Ihr werdet es bemerkt haben, ich war in den vergangenen Wochen sehr still. Das liegt daran, dass ich dringend das Manuskript zu Die Rache des Lombarden fertigstellen musste und darüber hinaus auch ein wenig auf dem Zahnfleisch gelaufen bin. Auch jetzt gerade steckt mir noch ein gastritischer Anfall mit gekoppelten Reizmagen und -darm vom vergangenen Wochenende in den Knochen. Ich möchte euch aber nicht so lange auf die Folter spannen, denn viele von euch warten ja bereits auf Neuigkeiten von der Schreibfront. Deshalb habe ich euch heute einen schönen ersten Textschnipsel aus dem dritten Teil der Lombardenreihe (der auch der letzte sein wird) herausgesucht.

Noch ist dieser Text absolut unlektoriert, nur dass ihr Bescheid wisst. ;-) Stilistische Unebenheiten und Tippfehler dürft ihr gerne behalten, wenn ihr welche findet.

 

Aus dem 2. Kapitel

 

»Guten Tag, Herr van Cleve«, grüßte Matteo freundlich von seinem Platz am Wechseltisch aus und auch die Mädchen begrüßten den Gewaltrichter mit hörbarem Entzücken.
»Wollt Ihr zu Frau Aleydis?«, zwitscherte Ursel mit heller Stimme. »Sie ist gerade in ihre Schreibkammer gegangen. Bestimmt muss sie sich erst mal erholen.«
»Ursel!« Marleins Stimme klang streng. »So etwas sagt man doch nicht.«
»Warum denn nicht? Ist doch so.« Ursel klang weiterhin völlig arglos. »Sie hat nämlich gerade eben einen Mann rausgeworfen. Der wollte sie betrügen.«
»Was du nicht sagst.« Vinzenz hob den Kopf und blickte durch die Tür in die Schreibstube. Fast unmerklich hob er die Brauen, als ihre Blicke sich trafen. »Das klingt nach einem Fall für den Büttel.«
»Nö.« Ursel schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr blonder Zopf hin und her schwang. »Sie hat dem Mann Hausverbot erteilt und gesagt, er soll zu Euch gehen oder zu den Juden. Aber denen schickt sie jetzt gleich eine Botschaft und dann bedienen die ihn auch nicht mehr.«
»Eine Botschaft, ja?« Um seine Mundwinkel zuckte es zwar, doch seine Miene blieb ernst. Möglicherweise wurde sie sogar eine Spur finsterer, als er um den Tisch herum auf Aleydis zuging.
»An Euch natürlich auch, also die Botschaft«, mischte Marlein sich rasch ein. »An einfach alle Wechselstuben in Köln.«
»So so.« Ohne weiter auf die Mädchen zu achten, trat er in die Schreibstube und schloss die Tür hinter sich.
Aleydis‘ Herz zuckte erneut heftig in ihrer Brust und wie immer, wenn sie allein mit diesem imposanten Mann in einem Raum war, blieb ihr für einen Moment die Luft weg. Er war groß, breitschultrig und wesentlich muskulöser, als man es gemeinhin bei einem Münzwechsler zu sehen bekam. Vor allen Dingen lag dies daran, dass er sich in seiner freien Zeit als Fechtmeister der Fechtschule der Universität betätigte und in dieser Eigenschaft nicht nur die Scholaren, sondern auch viele Bürgerssöhne und sogar die Schwertkämpfer der Kölner Stadtsoldaten unterrichtete. Er galt als einer der besten Schwertkämpfer in Köln und Umgebung.
Sein dichtes, lockiges schwarzes Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Während seiner Übungsstunden in der Fechtschule nahm er es zumeist zu einem Zopf zusammen, wie Aleydis bereits selbst hatte beobachten dürfen, doch ansonsten ließ er es, so wie heute, einfach offen. Auf seiner Oberlippe und am Kinn trug er einen sehr sauber und kurz gestutzten Bart, während der Rest seines Gesichts stets glatt rasiert war. Seine Augen waren so dunkelbraun, dass sie je nach Situation vollkommen schwarz wirkten, was seinem zumeist düsteren Auftreten noch etwas zusätzlich Gefährliches gab.
Alles in allem war er eine beeindruckende Erscheinung. Wo immer er einen Raum betrat, füllte seine rein physische Präsenz diesen aus und zog die Blicke auf sich, noch ehe er ein Wort gesagt hatte.
Seine Stimme war dunkel und ein wenig rau, gleichwohl jedoch wohlklingend, als er sie ansprach und sich zugleich unaufgefordert auf den Besucherstuhl setzte. »Guten Tag, Frau Aleydis. Ich wünsche Euch ein friedvolles Osterfest gehabt zu haben.«
Misstrauisch sah sie ihn an und ließ sich ebenfalls wieder auf ihrem gepolsterten Stuhl nieder. So höflich begegnete er ihr selten, war er doch normalerweise darauf aus, einen Fehl an ihr zu finden und sie zu schelten, ob nun gerechtfertigt oder nicht. »Guten Tag, Herr van Cleve, und vielen Dank.«
»Meister Vinzenz.« Er kräuselte ein wenig die Lippen. »Ich dachte, wir wären übereingekommen, dass mir diese Anrede aus Eurem Munde gebührt, da ich Euch in der Fechtschule unterrichtet habe, wenn auch nicht im Fechten, sondern nur im Umgang mit dem Dolch. Bei der Gelegenheit möchte ich gleich einmal fragen: Wie oft habt Ihr in letzter Zeit geübt?«
Sie räusperte sich und ärgerte sich, dass sie verlegen wurde. »Kaum. Andere Belange des täglichen Lebens haben zu sehr meine Aufmerksamkeit beansprucht.«
Prompt verfinsterte sein Blick sich. »Ein heimtückischer Angreifer fragt nicht nach den Belangen Eures täglichen Lebens, bevor er versucht, Euch zu meucheln.« Rasch erhob er sich wieder und machte eine auffordernde Geste mit der Hand. »Na los, erhebt Euch.«
»Wie bitte?« Zwar kam sie seiner Aufforderung nach, stieß jedoch gleich darauf einen erschrockenen Laut aus, weil er so flink, dass sie die Bewegung kaum wahrgenommen hatte, ihren Arm gepackt und sie mit einem Ruck zu sich herangezogen hatte. Im nächsten Moment hatte er auch ihren zweiten Arm gegriffen und ihr hinter den Rücken gedreht.
Aleydis zappelte, schaffte es aber nicht, sich aus seinem harten Griff zu lösen. »Hört auf damit!«
Statt der Aufforderung nachzukommen, zog er sie noch näher zu sich heran, bis sie mit dem Rücken gegen seine Brust stieß. Dann brachte er seinen Mund dicht an ihr Ohr. »Habt Ihr tatsächlich schon wieder alles vergessen, was ich Euch beigebracht habe?« Seine Stimme war nicht mehr als ein Raunen; sein warmer Atem streifte ihre Wange und verursachte ein wildes Flattern in ihrer Magengrube.
Verspätet, jedoch umso vehementer, wand sie sich und trat nach hinten aus, traf sein Schienbein. Er wich zurück, um weiteren Tritten auszuweichen. Sie schaffte es, ihren rechten Arm seinem Griff zu befreien, krallte sich in sein Wams und zerrte daran. Da er prompt erneut auswich, nutzte sie seinen Schwung, trat erneut gegen sein Bein, diesmal fast in Kniehöhe und nutzte seinen Schwung, um ihn zu Fall zu bringen. Nicht sehr elegant zwar, doch immerhin brachte sie ihn unter sich, tastete fahrig nach dem kleinen Dolch, den sie stets bei sich trug, riss ihn aus der Scheide und hielt ihn, zittrig zwar aber dennoch entschlossen, an seine Kehle.
»Herrin, was geht denn hier vor?« Symon hatte aufgrund des Gepolters die Tür aufgerissen und starrte verdutzt auf den Gewaltrichter, der am Boden lag und anerkennend grinste. »So ist es schon viel besser, Frau Aleydis.«
Hastig rappelte Aleydis sich hoch und verstaute den Dolch wieder an seinem Platz. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust und ihre Hände zitterten vor Aufregung. »Schon gut, Symon, der Gewaltrichter wollte nur meine Fertigkeiten im Zweikampf überprüfen.«
»Aha.« Symons Blick wanderte aufmerksam von ihr zu Vinzenz. Da der Knecht bei ihren Übungsstunden in der Fechtschule anwesend gewesen war, stellte er keine weiteren Fragen. Die Mädchen und Matteo hingegen starrten sie mit großen Augen an. Deshalb schloss der Knecht die Tür rasch wieder.
Vinzenz erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung und hatte Aleydis, ehe sie sich versah, erneut am Arm gepackt. Diesmal jedoch nicht so fest, dass sie sich nicht hätte befreien können. »Ihr müsst mehr üben, damit Ihr nicht erst nachzudenken braucht, bevor Ihr handelt.« Seine Stimme klang ruhig, fast schon heiter, jedoch mit einer unterschwelligen Schärfe. »Und Ihr habt schon wieder etwas vergessen, Aleydis.«
Irritiert runzelte sie die Stirn. »Ich weiß nicht, was Ihr meint.« Vorsichtig entzog sie sich ihm und flüchtete hinter das Schreibpult.
Er setzte sich wieder ihr gegenüber und bedachte sie mit einem spöttischen Blick. »Ihr habt vergessen, einfach zu schreien. Eure Wachmänner sind nur wenige Schritte entfernt, Eure Tür ist unverschlossen. Wenn Euch jemand angreift, ist es ihre Aufgabe, Euch zu beschützen, und ich bin sicher, dass sie es auch tun werden. Besonders Symon würde für Euch bis aufs Blut kämpfen. Warum missachtet Ihr meinen Rat immer noch?«
»Ich habe ihn nicht missachtet.«
»Wie nennt Ihr Euer beharrliches Schweigen denn dann? Ich habe Euch tätlich angegriffen. Jede andere Frau hätte gekreischt, was ihre Stimme hergibt.«
»Nun, dann bin ich eben nicht wie jede andere Frau.« Da ihre Hände immer noch leicht zitterten, verschränkte Aleydis sie auf dem Pult.
»Ganz offensichtlich seid Ihr das nicht.« Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, hinab zu ihren Händen, dann wieder zu ihren Augen. »Unvernünftig«, murmelte er. »Gänzlich unvernünftig.« Es war nicht auszumachen, ob er sie meinte oder sich selbst.
»Wollt Ihr mir vielleicht allmählich mitteilen, weshalb Ihr hergekommen seid?« Sie bemühte sich mit aller Kraft, ihre Seelenruhe wiederzufinden. Doch dieser Mann brachte sie mit Leichtigkeit aus dem Gleichgewicht – und dazu musste er sie nicht einmal überrumpeln, so wie eben. Ein einfacher Blick genügte.
»Eigentlich wollte ich gar nicht zu Euch.«
Überrascht hob sie den Kopf. »Zu wem dann?«
»Wie ich hörte, ist Alessandro Venetto wieder einmal bei Euch zu Gast. Ich hätte gerne ein Wörtchen mit ihm geredet.«

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Köln, anno domini 1424: Aleydis de Bruinker kann es nicht fassen. Ihre Mündel wurden entführt. Von ihren eigenen Verwandten. Und nun sind die beiden jungen Mädchen hilflos den Ränkespielen der Familie de Piacenza ausgeliefert. Aleydis schwört, alles zu tun, um die Mädchen zurückzuholen. Deshalb gerät sie auch sofort in Verdacht, als sich mysteriöse Überfälle auf die de Piacenzas häufen. Zusammen mit Gewaltrichter Vinzenz van Cleve muss sie herausfinden, was dahinter steckt. Obwohl ihr Verhältnis zu Vinzenz gerade alles andere als einfach ist, hat sie doch in eine Ehe eingewilligt …

 

Die Rache des Lombarden

Petra Schier

Historischer Roman
Rowohlt-Taschenbuch & eBook
ca. 384 Seiten
ISBN 978-3-499275-00-5
11,- Euro / eBook 9,99 €

Erscheint am 26. Januar 2021.

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