Eigentlich ist es ganz einfach, und dennoch werden die beiden Vorsilben „hin“ und „her“ häufig falsch verwendet. Deshalb habe ich euch die wichtigsten Regeln zur Verwendung dieser verflixten kleinen Wörtchen hier zusammengestellt.
Es gibt eine Reihe von Wörtern, die mit den beiden Vorsilben zusammengesetzt werden:
hinauf, hinab /herauf, herab
hinunter / herunter
hinaus, hinein / heraus/herein
etc.
Schon bei der Gegenüberstellung der Wörter und beim genauen Hinhören des Wortklangs werden die unterschiedlichen Bedeutungen klar, doch leider oft nicht beachtet.
Die Vorsilbe „hin“ assoziiert eine Bewegung vom Autor/der Autorin, Leser oder auch Betrachter weg; die Vorsilbe „her“ hingegen eine Bewegung auf den Autor/die Autorin/Leser/Betrachter zu.
Am einfachsten lässt sich dies anhand einiger Beispiele verdeutlichen:
Beispiel 1
Falsch:
Er kam die Treppe hinunter.
Begründung:
Hier entsteht ein paradoxer Eindruck. „Kam“ zeigt dem Leser an, dass die Figur auf ihn zukommt. „Hinab“ zeigt jedoch an, dass sich die Figur von ihm weg bewegt, hin zu einem anderen Punkt. Der Satz könnte verändert werden in „Er ging die Treppe hinunter.“ Dies funktioniert jedoch nur, wenn sich der Leser (oder eine andere Figur, auf die sich die Bewegung bezieht) in der Geschichte gleichsam mit der agierenden Figur auf dem gleichen Treppenabsatz befindet.
Richtig:
Er kam die Treppe herunter.
Begründung:
Der Leser sieht die agierende Figur die Treppe herunter auf sich (bzw. auf eine andere Figur der Geschichte, die sich am unteren Ende der Treppe befindet) zukommen.
Beispiel 2
Falsch:
Sie rannte heraus.
Begründung:
Hier liegt genau der umgekehrte Fall vor. „Heraus“ assoziiert, dass die Figur auf jemanden zukommt. Gleichzeitig will der Autor/die Autorin jedoch beschreiben, dass sie von einem Punkt (dem Leser/einer anderen Figur) weg rennt.
Richtig:
Sie rannte hinaus.
Begründung:
Hier wird deutlich, dass die Figur von einem Punkt zum anderen „hin“ rennt. Nämlich von drinnen nach draußen.
Beispiel 3
Falsch:
Sie blickte an sich herab.
Begründung:
Diese Blickrichtung ist schlichtweg unmöglich. Das Bild soll assoziieren, dass die Figur sich selbst von oben nach unten mustert. Doch das Wort „herab“ würde bedeuten, dass ihre Augen sich dabei auf dem Boden befinden.
Richtig:
Sie sah an sich hinab.
Begründung:
Ihr Blick beginnt oben und wandert am Körper abwärts, also weg vom ersten Punkt, bis „hin“ zu den Füßen.
Beispiel 4
Falsch:
Er sprang (den Berg) herunter.
Begründung:
Dieser Satz kann nur funktionieren, wenn die Handlung (er springt) z.B. von einer anderen Figur wahrgenommen wird, die sich am Fuße des Berges befindet und den Springer auf sich zukommen sieht. Geht man jedoch davon aus, dass sich andere Figuren sowie der Leser auf der Bergspitze befinden, ist die Verwendung von „her“ falsch.
Richtig:
Er sprang (den Berg) hinunter.
Begründung:
Richtung => von oben hin zu einem anderen Punkt, nämlich nach unten.
Die Verwendung der beiden Vorsilben hin und her kann im Einzelfall durchaus knifflig sein, je nachdem, was der Autor/die Autorin genau aussagen möchte und aus wessen Perspektive die Szene/Situation erzählt wird.
„Hin“ assoziiert, dass der Leser (oder eine andere Figur, aus deren Perspektive erzählt wird) sich auf der gleichen Position befindet wie die agierende Figur. Oder sozusagen neben ihr steht und in die Richtung blickt, in die sich die Figur bewegt.
„Her“ hingegen bedeutet, dass sich die agierende Figur auf den Leser (oder eine andere Figur, aus deren Perspektive erzählt wird) zubewegt. Meist wird die Vorsilbe „her“ deshalb auch mit dem Verb “kommen” kombiniert.
Im Zweifelsfall sollte sich der Autor/die Autorin immer wieder fragen: Bewegt sich die Figur von mir (oder einer anderen Figur) weg (= hin) oder auf mich (oder einen andere Figur zu (= her)?
Gleiches gilt übrigens auch für die Verkürzungen rauf und runter (von herauf und herunter). Es gibt in manchen Dialekten auch noch die Entsprechung nauf und nunter (von hinauf und hinunter), die aber nur selten in der Schriftsprache verwendet wird.
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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