Momentan ist es mal wieder arbeitsbedingt sehr ruhig in meinem Blog, aber keine Sorge, das ändert sich bald wieder. Damit ihr wenigstens etwas zu lesen bekommt, habe ich heute einen weiteren Textschnipsel für euch, denn immerhin erscheint ja schon ganz bald mein neuer Weihnachtsroman Auf tapsigen Pfoten ins Glück.

In diesem Schnipsel begegnen sich die beiden Hauptfiguren, nein, genau genommen alle drei, zum allerersten Mal persönlich. Ich wünsche euch viel Vergnügen mit dieser Szene!

Aus dem 5. Kapitel

Rund um das Wohnhaus waren Bemühungen zu erkennen, ähnlich wie vor dem Laden englische Gartenträume wahrwerden zu lassen, doch offenbar stand das Gebäude noch nicht allzu lange, sodass es wohl noch ein Weilchen dauern würde und viel Arbeit in die Außenanlagen gesteckt werden musste, bis das Ergebnis sich sehen lassen konnte.

Da er die Künstlerin hier draußen weder sah noch hörte, umrundete er das Fachwerkhaus auf der Suche nach einem Zugang zur Werkstatt. Er vermutete Jana im Anbau, der wohl einmal ein Stall oder eine Scheune gewesen war. Die Tür war hier nur angelehnt, von drinnen Musik zu hören. Amarantine von Enya. Er runzelte die Stirn. Nicht gerade seine Musik.

Er klopfte an, erhielt jedoch keine Antwort, also stieß er die Tür vorsichtig auf und trat ein. »Hallo? Frau Weißmüller? Sind Sie da?«

Diesmal vernahm er neben einem monotonen Rauschen so etwas wie ein Brummeln oder Grunzen.

Irritiert sah er sich um. Der rechteckige Raum war ganz offensichtlich die Glasbläserei. Es gab verschiedene Arbeitstische, zwei Öfen, jede Menge Geräte, von denen er nur Brenner und Zangen namentlich benennen konnte. Erst auf den zweiten Blick entdeckte er die Künstlerin an einer Werkbank im rückwärtigen Bereich der Werkstatt. Sie stand mit dem Rücken zu ihm über irgendeine Arbeit gebeugt und drehte sich auch nicht um, als er sich leise räusperte. »Guten Tag, Frau Weißmüller. Ich freue mich …«

»Sch… Verdammt, nicht jetzt. Warten Sie.« Ihre Stimme klang äußerst gereizt.

»Okay. Entsch…«

»Und kein Wort! Schalten Sie mal die Musik auf Repeat.« Sie deutete vage in Richtung der Wand, die von Regalen und Metallschränken gesäumt wurde. Dort entdeckte er eine kleine Stereoanlage mit Touch-Display. Als er nähertrat, sah er, dass eine Playlist gestreamt wurde. »Nur dieses eine Lied?«

Als Antwort erhielt er ein zustimmendes Grunzen. Zumindest glaubte er, aus dem Geräusch eine Zustimmung herauszuhören. Über den Touchscreen wählte er die Wiederholungsfunktion für den Song, sodass, kaum dass Enya die letzten Verse gesungen hatte, ihre Stimme erneut von der Unendlichkeit der Liebe kündete. Gleichzeitig klapperte etwas auf der Werkbank.

Die Künstlerin fluchte, dann lachte sie. »Jaaa, genau so. Komm, komm … Nein! Nicht zu viel! Ja, sooo … so ist’s recht. Sehr fein. Und jetzt noch dreimal das Ganze. Komm schon, das schaffst du.«

Neugierig trat Oliver näher, blieb jedoch in respektvollem Abstand stehen, als Jana Weißmüller ein warnendes Fauchen ausstieß.

»Bleiben Sie weg, sonst atmen Sie mir aufs Glas!«

Er verrenkte sich den Hals, um von seinem Standpunkt aus erkennen zu können, was sie da tat. Es war sehr warm in der Werkstatt, und erst jetzt fiel ihm auf, dass es vor der Künstlerin auf der metallenen Werkbank eine Feuerquelle gab. Etwas wie einen winzigen Ofen oder eine Esse. Die Frau selbst strahlte aber auch eine seltsame Wärme und Energie ab. Zumindest kam es Oliver so vor. Sie vibrierte gerade zu und wirkte dennoch zugleich vollkommen ruhig und konzentriert.

»Starren Sie mir nicht auf den Rücken, das macht mich nervös!«

Mit einem weiteren Räuspern blickte Oliver zur Seite. Er hatte nicht gerade auf ihren Rücken gestarrt, sondern auf ihr ansehnliches rundes Hinterteil, das in hautengen, abgeschabten Jeans steckte. Verflixt! Seit wann verhielt er sich derart unprofessionell?

»Kommen Sie her, aber atmen Sie nicht auf den Ring«, befahl sie. »Sonst hat Ihr letztes Stündlein geschlagen.«

Etwas verunsichert, gehorchte er und trat neben sie an die Werkbank. Nun konnte er sehen, woran sie arbeitete. In einer Metallschale drehte und wendete sie mit einer sehr filigranen Zange einen kleinen, glühenden Glasring in einem Gemisch aus silbernem und goldenem Staub. Mit der anderen Hand griff sie, ohne hinzusehen, nach einem ebenso filigranen Blasrohr, dessen Ende in dem glühend heißen Öfchen lag. Er konnte zusehen, wie sie geschmolzenes Glas hervorholte und gleich wieder zurückschob.

»Hier, nehmen Sie die Zange mal kurz, aber hören Sie nicht auf, sie zu drehen. Ich brauche vier Hände, besser noch sechs …« Sie winkte ihn noch näher und übergab ihm die Zange. Dann umfasste sie seine Hand und zeigte ihm, wie er den Ring in dem Staubgemisch drehen sollte. »Nicht aufhören!«, wiederholte sie streng und mit einem Unterton, der verriet, dass sie ihm den Garaus machen würde, wenn er sich nicht an ihre Anweisung hielt. Ihm brach der Schweiß aus. Mit solch einem Empfang hatte er ganz sicher nicht gerechnet.

Die Künstlerin hatte den kleinen Kolben bereits erneut aus dem Öfchen gezogen und schaltete nun auch noch einen kleinen Handbrenner ein. Dann begann sie mit Hilfe ihrer Atemluft ein winziges hohles Gebilde zu erzeugen, das sie zugleich mit dem Brenner weiter erhitzte. Oliver kniff die Augen zusammen. Sie trug eine Schutzbrille, er aber natürlich nicht.

»Jetzt stillhalten«, befahl sie und senkte das Gebilde ebenfalls in die Staubschale. Anstelle des Brenners benutzte sie nun eine kleine Zange, um dem Gebilde eine neue Form zu geben. Dabei wurde Oliver klar, dass die Schale selbst ebenfalls glühend heiß war. Offenbar war sie irgendwie beheizt.

»Jetzt geben Sie mir den Ring wieder.« Auffordernd hielt sie ihm die rechte Hand hin.

Sehr vorsichtig reichte er ihr das halbfertige Kunstwerk und trat rasch einen Schritt beiseite. Während Enya ein drittes, viertes und fünftes Mal die Unendlichkeit der Liebe besang, beobachtete er, wie aus dem winzigen Glasring ein zauberhaftes Schmuckstück wurde, das im Licht abwechselnd golden und silbern schimmerte und dessen Oberfläche an verschlungene Blütenranken erinnerte. Raum und Zeit vergaß er dabei vollkommen. Erst als Jana Weißmüller mit einem zufriedenen »Jawoll!« die Ofentür schloss und den Ring in eine saubere Metallschale legte, entspannte er sich wieder.

Sie nahm die Schutzbrille ab, wischte sich mit dem Ärmel ihres roten langarmigen Shirts über die Stirn und reckte sich. »Das wär’s. Danke für die Hilfe. Ohne Sie hätte es länger gedauert.« Sie wandte sich ihm mit einem strahlenden Lächeln zu, das ihn nach ihrem grimmigen Befehlston von zuvor vollkommen unvorbereitet traf. »Guten Tag, Herr Jones.« Sie streckte ihm ihre Rechte hin, die er automatisch ergriff. »Ich hoffe, ich war nicht allzu unhöflich. Wenn ich mitten in einem Schaffensprozess stecke, werde ich manchmal ein bisschen grob. Meine Schwester nennt mich dann die Feldwebelin aus der Glashölle.« Ihr Lachen war klar und warm und ebenso eine Überraschung wie ihr Lächeln.

Für einen Moment war er irritiert, setzte dann aber ein professionelles Lächeln auf. »Machen Sie sich keine Gedanken. Es war hochinteressant, Ihnen bei der Arbeit zuzusehen.«

»Ah, okay, Sie haben sich für die diplomatische Antwort entschieden.« Schmunzelnd deutete sie auf eine Tür. »Folgen Sie mir bitte in mein Büro.« Ehe er reagieren konnte, sah sie sich suchend um. »Sagten Sie nicht etwas von einem Hund?«

Oliver nickte. »Scottie ist noch im Auto. Ich wollte nicht gleich mit dem Monster einfallen.«

»Monster?« Amüsiert hob sie den Kopf.

»Er ist knapp anderthalb und noch nicht so gut erzogen, wie ich es gern hätte. Ich habe ihn erst vor ein paar Wochen adoptiert und bis dahin hat sich kaum jemand die Mühe gegeben, ihm etwas Benimm beizubringen. Im Tierheim haben sie zwar damit angefangen, aber dort war er auch noch nicht lange.«

»Aha.« Jana nickte verständnisvoll. »Dann holen Sie ihn mal herein. Im Auto ist es für ihn vielleicht langweilig.«

»Das befürchte ich auch«, gab er zu. »Er tendiert dazu, Sachen anzukauen, wenn ihm langweilig ist.«

»Dann nichts wie herein mit ihm. Nicht, dass die Inneneinrichtung Ihres Autos einen Schaden davonträgt.«

***

Jana folgte Oliver Jones bis nach draußen und sah zu, wie er die hübsche und offensichtlich gleichermaßen kräftige wie quirlige Bordeauxdogge aus dem Auto ließ. Beide verhedderten sich kurzzeitig in der Leine, bevor sie mehr oder weniger gesittet auf sie zusteuerten.

Oliver Jones hatte, als Scottie Jana erblickte, sichtlich Probleme, ihn ruhig zu halten. Der junge Hund strebte mit aller Kraft auf sie zu, hechelnd und wild mit der Rute wedelnd. Als er sie erreicht hatte, wollte er sie anspringen, doch das konnte sein Herrchen gerade noch verhindern. »Stopp, Scottie. Anspringen ist verboten. Entschuldigen Sie bitte, Frau Weißmüller. Er ist sehr menschenbezogen und will immer sofort mit allen neuen Bekannten spielen.«

Jana blickte verzückt auf den fröhlichen Hund hinab und hielt ihm schließlich ihre Hand zum Beschnuppern hin. »Hallo Scottie, du bist aber ein Hübscher.« Sie lachte, als er ihr eifrig über die Finger leckte. »Und so galant. Gleich einen Handkuss bekomme ich!«

Handkuss? Was ist das? Egal. Hallo, hallo! Wer bist du denn? Du siehst nett aus. Und du riechst … Moment mal … Du riechst aber komisch. Gar nicht so wie die meisten Menschen, sondern irgendwie scharf und ein bisschen fies. Und trotzdem auch gut. Wie kommt das denn? Schnaufend und brummelnd schnüffelte Scottie an Janas Händen, ihren Hosenbeinen und schließlich versuchte er noch einmal, sie anzuspringen.

»Nein, Scottie, alle vier Füße bleiben auf dem Boden!«, mahnte Oliver und fasste sicherheitshalber an den Griff an Scotties Halsband.

Jana trat einen halben Schritt zurück, beugte sich dann aber vor und hielt Scottie noch einmal die Hand hin. »Ich rieche seltsam, oder?«

Und wie! Das will ich näher erkunden.

»So reagieren alle Hunde auf mich.« Jana lachte. »Die Chemikalien, mit denen ich arbeite, riechen teilweise etwas streng. So ganz bekomme ich den Geruch nie weg, auch wenn ich noch so lange dusche. Na, Scottie, wie ist es, magst du mich trotzdem?«

Au ja, unbedingt. Ich mag alle Menschen. So nette wie dich sowieso. Du hast auch so eine angenehme Stimme, das gefällt mir gut. An den Geruch gewöhne ich mich schon noch. Scottie schnaubte so heftig, dass sein Kopf mitging und es aussah, als würde er auf ihre Frage mit einem energischen Nicken antworten.

»Na, das ist doch schön«, sprach Jana lächelnd weiter. »Dann kommt mal beide mit ins Büro.« Sie ging Hund und Herrchen voraus durch die Werkstatt und durch die rückwärtige Tür in einen kleinen Flur, der wohl zum Laden führte. Linker Hand führte eine Treppe ins Obergeschoss. »Darf Scottie Treppen steigen?«, fragte sie über die Schulter.

Scottie wollte bereits an ihr vorbei die Stufen erklimmen. Oliver Jones lachte trocken. »Versuchen Sie mal, ihn davon abzuhalten!«

Janas Büro war geräumig. Beim Umbau des alten Bauernhauses hatte sie zwei Räume zusammenlegen lassen. Nun hatte sie zwei große Fenster, und vor einem davon befand sich ein höhenverstellbarer Zeichentisch, vor dem anderen eine Couch mit Schlaffunktion, ein kleiner gläserner Tisch und ein Sessel. Außerdem gab es neben dem Zeichentisch noch einen großen Schreibtisch mit Computeranlage und dahinter eine ganze Wand mit Bücherregalen und Aktenschränken. Auf dem Zeichentisch stapelten sich etliche ihrer Entwürfe, auf dem Schreibtisch die Unterlagen für ihre Buchhaltung, die sie so regelmäßig wie nur möglich zu erledigen versuchte, und ein paar aufgeschlagene Fachbücher über spezielle Glasverarbeitungsverfahren, die sie sich nach der letzten Fortbildung zugelegt hatte, um das Gelernte zu vertiefen.

»Bitte nehmen Sie Platz«. Sie wies auf die Sitzecke. »Möchten Sie etwas trinken? Tee, Wasser, Cola, Limo? Nur Kaffee kann ich leider nicht bieten, weil ich keinen trinke und auch keine Kaffeemaschine hier oben habe.«

»Sie trinken keinen Kaffee?« Verblüfft sah Oliver Jones sie an. »Wie halten Sie das aus? Ich würde keinen Tag ohne überleben. Oder falls doch, dann nur als Zombie.« Er setzte sich auf den Sessel und wies Scottie an, sich ebenfalls hinzusetzen. Der Hund gehorchte sogar – für etwa drei Sekunden.

Warum soll ich denn sitzen? Hier ist es doch so interessant. Ich möchte gerne alles beschnuppern.

»Ich mochte Kaffee noch nie.« Jana hob die Schultern. »Wenn man nicht daran gewöhnt ist, vermisst man ihn auch nicht.«

»Kann sein.« Aufmerksam sah der Detektiv sich um. »Ein Wasser reicht mir vollkommen.« Während sie ihm und sich selbst je ein Glas Wasser einschenkte, sprach er weiter. »Wie ich sehe, arbeiten Sie auch hier oben.«

»An meinen Entwürfen, wenn ich sie mir auf Papier visualisieren muss«, bestätigte sie. »Das ist aber nur manchmal der Fall. Meistens sehe ich ein Kunstwerk so klar vor meinem inneren Auge, dass ich keine Vorlage auf Papier benötige – oder im Computer.« Sie setzte sich auf die Couch. »Ich habe auch eine Design-Software, aber die kommt noch seltener zum Einsatz. Manchmal erstelle ich damit Modelle und Ansichten für meine Website.«

»Ist oder sind der oder die Einbrecher auch hier im Büro gewesen?«

Jana hielt inne. Ein kalter Schauder ergriff sie. »Nein, glücklicherweise nicht. Zumindest war hier nichts verändert. Wenn jemand hier drin gewesen wäre, hätte er oder sie doch bestimmt dieselbe Unordnung hinterlassen wie unten, oder?«

»Nicht zwangsläufig.« Oliver Jones sah sich noch einmal um. »Es kommt darauf an, was das Ziel des Einbruchs war. Sie sagten, Sie hätten eine Botschaft erhalten, die darauf hinweist, dass es sich nicht um bloßen Vandalismus und Diebstahl handelt.«

Etwas beklommen erhob Jana sich wieder und holte eine Schachtel aus einem der Aktenschränke, in der sie alle bisherigen Umschläge samt Inhalt aufbewahrte. Sie legte sie geöffnet auf dem Glastisch ab. »Das ist alles, was die- oder derjenige mir bisher hat zukommen lassen. Zuunterst liegen auch ein paar Fotos von dem Chaos nach dem Einbruch, die ich mit dem Handy gemacht und ausgedruckt habe.« Sie beobachtete etwas atemlos, wie der Detektiv den Inhalt der Schachtel sehr eingehend studierte. Dabei hatte sie auch endlich die Gelegenheit, ihn selbst näher zu betrachten.

Oliver Jones war etwa eins fünfundachtzig groß und besaß eine athletische Figur, die von seiner engen Jeans, dem schwarzem Shirt und einer ebenfalls schwarzen Lederjacke noch betont wurde. Seine Gesichtszüge waren herb, Kinn, Wangen und Oberlippe von einem Fünftagebart bedeckt, der ihm etwas Raues gab, dem allerdings die eher sanften rehbraunen Augen entgegenstanden. Er wirkte insgesamt ruhig, kompetent und recht zugänglich, dennoch umgab ihn eine gewisse Distanziertheit, was aber vielleicht einfach daran lag, dass sie einander noch nicht kannten.

Scottie hatte sich inzwischen ihr zu Füßen hingelegt und rekelte sich rutewedelnd, als sie begann, ihn zu streicheln.

Hm, hach, das gefällt mir! Mach ruhig weiter. Ich werde total gerne gestreichelt.

»Du bist ja wirklich ein Süßer.« Sie wuschelte Scottie hinter den Ohren. Als Oliver Jones halb überrascht, halb amüsiert den Blick vom Inhalt der Schachtel hob, räusperte sie sich, weil sie unverhofft von einem Hauch Verlegenheit gestreift wurde. »Ihr Hund ist ein Schatz.«

»Mhm.« In seinen Augen funkelte es belustigt. »Solange er nichts anstellt.«

»Aber nein, so was machst du doch nicht, oder?« Sicherheitshalber wandte sie sich wieder ganz dem Hund zu. »Du bist ein ganz Lieber, nicht wahr?«

Na klar! Wiff! Einen wohligen Quietschlaut ausstoßend, rollte Scottie sich auf den Rücken.

Jana grinste. »Sehen Sie?«

»Schleimer«, brummelte Oliver.

Was ist denn ein Schleimer? Scottie drehte den Kopf in Richtung seines Herrchens, während er Jana seinen Bauch hinhielt.

Oliver schnaubte nur spöttisch und wandte sich wieder dem Inhalt der Schachtel zu. Mit zwei Fingern zog er eine zerbrochene Glasfigur aus einem der Umschläge und hielt sie ins Licht. »Ein Einhorn?« In seiner Stimme schwang ein leicht entsetzter Unterton mit, vielleicht weil die Figur rosa war.

Jana nickte nur. »Ich liebe Einhörner.«

»Himmel!«

»Sie etwa nicht?«

Er hüstelte. »Nicht wirklich.«

»Selbst schuld.« Sie grinste vielsagend, wurde aber gleich wieder ernst und nahm ihm die Figur aus der Hand. »Das hier ist jetzt leider ein Keinhorn. Es stammte aus einer ganzen Serie von bunten Einhörnern, die ich vor zwei Jahren erschaffen habe. Es war das letzte, das ich nur zu Ausstellungszwecken im Laden hatte. Ich wollte es nicht verkaufen.«

»Das letzte Einhorn?« Er hob sichtlich erheitert die Augenbrauen.

»Sozusagen.« Betrübt fischte sie das abgebrochene Horn aus dem Umschlag. »Vielleicht versuche ich, es zu reparieren. Bei den anderen Sachen aus den Umschlägen wird das nicht gehen, dazu sind sie zu stark zerstört.«

»Das geht Ihnen sehr nahe.« Er zog das Blatt hervor, auf dem mittels ausgeschnittener Buchstaben die kurze Nachricht zusammengesetzt war:

Du hast es nicht besser verdient.

Ruckartig richtete Jana sich auf. »Natürlich geht mir das nahe! Es sind meine Kunstwerke, die mutwillig zerstört wurden. In jedes einzelne davon habe ich viel Arbeit und Herzblut gesteckt. Meine Werke sind ein Teil von mir. Sie kommen aus mir, aus meinem Herzen. Werden sie zerstört, tut mir das weh. Und ja, auch das rosa Einhorn. Vielleicht sogar das ganz besonders, weil es so eine Freude und Leichtigkeit ausgestrahlt hat.« Ihre Stimme war eine Spur lauter und deutlich schärfer geworden.

Oliver hob beschwichtigend die Hände. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten. Dass eine Künstlerin ein besonderes Verhältnis zu ihren Kunstwerken hat, leuchtet mir ein. Andernfalls gäbe es diese Kunstwerke wohl gar nicht erst. Ich habe lediglich eine Tatsache geäußert, die ganz offensichtlich der Ursprung des Übels ist oder vielmehr die Ursache und Wirkung gleichermaßen. Jemand will Ihnen einen Schaden zufügen, aus welchem Grund auch immer. Der beste Weg ist die Zerstörung dessen, was Sie erschaffen haben. Also …« Nach einem letzten Blick auf die Botschaft legte er das Blatt zurück in die Schachtel. »Wem sind Sie dermaßen auf die Zehen getreten, dass sie oder er zu solchen Mitteln greift, um es Ihnen heimzuzahlen?«

»Niemandem!«

»Oder haben sie vielleicht Neider?«

»Ich …« Sie zögerte. »Keine Ahnung. Vielleicht, ja, wahrscheinlich schon. Es gibt immer Menschen, die anderen ihren Erfolg neiden. Aber gehen die gleich so weit und brechen irgendwo ein, um alles kaputt zu machen? Das ist immerhin eine Straftat und kein Kavaliersdelikt.«

»Das kommt darauf an, wie tief verwurzelt der Neid ist«, gab er zu bedenken. »Was die potenziellen Feinde angeht: Es muss nicht jemand aus Ihrem Metier sein. Viel eher könnte es sich um jemanden aus Ihrem privaten Umfeld handeln. Jemand, der weiß, wie er Sie am gemeinsten treffen kann. Eine Freundin vielleicht, mit der Sie sich zerstritten haben.«

»Solche Freundinnen habe ich nicht. Und zerstritten bin ich erst recht mit keiner.«

»Ein enttäuschter Liebhaber oder Ex-Lebensgefährte?«

»Nein. Glauben Sie nicht, dass ich mich das alles längst selbst gefragt habe?«

Eine Bordeauxdogge im Weihnachtsfieber

Jana schafft wunderschöne Kunstwerke aus Glas. Seit jedoch eine Diebesbande umgeht, sind ihre wertvollen Stücke in Gefahr, und so engagiert Jana Sicherheitsmann Oliver und seine Bordeauxdogge Scottie. Anfangs ist sie nicht begeistert von dem Duo, denn der stürmische Scottie scheint ihre Kunst eher zusätzlich zu gefährden als zu schützen. Trotzdem spürt Jana eine Anziehung, der sie kaum widerstehen kann. Was sie allerdings nicht weiß: Oliver hütet ein Geheimnis, das ihre Träume erfüllen oder ihre zarten Gefühle im Keim ersticken könnte.

Auf tapsigen Pfoten ins Glück

Petra Schier

HarperCollins, Taschenbuch
12,5 x 18,7 cm, ca. 400 Seiten
Erscheint am 27.09.2022
ISBN 978-3-74990-478-5
12,00 € / eBook  8,99 €

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