Vielleicht habt ihr es schon mitbekommen, vielleicht auch nicht: Mein diesjähriger Weihnachtsroman Stille Nacht, flauschige Nacht wird nicht, wie ursprünglich geplant, am 9. Oktober erscheinen, sondern bereits am 16. September.
Waaas?
Ja, genau, so früh. Dazu passend gibt es ja auch schon bereits Lebkuchen und Spekulatius in den Supermärkten zu kaufen, sodass einem richtig frühen Einläuten der Vorweihnachtszeit nichts mehr im Wege steht.
Eigentlich wäre beim alten Erscheinungstermin noch Platz für zwei Textschnipsel gewesen, aber jetzt gibt es nur noch einen für euch. Als kleiner Trost ist es auch diesmal beileibe kein Schnipsel, sondern schon eher eine ausgewachsene Leseprobe. Eine meiner Lieblingsszenen und ganz sicher werdet ihr spätestens beim letzten Satz wissen warum. ;-) Ich wünsche euch viel Vergnügen beim Lesen!
Aus dem 5. Kapitel
Das Erste, was Patrick wahrnahm, als er am frühen Nachmittag das Bürogebäude seiner Firma betrat, war Kaffeeduft. Er wollte schon mit einem erfreuten Seufzen den gewohnten Weg in Richtung der Kaffeeküche einschlagen, doch dieser war mit mehreren großen Grünpflanzen versperrt, in die er beinahe hineingerannt wäre.
»Was zum …?« Gerade noch konnte er einem mannshohen Ficus benjamini ausweichen und trat dabei versehentlich fast Oskar auf die Füße, der neugierig auf ihn zugelaufen kam. »Verflucht!« In dem Versuch, sich zu fangen, schleuderte er seine Aktentasche herum und traf sich selbst damit am Knie. »Shsh…it!« Verärgert rieb er sich die schmerzende Stelle.
Oskar bellte empört. Was soll das denn? Ich wollte dich doch nur begrüßen.
»Entschuldige.« Patrick tätschelte den Kopf des Hundes und sah sich gleichzeitig entsetzt im Foyer um. Außer den ihm unbekannten Grünpflanzen standen auch noch zwei Rollcontainer mitten im Raum, die vorher im Vorratsraum untergebracht gewesen waren. Am Empfangstresen lehnten mehrere gerahmte Bilder, von denen er nur die Rückseiten sehen konnte, und hinter Angelique an der Wand über dem Aktenschrank hing jetzt ein großer Flachbildfernseher, auf dem tonlos irgendein Film über Wald und Holz lief. »Was ist denn hier passiert?« Seine Frage richtete sich an Angelique, die hinter dem Empfangstresen an ihrem Schreibtisch saß. Da sie gerade telefonierte, hob sie in einer gebieterisch wirkenden Geste die Hand, lächelte dabei jedoch hinreißend, und ihre Stimme klang so zuckersüß, dass er eine Gänsehaut bekam.
»Aber ja, selbstverständlich, Herr Jungmöller, da stimme ich Ihnen vollkommen zu … Natürlich … Sie haben absolut recht. Nur, wissen Sie, um diese Zeit ist Herr Sternbach nicht mehr im Haus.«
Patrick runzelte die Stirn und trat an den Empfangstresen heran. Als er jedoch mit aufforderndem Blick die Hand nach dem Telefon ausstreckte, rollte Angelique mit ihrem Bürostuhl rückwärts, bis sie sich außerhalb seiner Reichweite befand. »Das mag sein, Herr Jungmöller, aber die Dinge ändern sich nun mal. Sie möchten doch auch nicht nach zwanzig Uhr von jemandem aus Ihrer Arbeitsstelle gestört werden, nicht wahr? Sehen Sie, Herr Sternbach ist sehr beschäftigt und freut sich wirklich, wenn er sich mit Ihnen treffen kann. Aber das geht leider nur innerhalb unserer Geschäftszeiten oder, wenn Ihnen das nicht zusagt, bis spätestens neunzehn Uhr dreißig dienstags und donnerstags nach vorheriger Vereinbarung. Ich könnte Ihnen also statt des vorgeschlagenen Termins am Donnerstag noch den um achtzehn Uhr dreißig am kommenden Dienstag anbieten. Dann hat Herr Sternbach ausreichend Zeit, sich Ihrem Anliegen intensiv zu widmen.« Sie schüttelte den Kopf, als Patrick auffordernd mit den Fingern wackelte, weil er immer noch das Telefon haben wollte. »Ach, das ist schade, dass Sie da auch keine Zeit haben.«
Er unterdrückte einen Fluch, stellte seine Aktentasche ab und stemmte erbost beide Hände auf dem Tresen ab. Wollte diese Frau ihm etwa das Recht vorenthalten, mit seinen Kunden zu sprechen?
»Ich verstehe gut, dass es für Sie etwas mehr Aufwand bedeutet, sich extra freizunehmen. Ich bin mir aber ganz sicher, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen ausnahmsweise eine Stunde früher Feierabend gewähren wird. Falls es am Donnerstag nicht klappen sollte, können wir gerne einen neuen Termin in der kommenden Woche ausmachen … Freitag? Nein, da ist Herr Sternbach leider schon ganz ausgebucht, da ist nichts zu machen. Tut mir sehr leid.«
Seit wann war er am Freitag terminlich ausgebucht? Patrick versuchte einen Blick auf den Terminplan auf Angeliques Tisch zu werfen, konnte aber mit ihren Kürzeln nichts anfangen. Lediglich eins fiel ihm auf: Am Freitag war noch nichts eingetragen. Eine neue Welle von Ärger stieg in ihm hoch.
»Ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich danke Ihnen trotzdem sehr, dass Sie den Termin am Donnerstagnachmittag möglich machen. Ich bin mir ganz sicher, das Treffen wird alle Ihre Fragen klären. Herr Sternbach ist auch gerne bereit, Ihre neuen Ideen zu berücksichtigen, soweit dies bautechnisch machbar ist … Ja, genau. Bringen Sie Ihre Notizen und Zeichnungen bitte alle mit, dann kann er sie sich in Ruhe ansehen … Wunderbar!« Angeliques Stimme wurde noch eine Spur süßer. »Wir freuen uns schon sehr auf Ihren Besuch bei uns. Grüßen Sie bitte Ihre Frau ganz herzlich. Bis Donnerstag dann.« Sie schaltete das Telefon aus und grinste verschlagen. »Na bitte, geht doch.«
»Was haben Sie getan?« Patrick beherrschte sich mit Mühe. »Wie können Sie es wagen, mir das Telefon vorzuenthalten?«
Angelique sah ihn mit einer Unschuldsmiene an, die ihn sehr an die von Oskar erinnerte, wenn dieser etwas ausgefressen hatte. »Ich tue hier nur meinen Job. Die Jungmöllers haben jetzt einen Termin am Donnerstag um fünfzehn Uhr dreißig. Oder wäre Ihnen Donnerstagabend um zwanzig Uhr fünfzehn lieber gewesen?«
»Was? So spät kann ich nicht. Da bin ich mit den Kindern zu Hause. Ich müsste extra jemanden bitten, sich um die beiden zu kümmern, wenn ich so spät noch mal wegmuss.«
»Sehen Sie, deshalb habe ich Herrn Jungmöller davon überzeugt, dass es einfacher ist, wenn er sich eine Stunde früher freinimmt.« Ihre Augen funkelten vergnügt. »Wenn Sie ans Telefon gegangen wären, hätte er Sie mit Sicherheit so lange vollgejammert, bis Sie wegen des späten Termins nachgegeben hätten.«
»Das hätte ich nicht.«
»Hätten Sie wohl.«
Wütend starrte er sie an. Sie hatte wahrscheinlich sogar recht. »Warum behaupten Sie denn, ich wäre am Freitag ausgebucht? In Ihrem Kalender da steht für den Tag noch gar nichts. Und ich kann mich auch nicht erinnern, irgendwelche Termine ausgemacht zu haben.«
»Keine außer Haus oder mit Kunden.« Sie winkte ihm, um den Tresen herumzukommen, und deutete auf ihren Computerbildschirm. Dort war eine neue Terminplaner-App installiert, die sehr übersichtlich alle seine Termine über die Woche verteilt anzeigte. Offenbar konnte man auch zur Tages-, Monats- oder Jahresansicht wechseln, jeweils mit mehr oder weniger Details zu den jeweiligen Terminen. Hier stand sehr wohl etwas für Freitag eingetragen. Bürozeit/Zeichnungen, war für Freitagvormittag angegeben, Wochenabschlussbesprechung für den Nachmittag.
Irritiert hob er den Kopf. »Was soll das?«
Angelique lächelte wieder so zuckersüß, dass es ihm fast den Atem verschlug. »Ich habe mir erlaubt, mit Ihren Mitarbeitern zu sprechen, um etwas mehr über Ihre gewohnten Abläufe und Arbeitsweisen zu erfahren. Aufgrund dieser Informationen habe ich Ihnen drei Vormittage in der Woche für Arbeiten in Ihrem Büro freigehalten. In dieser Zeit können Sie sich mit Ihren Zeichnungen befassen oder auch mit allem, was sonst noch an Büroarbeit anfällt, das ich nicht übernehmen kann. Montags ist zusätzlich noch ein Zeitfenster für die Lieferantenkoordination eingeplant. Da können Sie Ihre Bestellungen und Lieferungen in Ruhe durchgehen. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen innerhalb dieser Zeitfenster alle lästigen Anrufe oder Besuche vom Hals halten.«
»Aha.« Das klang zu verlockend, um wahr zu sein. Abgesehen davon, dass er nicht glaubte, jemand würde sich daran halten. Dazu kannte er seine Kunden, Geschäftspartner und Zulieferer zu gut.
»Die Wochenabschlussbesprechung betrifft Sie, mich und Ihr gesamtes Team. Eine halbe Stunde, in der wir uns alle zusammensetzen und bereden, wie die Woche gelaufen ist, ob Sie mit den anstehenden Arbeiten in der Zeit liegen, ob sich etwas optimieren lässt und so weiter. Haben Sie das bisher nie gemacht?«
»Nicht zu festgelegten Zeiten.«
»Und wahrscheinlich auch nie mit der vollständigen Belegschaft«, fügte sie hinzu. »Ich habe schon eine Chatgruppe eingerichtet, in der alle Mitarbeiter mit ihren Handys angemeldet sind. Darüber kann ich anfangs, bis sich diese Besprechungen eingebürgert haben, Erinnerungen versenden. Außerdem kann ich darüber auch andere Nachrichten einfacher verbreiten, wenn sie alle Mitarbeiter angehen.«
»Ach.« Er ärgerte sich, dass ihm die Worte fehlten. Dann erinnerte er sich an das Grünzeug in seinem Rücken. »Und was ist mit dem botanischen Garten, den Sie hier aufgemacht haben?«
»Sind Sie allergisch?«
Er starrte sie an. »Nein.«
»Dann ist doch alles in Ordnung. Ich habe mir Ihren Pickup ausgeliehen, um die Pflanzen aus dem Gartencenter zu holen, und bin nur noch nicht dazu gekommen, sie an ihre Bestimmungsorte zu stellen, weil das Telefon dauernd ging und ich den Hund füttern, die neue App installieren und nebenher noch ein wenig Ordnung in den Aktenschrank bringen musste. Grün ist eine sehr beruhigende Farbe, und außerdem verbessern Pflanzen die Atemluft und Atmosphäre. Sie werden sehen, das Foyer und Ihr Büro werden viel wohnlicher, sobald alles seinen Platz hat.«
»Mein Büro?« Mit wenigen Schritten war er an der Tür und riss sie auf. »Heiliger Sch…« Auch hier stand ein großer Ficus schräg hinter seinem Schreibtisch, und auf den Fensterbänken tummelten sich verschiedenfarbige Orchideen. »Die gehen doch ein, verdammt noch mal.«
»Nicht, wenn Sie sie regelmäßig gießen.« Angelique tippte etwas auf der Computertastatur. »So, den Termin mit den Jungmöllers habe ich jetzt fest eingetragen. Die App ist übrigens auch auf Ihrem Computer installiert, und ich werde sie auch auf Ihrem Laptop und Ihrem Handy einrichten. Sie synchronisiert sich automatisch oder wahlweise per Mausklick, sodass Sie immer auf dem neuesten Stand sind. Gießzeiten für die Pflanzen habe ich Ihnen ebenfalls hinterlegt.«
»Haben Sie das?« Er hatte nicht übel Lust, sie durchzuschütteln. Nicht, weil er etwas gegen die App hatte, sondern weil sie so selbstgefällig lächelte und weil er mit ihrem Tempo nicht ganz mitkam. Sein Blick fiel erneut auf den Bildschirm hinter ihr an der Wand. Offenbar hatte sie das Gerät im Vorratsraum gefunden. Es war exakt für die ihm jetzt zugedachte Funktion angeschafft worden, doch er war noch nicht dazu gekommen, es zu installieren. Wie hatte sie das so schnell geschafft?
»Natürlich habe ich das.« Sie grinste. »Aber machen Sie sich um die Orchideen keine Sorgen, die sind sehr pflegeleicht und brauchen auch gar nicht viel Wasser. Der Ficus schon eher, wenn Sie nicht wollen, dass er seine Blätter abwirft. Und ehe Sie weitermotzen: Die Rollcontainer bleiben selbstverständlich nicht mitten im Foyer stehen.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich motze?«
»Sie sehen zumindest so aus, als wollten Sie gleich loslegen.« Angelique hob nur lässig die Schultern. »Die Umorganisation der Arbeitsabläufe und Ihrer doch sehr eigenwilligen Ablage wird ein Weilchen dauern.«
»Finde ich danach noch irgendetwas wieder?«
»Wenn Sie lesen können.« Sie deutete auf einen Stapel mit aufklebbaren Labeln, mit denen sie offenbar vorhatte, die Ablagefächer und Schubladen zu kennzeichnen.
»Sie haben mir noch immer nicht gesagt, warum Sie gegenüber Jungmöller behauptet haben, ich sei am Freitag ausgebucht.«
Er suchte fast schon verzweifelt nach einem Grund, die Wut in seinem Bauch an ihr auszulassen, auch wenn er genau wusste, dass es kindisch war. »Selbst mit Ihren neuen Bürozeiten-Dingsda-Zeitfenstern bliebe noch genügend Zeit für ein Treffen.«
»Weil er so penetrant versucht hat, seinen Willen mit dem Zwanzig-Uhr-fünfzehn-Termin durchzusetzen.«
Verblüfft hielt er inne. »Sind Sie verrückt? So geht man doch nicht mit Kunden um. Der Kunde ist König, das sollten Sie doch wohl wissen.«
»Auch Könige sollten Manieren besitzen.« Angeliques weiterhin ungetrübtes Lächeln ließ seinen Blutdruck in die Höhe schnellen. »Jungmöller gehört zu der Sorte Mensch, die man ab und zu mal in ihre Schranken weisen muss, damit sie genießbar bleibt.«
»Haben Sie das in dieser Marketingfirma auch so gemacht?«
»Andauernd.«
»Kann es vielleicht sein, dass Sie deswegen Ihren Job verloren haben?«
»Wohl kaum.« Ihr Lächeln kühlte sich um wenige Grad ab. »Callas hat mir ein außergewöhnlich gutes Arbeitszeugnis ausgestellt.«
»Weil Sie seine Kunden beleidigt haben?«
»Ich habe niemanden beleidigt, im Gegenteil. Garantiert hat Herr Jungmöller noch niemals eine so freundliche Terminabsage erhalten. Und wenn Sie mich machen lassen, wird er am Ende glauben, der Nachmittagstermin sei seine eigene Idee gewesen.«
»Sie sind ganz schön von sich überzeugt, Angelique.«
Sehr langsam erhob sie sich aus ihrem Bürostuhl und trat auf ihn zu. »Warum sollte ich das nicht sein? Ich weiß, was ich kann, und mein Erfolg spricht für mich.« Da sie zu ihren Jeans Stiefel mit himmelhohen Absätzen trug – viel zu sexy für seinen Blutdruck –, standen sie einander beinahe auf Augenhöhe gegenüber. »Sie haben mich eingestellt, weil ich hier für Ordnung sorgen soll. Nun beschweren Sie sich bitte nicht, wenn ich genau das tue.«
Patrick schluckte, als der herausfordernde Blick aus ihren silbrig grauen Augen ihn traf. Heute war wieder ein Hauch Violett in der Iris zu sehen, das stärker hervorzutreten schien, wenn sie lächelte oder, wie jetzt, zum Angriff überging. »Natürlich sollen Sie Ihre Arbeit tun. Ich dachte nur, dass ich trotz allem weiterhin der Chef in meiner eigenen Firma wäre. So wie Sie auftreten, könnte man meinen, Sie hätten hier alles übernommen.«
»Habe ich ja auch, jedenfalls den organisatorischen Teil. Somit können Sie sich voll und ganz auf Ihre … Chef-Sachen konzentrieren.«
»Meine was?«
»Tun Sie, was für Ihre Firma wichtig ist, und überlassen Sie den Kleinkram mir.« Als in diesem Moment das Telefon klingelte, wollte er ganz automatisch danach greifen, doch sie schnappte es ihm blitzschnell vor der Nase weg, warf einen Blick aufs Display und machte eine wedelnde Handbewegung, als wolle sie ihn verscheuchen. »Meine Spielwiese. Nun gehen Sie schon. Tun Sie, was immer Sie tun müssen. Aber tun Sie es in Ihrem Büro oder draußen oder wo auch immer Sie jetzt sein sollten.« Sie nahm den Anruf an. »Wohnen in Holz, einen wunderschönen guten Tag. Angelique am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«
Für einen Moment stand Patrick nur perplex da, dann floh er in sein Büro. Kaum hatte er dort allerdings die Tür hinter sich zugezogen, als sein Blick auf seinen Schreibtisch fiel. Eben hatte er es noch nicht bemerkt, doch jetzt fiel es ihm auf. Er konnte seine Schreibtischplatte sehen. Hektisch sah er sich nach allen Seiten um. »Wo …?« Er fasste sich an den Kopf. Hatte er nicht auf Angeliques Schreibtisch einen Stapel Papiere gesehen? Er drehte sich auf dem Absatz um und kehrte ins Foyer zurück. »Wo sind meine Sachen? Meine Papiere? Meine …?«
»Entschuldigen Sie bitte einen Moment, Herr Breisnig.«
Angelique runzelte zum ersten Mal unwirsch die Stirn und schaltete gleichzeitig das Telefon stumm. »Brüllen Sie hier nicht so herum. Was macht das denn für einen Eindruck auf Ihre Kunden und Lieferanten?«
Beinahe hätte er Feuer gespuckt. »Wo sind meine Zeichnungen? Als ich vorhin weggefahren bin, lagen Sie noch auf meinem Schreibtisch.« Sein Blick wanderte über den Aktenstapel auf Angeliques Schreibtisch. »Spinnen Sie? Die Sachen brauche ich …«
»Heute ganz sicher nicht mehr.« Sie erhob sich erneut, wohl um ihm wieder geradewegs in die Augen zu blicken. »Sie sind mit dem halb fertigen Haus draußen beschäftigt. Die Zeichnungen dafür liegen im Ablagekorb neben dem Computer. Alles andere sortiere ich erst mal und lege es so ab, dass man nicht mit einem Griff das totale Chaos hervorruft. Und nun hauen Sie endlich ab. Ich habe zu tun.« Sie setzte sich wieder, schaltete den Ton am Telefon wieder ein und flötete für Patricks Ohren fast unerträglich freundlich: »Verzeihen Sie bitte, Herr Breisnig, ein kleines Missgeschick mit dem Hund.«
Sie lachte herzlich. »Ja, genau, dann kennen Sie das ja. Er ist noch nicht lange bei uns; ein Hund aus dem Tierheim. Da weiß man nie, was für verrückte Angewohnheiten …« Wieder lachte sie und tätschelte dabei Oskar den Kopf, der dicht bei ihr saß und sich dort offenbar sehr wohlfühlte. »Ja, so ist es. Nun aber zurück zu der Holzlieferung. Am kommenden Mittwoch geht es also nicht? Soweit ich aus der Bestellung entnehmen kann, war der Termin von Ihnen garantiert … Aha.« Sie hob den Kopf und funkelte Patrick auffordernd an, doch er rührte sich nicht vom Fleck. »Ja, das kann mal passieren, aber wir hatten die Lieferung fest eingeplant.«
Patrick seufzte. Breisnig war bekannt dafür, dass er seine Lieferzeiten um eine bis zwei Wochen überschritt, daran würde auch Angelique nichts ändern. Deshalb plante Patrick schon immer großzügig, damit er die Verzögerung problemlos kompensieren konnte. Er versuchte, Angelique durch Räuspern auf sich aufmerksam zu machen, doch sie drehte ihm einfach den Rücken zu!
»Nun, wie gesagt, wir haben die Lieferung fest eingeplant. Ich möchte Ihnen ungern die Daumenschrauben anlegen, weil Sie schon so oft hinter Ihren garantierten Lieferzeiten hergehinkt sind. Wir pflegen die Beziehungen zu unseren Zulieferern immer mit ganz besonderer Sorgfalt und möchten wirklich nicht auf jemand anderen ausweichen müssen. Das wäre doch sehr schade.«
Entgeistert sog Patrick die Luft ein und wollte schon laut protestieren, sie mitsamt ihrem Stuhl wieder zu sich umdrehen, sie erwürgen. Da hielt sie plötzlich, während sie weiter mit Breisnig verhandelte – ohne sich umzudrehen –, einen Zettel hoch, auf den sie mit schwungvoller Handschrift drei Wörter geschrieben hatte: Hauen Sie ab!
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Es ist kurz vor Weihnachten, Patrick versinkt mit seinem gutgehenden Bauunternehmen in Arbeit. Zu Hause verwandeln die Zwillinge Joel und Jessica gemeinsam mit Hund Oskar noch das bisschen verbliebene Ruhe in Chaos. Dass nach der Kündigung eines Mitarbeiters Patricks einzige Rettung die quirlige und nervenaufreibend gut organisierte Angelique ist, lässt ihn erst recht verzweifeln. Das Konfliktpotenzial zwischen ihnen ist einfach viel zu hoch, niemals kann das gutgehen! Zu seiner Überraschung kommen sie allerdings viel besser miteinander aus, als Patrick erwartet hat – auch privat – und das war auf keinen Fall geplant. Eine verwirrende Romanze ist das letzte, was Patrick jetzt gebrauchen kann. Mischlingshund Oskar hingegen ist da ganz anderer Meinung.
Stille Nacht, flauschige Nacht
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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