Ist es wirklich schon fast ein Jahr her, dass ich den letzten Glückspilzmoment hier festgehalten habe?
Unglaublich.
Das soll aber nicht heißen, dass ich in den vergangenen elf Monaten keine erwähnenswerten Momente erlebt habe, sondern hängt vielmehr damit zusammen, dass mir die Zeit immer wieder zwischen den Fingern zu verrinnen scheint. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, öfter mal innezuhalten.
Gut, das habe ich sogar getan, nur aufgeschrieben habe ich es dann leider nicht.
Das ändere ich heute, denn obwohl der Moment, über den ich euch berichten möchte, schon ein paar Tage her ist, will ich ihn unbedingt hier im Blog verewigen, weil ich immer wieder daran denken muss.
Es war, wie gesagt, vor ein paar Tagen, gegen Abend auf einen kurzen Spaziergang mit unserem Arthos. Das Wetter war sonnig und angenehm warm, die Bäume und Büsche beginnen ja gerade so richtig zu grünen, überall blüht es schon fleißig. Frühling halt.
Ich ließ also meinen Blick ein wenig schweifen und entdeckte einen einzelnen Flugsamen, vermutlich von einem der vielen Büsche ringsum herbeigeweht. Er taumelte in der leichten Brise sachte vor sich hin.
Im nächsten Moment (und leider habe ich davon kein Foto, das wäre wirklich bemerkenswert gewesen!) sirrte eine winzige Mücke um mich herum. Ihr wisst schon, so ein Mini-Insekt, wie sie an lauen Frühlings- und Sommerabenden (oder nach einem Regenguss) oft in Schwärmen über Wiesen und Feldern zu sehen sind. Bei genauem Hinsehen waren auch tatsächlich noch weitere Mücken in der Nähe, wenn auch keine Schwärme.
Interessant war aber nur diese eine, die sich in mein Blickfeld bewegte, weil sie direkt auf den Flugsamen zusteuerte und doch tatsächlich versucht hat, sich daraufzusetzen.
Ganz kurz hat sie es sogar geschafft. Oder er. Ob es eine männliche oder weibliche Mücke war, hat sie mir nicht verraten. :-)
Warum ist das jetzt ein Glückspilzmoment für mich?
Ganz einfach, weil der Anblick mich zum Lächeln gebracht hat. Dieses winzige Insekt, das, aus welchem Grund auch immer, meinte, sich auf den vorbeiziehenden Flugsamen setzen zu müssen. Wollte die Mücke eine kleine Pause einlegen? Sich die Welt mal entschleunigt ansehen und sich sanft umhertreiben lassen? Spielen? Oder etwas ganz anderes? Sie war jedenfalls definitiv zu klein, als das der Samen sich an sie hätte heften können, um von ihr weitergetragen zu werden.
Nein, es war definitiv umgekehrt: Die Mücke wollte auf dem Samen sitzen und von ihm mitgenommen werden.
Angst vorm Herunterfallen hatte sie nicht, weil sie sich ja auf ihre Flügel verlassen konnte, und das bringt mich auf einen geradezu philosophischen Gedanken:
Kurz nach dieser Beobachtung (vielleicht zwei Tage später), begegnete mir nämlich auf Instagram ein “Spruch des Tages” der von einer meiner Freundinnen geteilt worden war und ursprünglich vom jemand Unbekanntem stammt. Oder falls Ihr wisst, von wem er ist, gebt mir bitte Bescheid, dann trage ich das gerne nach.
“Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte. Nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern seinen eigenen Flügeln.”
Irgendwie hat mich dieser Spruch an die kleine Mücke auf dem Flugsamen erinnert. Auch sie hat auf ihre Flügel vertraut und einfach mal etwas Neues gewagt. Und ich durfte sie dabei beobachten.
Letztlich mag sie gescheitert sein, denn ihr Flug auf dem Samen dauerte vielleicht eine Sekunde, vielleicht zwei, mehr nicht. Aber sie hat es zumindest mal versucht – und dabei darauf vertraut, dass sie ja selbst Flügel hat und sich im Falle des Scheiterns schon wieder fangen wird.
Wer weiß, vielleicht hat sie es ja später noch mal versucht? Möglicherweise auf einem größeren Flugsamen oder einer ganzen Traube davon, denn manchmal haken und kleben die Samen ja auch aneinander und bilden so kleine Wölkchen, auf denen eine Mücke bestimmt etwas länger ausharren könnte.
Mücke müsste man sein – oder der Vogel, der auf seine Flügel vertraut, ganz gleich wie dünn der Zweig unter ihm sein mag.
Mit diesem Gedanken entlasse ich euch jetzt in einen wunderbaren Tag.
Seid mutig.
Probiert Neues aus.
Seid wie die Mücke. Oder der Vogel.
Vertraut auf euch selbst.
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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