Immer wieder stellen sich vor allem angehende AutorInnen bzw. solche, die gerade ihr erstes Buch veröffentlicht haben, die Frage, ob sie nun auch Lesungen geben sollen. Die Frage ist allerdings nicht mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten.
In vollen Hallen lesen, ein Publikum, das andächtig an den Lippen des Autors hängt, lacht, wo es passt, zu zittern beginnt, wenn es spannend wird, und sogar an der richtigen Stelle ein paar Tränchen verdrückt, davon träumen wohl viele, wenn nicht die meisten AutorInnen. Du auch?
Die Realität sieht leider oft ganz anders aus:
Kaum Werbung durch den Veranstalter und falls doch, ausgerechnet diese oder jene Parallelveranstaltung, die das potentielle Publikum abhält, sich einzufinden. Schuld kann alternativ auch zu warmes, zu kaltes, zu nasses oder zu trockenes Wetter sein oder die Schulferien, die Fußball-EM/WM/Championsleague.
Mit anderen Worten: Der Saal ist nicht annähernd so voll, wie du dachtest. Oder es handelt sich von vorneherein nicht um einen Saal, sondern nur um ein paar Stuhlreihen, die sich um einen kleinen Lesetisch oder auch nur einen Sessel drängen, weil z.B. die Buchhandlung einfach nicht mehr Platz bietet.
Das vorhandene Publikum aber, so sollte man meinen, ist dann wenigstens extrem interessiert (siehe oben). Schön, wenn es so ist, manchmal wirst du aber auch hierbei die eine oder andere Enttäuschung erleben.
Wenn du dich von dieser, zugegeben etwas überspitzten, Darstellung nicht schrecken lässt, ist dies schon mal der erste Schritt zu einer dennoch erfolgreichen Lesungs-Karriere.
Lesungen gibt es mittlerweile gerade in den größeren Städten wie Sand am Meer. Auf dem Lande ist das kulturelle Angebot meist etwas dünner gesät, jedoch hast du es hier auch etwas schwieriger, überhaupt einen geneigten Veranstalter zu finden.
Die großen Buchhandlungen und Bibliotheken picken sich gerne die Rosinen aus dem Autorenmüsli, sprich, sie buchen am liebsten solche AutorInnen, die bereits weithin bekannt sind und volle Häuser fast garantieren. Löbliche Ausnahmen bestätigen diese Regel aber glücklicherweise.
Wie aber findest du nun den richtigen Veranstalter?
Welche Möglichkeiten gibt es neben Buchhandel und Bibliothek noch?
Da ist Kreativität gefragt. Es hängt nämlich auch ein gutes Stück von dem Buch ab, das du geschrieben hast, welche Lokalitäten in Frage kommen.
Historische Romane werden gerne in Burgen oder an historischen Stätten vorgestellt, Krimis zuweilen in Leichenhallen, pathologischen Abteilungen von Krankenhäusern oder auf Polizeirevieren.
Auch Restaurants und Gaststätten lassen sich unter Umständen für eine Lesung gewinnen, wenn zum Buch vielleicht ein passendes Essen serviert werden kann. Ähnliches gilt für Winzer.
Mit etwas Phantasie wird man sicherlich geeignete Ansprechpartner finden.
Und wie geht es dann weiter?
Ein Termin wird vereinbart (das sollte nicht allzu schwierig sein) und das Honorar ausgehandelt und am besten gleich vertraglich (also schriftlich!) festgehalten.
Und hier treten dem einen oder der anderen Lesewilligen bereits die ersten Schweißperlen auf die Stirn. Honorare zu verhandeln ist nämlich nicht immer einfach. Allerdings sollte es für jede Autorin, für jeden Autor selbstverständlich sein, ein angemessenes Honorar zu fordern.
Lesungen sind Arbeit – harte Arbeit!
Und diese Arbeit muss bezahlt werden, ganz gleich mit welchen Gegenargumenten ein Veranstalter versucht, sich darum zu drücken oder das Honorar auf ein Minimum zu reduzieren.
Der Verband deutscher Schriftsteller (VS) in der ver.di empfiehlt schon seit Jahren ein Mindesthonorar von 300 Euro pro Lesung. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer, falls du dafür optiert hast, und natürlich die Spesen (Fahrtkosten, evtl. Übernachtung etc.)
An diesem Richtwert sollten sich auch Anfänger im Lesungsbetrieb orientieren. Verhandlungsspielraum gibt es natürlich immer, doch wenn du dich auf ein Honorar unter 150 Euro herunterhandeln lässt, solltest du dir überlegen, wie viel die Lesung dem Veranstalter insgesamt überhaupt wert ist und ob es Sinn macht, sich derart unter Wert zu verkaufen.
Abgesehen davon schadest du damit allen anderen AutorInnen, die ebenfalls versuchen, für sich ein angemessenes Honorar auszuhandeln. Lesungen sind für sehr viele Schreibende eine unverzichtbare Einnahmequelle!
Ohne Honorar zu lesen, sollte grundsätzlich abgelehnt werden.
Ausnahmen sind Benefizveranstaltungen, deren Einnahmen einem guten Zweck oder gemeinnützigen Verein zugute kommen.
Veranstalter, die sich darauf nicht einlassen wollen, gibt es zwar immer wieder, aber man muss sich die ehrliche Frage stellen, ob man dann nicht lieber auf die Veranstaltung ganz verzichtet. Das klingt hart, aber nur auf diese Weise erreichen wir, dass die Einsicht, dass Lesungen ganz normale Arbeit sind, die honoriert werden muss, von den Veranstaltern verinnerlicht wird.
Lesungen sind Dienstleistungen,
wenn man sich das vor Augen hält, fällt einem die Verhandlung des Honorars vielleicht nicht mehr ganz so schwer.
Was kannst du noch tun, um dich gut zu verkaufen?
Nun, zum Beispiel eine Lesung anbieten, die sich vom typischen „Autor sitzt am Tisch und liest“ abhebt. Hier ist wieder Kreativität gefragt. Wie kannst du deine Lesung aufwerten? Gibt es in deinem Buch ein spezielles Thema, zu dem du einen kleinen Vortrag halten oder gar einen Experten einladen kannst? Wie sieht es mit Kulissen, Kostümen, Accessoires oder musikalischer Untermalung aus? Aber Achtung, bei Untermalung mit Musik, sei sie nun live oder „aus der Konserve“, muss dies von Veranstalter bei der GEMA angemeldet und ggf. bezahlt werden! (Infos hierzu gibt es auf der Internetseite der GEMA.)
Und nun noch ein Punkt, der, obwohl er auf der Hand liegt, leicht vergessen oder ignoriert wird:
Wer Lesungen machen will, muss lesen können!
Damit ist nicht gemeint, Buchstaben aneinander reihen zu können. Das lernt man in der Grundschule, und ohne diese Vorkenntnisse dürfte es mithin schwergefallen sein, ein Buch zu verfassen.
Gemeint ist, vor Publikum so lesen zu können, dass selbiges nicht nach wenigen Sätzen in Gähnen oder gar Schnarchen verfällt. Betontes Lesen mit tragender Stimme, freies Sprechen vor Publikum, das sind Dinge, die vielen Menschen schwerfallen, die aber erlernbar sind.
Sprech- und Rhetorikkurse werden häufig an Volkshochschulen angeboten, und es lohnt sich wirklich, einen solchen aufzusuchen, wenn man nicht zufällig ein Naturtalent ist.
Viele Lesungen sind pure Folter für die Zuhörer und scheitern, weil die /der AutorIn zu leise, zu schnell, zu eintönig liest. Hin und wieder passiert auch das genaue Gegenteil: Um vermeintliche Effekte zu erzielen, wird zu laut oder übertrieben betont vorgelesen.
Hier hilft nur üben, üben, üben, gerne auch vor dem Spiegel im stillen Kämmerlein.
Die meisten AutorInnen lesen zu schnell.
Ob vor Aufregung oder aus Gewohnheit, sei dahingestellt. Das richtige Tempo ist dann erreicht, wenn man selbst das Gefühl hat, entsetzlich langsam zu lesen.
Atempausen sind wichtig,
deshalb empfiehlt es sich, diese im Text farbig zu markieren.
Bei der Gelegenheit kann man dann auch sehr gut den Blick vom Text heben und Augenkontakt zum Publikum herstellen. Mit einiger Übung geht das ganz leicht, und an die Stelle möglicher Hemmungen tritt die Erkenntnis, dass man auf diese Weise schnell mitbekommt, ob das Publikum „mitgeht“, also vom Text gefesselt ist, oder eher gelangweilt oder angestrengt dreinschaut.
Um sich das Ablesen des Textes zu erleichtern,
kann man diesen auch aus dem Manuskript kopieren bzw. aus dem fertigen Buch herausscannen und dann im Textverarbeitungsprogramm lesefreundlich und in angenehmer Schriftgröße gliedern.
Auch sollte man den Text, den man vorzutragen gedenkt, zu Hause so oft gelesen haben, dass man ihn gründlich kennt und nicht an schwierigen Stellen oder komplizierten Wörtern hängenbleibt. Das Publikum nimmt den einen oder anderen Versprecher zwar nicht übel, doch wirkt es allemal professioneller, wenn man mit dem eigenen Text vertraut ist. Insbesondere dann, wenn die Veröffentlichung schon einige Zeit zurückliegt und man vielleicht schon mit einem neuen Buchprojekt beschäftigt ist. Auch kann man auf diese Weise vorab schon üben, mit welcher Betonung der Text am spannendsten klingt.
Dauert eine Lesung länger als 30 Minuten, ist es sinnvoll, eine kurze Pause zu machen,
in der z.B. vom Veranstalter Getränke und/oder Häppchen gereicht werden können. Je nach Gesamtlänge der Veranstaltung kann die Pause fünf bis fünfzehn Minuten dauern.
„Was soll ich denn überhaupt lesen?“,
fragst du dich vielleicht. Das hängt von deinem Geschmack und der Art des Textes ab. Manchmal macht es Sinn, beim Anfang, also im ersten Kapitel, zu beginnen, ein andermal bietet es sich eher an, eine oder mehrere spannende oder interessante Szenen aus dem Mittelteil herauszugreifen. Du solltest jedoch darauf achten, dass, wenn du mehrere Szenen liest, du die Übergänge kurz erläuterst, damit das Publikum den Zusammenhang begreift. In der Regel ist es sinnvoll, nicht zu viele kleine Szenen auszuwählen, sondern eher wenige längere. Das Publikum will schließlich nicht verwirrt werden, sondern erfahren, worum es in deinem Buch geht.
Einen positiven Effekt
erreichst du immer, wenn du die Lesung an einer besonders spannenden oder aufregenden Stelle beendest, da dies natürlich bei den Zuhörern den Wunsch weckt zu erfahren, wie es weitergeht.
Ob du nach der Lesung noch die Möglichkeit anbietest, Fragen aus dem Publikum zu beantworten,
musst du selbst entscheiden. Meist haben auch die Zuhörer Hemmungen, vor anderen Menschen Fragen zu stellen, sodass es schon mal vorkommen kann, dass sich niemand traut, dich anzusprechen. In diesem Fall bietet es sich an, von sich aus etwas über sich, die Entstehung des Buches, die Recherche usw. zu erzählen.
Ein weiterer guter Kompromiss
ist es hier, dem Publikum anzukündigen, dass du im Anschluss an die Lesung gerne noch auf ein Glas Wein/Bier/Saft/Wasser bleibst und für Fragen und Gespräche offen bist.
Meist schließt sich an die Lesung auch noch die Möglichkeit für das Publikum an,
dein Buch käuflich zu erwerben und signieren zu lassen. Hierzu solltest du dir schon im Vorfeld ein paar kurze Standardsprüche überlegen, die du hierzu benutzen kannst. Das erspart dir das hektische Überlegen vor Ort. Auch ist es ratsam, sich die Namen derjenigen, denen du das Buch widmen sollst, buchstabieren oder auf einem Blatt Papier aufschreiben zu lassen, damit es beim Verfassen der Widmung keine Missverständnisse oder Fehler gibt.
Was ist sonst noch zu beachten, um sowohl beim Publikum als auch beim Veranstalter einen guten Eindruck zu machen?
Auch wenn es banal klingt, einige der folgenden Punkte scheinen nicht für alle AutorInnen selbstverständlich zu sein:
Komm persönlich zu deiner Lesung!
Das klingt merkwürdig, aber es ist schon vorgekommen, dass AutorInnen eben dies nicht taten,
sondern einen Schauspieler o. ä. schickten.
Der Veranstalter und das Publikum erwarten, dich zu sehen, dafür bezahlen sie schließlich!
Erscheine immer pünktlich,
am besten mindestens eine halbe Stunde vor der Lesung am Veranstaltungsort! Sollte dies aus irgendwelchen Gründen (Unfall, Stau etc.) nicht gelingen: Es gibt eine Erfindung, die nennt sich Telefon/Handy/Smartphone. Nutze sie!
Sei höflich, begrüße den Veranstalter per Handschlag und danke ihm für die Möglichkeit, bei ihm zu lesen.
Auch der örtliche Buchhändler und die anwesende Presse freuen sich über eine freundliche Begrüßung und ein paar nette Worte. Ebenso ggf. weitere AutorInnen, mit denen du gemeinsam lesen wirst.
Erscheine vollständig und ordentlich bekleidet bei der Lesung!
Erscheine nüchtern und ohne unter Drogeneinfluss zu stehen bei der Lesung!
Je nach Art der Beschallung vor Ort: Frage das Publikum, ob es dich gut verstehen kann. Falls nicht, sprich lauter!
Gleiches gilt, wenn man nicht gefragt hat, das Publikum jedoch durch „Lauter!“-Rufe auf sich aufmerksam macht.
Gib, bevor du zu lesen beginnst, einen kurzen Überblick über den Verlauf des Abends, sofern der Veranstalter es nicht bereits getan hat!
Bedanke dich vor der Lesung beim Publikum für sein Erscheinen!
Dabei spielt es keine Rolle, ob du vor zwei oder zweihundert Menschen liest.
Leg dich nicht mit dem Publikum an!
Es gibt immer Leute, die nörgeln oder alles besser wissen. Auch klingelnde Handys oder störende Kellner oder ähnliches können einem die Laune verderben. Nimm es mit Humor und zeige Niveau! Lautstarke Auseinandersetzungen, gleich mit wem, haben auf einer Lesung nichts zu suchen.
Halte dich an den Zeitplan, den der Veranstalter ausgearbeitet hat.
Dies ist nicht nur höflich, sondern im Falle, dass mehrere AutorInnen lesen sollen, auch fair.
Kaue kein Kaugummi vor, während und nach der Lesung!
Gleiches gilt für jedwede Art von anderem Essen.
Rauche nicht während der Lesung!
Bleibe bis zum Ende der Veranstaltung!
Dies gilt auch für den Fall, dass du zusammen mit anderen AutorInnen liest, auch wenn deine Lesung längst vorüber ist.
Bedanke dich am Ende der Lesung für die Aufmerksamkeit des Publikums!
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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