Foto Die Begegnung mit dem (toten) FischGebt es zu, der Titel dieses Artikels hat euch neugierig gemacht. Das sollen gute Titel tun. Vielleicht habt ihr auch ein bisschen geschaudert, weil ihr gleich diesen (toten) Fisch vor Augen hattet. Keine Sorge, es wird nicht eklig.

Es ist einfach so, dass  ich bei einer ganz alltäglichen und  – zumindest hier bei uns – gesellschaftlich verankerten Geste sehr häufig an den (toten) Fisch denken muss. Immer dann nämlich, wenn ich einem Gegenüber, egal ob männlich oder weiblich, die Hand schüttele und … ja, jetzt ahnt ihr es, oder? Das Gegenüber drückt meine Hand nicht etwa, sondern hält seine oder ihre einfach so lasch und leblos hin. Kein Druck, keine Bewegung, kein gar nichts. Nur ein (toter) Fisch, den man mehr oder weniger fest umfasst.

Mal ehrlich (ich sag’s auch nicht weiter): Seid ihr vom Typ Fischhand?

Warum?

Ein Händedruck sagt so viel über euch aus (siehe hier zu auch Wikipedia). In dem Moment, in dem euer Gegenüber nur so ein schlaffes Irgendwas in der Hand hält, kommuniziert ihr damit: Ich bin schüchtern (nicht wirklich schlimm aber in vielen Situationen eher wenig förderlich) und gänzlich ohne Selbstvertrauen (daran solltet ihr dringend arbeiten) und will deine Hand eigentlich gar nicht schütteln (warum nicht?). Fehlendes Selbstvertrauen, das ihr schon bei diesem ersten Kontakt vermittelt, kann euer Gegenüber (unbewusst oder bewusst) sofort wahrnehmen und im schlimmsten Falle ausnutzen. Aber auch wenn ihr es mit einem sehr wohlwollenden Menschen zu tun habt, ist so ein schlaffer oder nicht vorhandener Händedruck irgendwie unangenehm. Ihr müsst ja nicht gleich zupacken wie ein Bauarbeiter (obwohl es sogar unter denen Fischhandinhaber gibt), aber ein winziger erwiderter Druck, nur so ein kleines bisschen, das wäre schon schön.

Sobald ich jemandem die Hand schüttele, vermittele ich damit auch einen ersten Funken meiner Lebenseinstellung und die ist vom (toten) Fisch weit entfernt. Ich teile meinem Gegenüber damit außerdem eine gewisse Wertschätzung mit, denn was soll er oder sie denn bitte denken, wenn ich ihm oder ihr zur Begrüßung einen (toten) Fisch überreiche?

Manchmal bin ich direkt überrascht, wenn mir jemand begegnet, der in etwa dieselbe Händedruck-Intensität besitzt wie ich selbst. Da “funkt” gleich eine gewisse Dynamik auf, möglicherweise auch eine gleiche oder zumindest ähnliche Wellenlänge. Ganz sicher aber eine gegenseitige Achtung auf Augenhöhe.

Hände schütteln ohne (toten) Fisch

Das Gegenteil der Fischhand ist übrigens die Quetschhand. Deren Inhaber besitzen häufig ein übersteigertes Selbstbewusstsein, das sich in dieser, ich nenne es mal Machtausübungsgeste äußert. Ein “Quetscher” drückt die Hand seines Gegenübers so fest, dass es manchmal schon schmerzhaft ist. Das machen diese Menschen meist nicht bewusst, aber  man kann daraus schon gewisse Charaktereigenschaften ableiten.

Dann gibt es noch die Heftig-Schüttler, eng verwandt mit dem Quetscher, die einem fast das Schultergelenk ausrenken, so enthusiastisch wirbeln sie ihre Hand und die ihres Gegenübers auf und ab.

Und natürlich diejenigen, die den Handschlag zu einem Hand-für-die-Ewigkeit-Festhalten machen, das Händeschütteln also so sehr in die Länge ziehen, dass es unter Umständen unangenehm wird, weil man sich automatisch fragt, was der- oder diejenige (häufiger sind es allerdings Männer) wohl damit sagen bzw. implizieren wollen. Sind sie nur besonders besitzergreifend oder wollen sie mich gleich adoptieren/heiraten/verspeisen? Noch schlimmer wird es, wenn man dann versucht, die eigene Hand zurückzuziehen, diese aber immer noch nicht freigegeben wird. Bisschen gruselig.

Im Vergleich zu den Quetschern, Heftig-Schüttlern und Ewig-Festhaltern sind aber die Fischhände deutlich in der Überzahl. Man könnte sich fragen, was das wohl über die Gesellschaft allgemein aussagt, aber so weit möchte ich hier gar nicht gehen.

Fischhände gehören Männern und Frauen gleichermaßen. Sie geben unbewusst eine Unsicherheit preis, die euch im schlimmsten Fall in eine ungünstige Position versetzt, zum Beispiel bei Vorstellungsgesprächen, wenn (Vertrags-)Verhandlungen bevorstehen oder ihr neue Kollegen, Vorgesetzte, wichtige Beamte, Geschäftspartner usw. begrüßt.

Auch Autorinnen und Autoren, und hier komme ich auf den Punkt, der meine Profession berührt, sollten hinsichtlich des Händedrucks unbedingt an sich arbeiten. Denn unter ihnen habe ich die Fischhand tatsächlich überdurchschnittlich häufig erlebt. Warum eigentlich? Weil wir Autoren immer wieder schräg beäugt werden? Von Neidern wie von Menschen, die einfach nicht begreifen können, wie sich jemand Geschichten ausdenken und diese dann auch noch aufschreiben kann? Weil wir manchmal mit einem gewissen Mitleid bedacht werden, weil wir fast alle ständig ums Überleben kämpfen müssen? Weil wir zugegebenermaßen am Ende der Nahrungskette des Literaturbetriebs stehen, obwohl dieser ohne uns gar nicht existieren würde? Weil wir Angst haben? Vor der Zukunft im Dschungel von eBooks, Piraterie, geringen Vorschüssen und eingedampften Verlagsprogrammen und der gleichzeitig immer größer werdenden Zahl von Selfpublishern, die vom Kuchen (den Lesern) auch etwas abhaben möchten?

Denkt doch mal rückwärts!

Ohne uns gäbe es keinen Literaturbetrieb. Also sollten wir unabhängig von unseren Verkaufszahlen erst einmal stolz darauf sein, dass wir sozusagen der Urknall der Literatur sind. Wenn es uns nicht gäbe, wäre die Welt trist und öde. Es gäbe nämlich nicht nur keine Geschichten, die aufgeschrieben werden, sondern womöglich gar keine. Dann gäbe es auch keine Lieder, kein Kino, Kein TV, kein Netflix (und Co.), kein … gar nichts. Denkt mal darüber nach, wie die Welt aussähe, wenn Geschichtenerzähler nicht existieren würden. Ich möchte in so einer Welt nicht leben. Das Mindeste ist es dann aber doch, dass wir mit erhobenem Haupt durch die Welt gehen und wenigstens einen Funken Selbstbewusstsein zeigen. Und Wertschätzung anderen gegenüber. Wer weiß, vielleicht schlägt diese uns dann im gleichen Maße entgegen? Nicht immer, aber immer öfter?

Das gilt übrigens auch für alle anderen Fischhandinhaber:

Seid ein bisschen selbstbewusster! Selbst der oder die Schüchternste unter euch kriegt bestimmt ein winziges, leichtes Zugreifen hin, ein Zucken der Handmuskeln, das eurem Gegenüber signalisiert, dass ihr ihm oder ihr eben nicht gleich zur Begrüßung einen (toten) Fisch kredenzt, sondern ein lebendiges, menschliches Wesen. Probiert es mal aus. Zur Not erst mal im Selbstversuch vor dem Spiegel. Ihr habt (fast alle) zwei Hände, mit denen man üben kann. ;)

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