stelleweise auch anders. Die für mich liebsten Seiten nach einem Lektorat sehen so aus:

Und ja, es gibt sogar Seiten, die komplett ohne Kommentare und Änderungsvorschläge daherkommen. Das freut das Autorenherz, weil man dann weiß, dass man durchaus auch mal so richtig “auf den Punkt” geschrieben hat.

Habt ihr noch Fragen zum Lektorat oder möchtet eigene Erfahrungen zum Thema loswerden? Dann schreibt mir doch einfach einen Kommentar!

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Buchvorschautext, Quelle: www.rowohlt.de

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