Historische Romane zu schreiben ist schwierig. Das heißt, der Schreibprozess an sich ist nicht wesentlich schwieriger als der jedes anderen Romans. Vielleicht mal abgesehen davon, dass man sich einer etwas anderen, der jeweiligen Epoche angepassten Sprache bedienen und dabei allzu moderne Ausdrücke und Redewendungen vermeiden muss.
Was wirklich schwierig und zuweilen anstrengend ist, beginnt schon weit vor dem ersten Satz im Manuskript: die Recherche.
“Wie recherchieren Sie?”, werde ich sehr häufig gerade auf Lesungen gefragt.
Ja, wie recherchiert man? Wie recherchiere ich?
Die erste Anlaufstelle, egal worum es sich handelt, ist heute das Internet. Das war nicht immer so. Für meine ersten zwei oder drei Romane habe ich es fast noch gar nicht oder nur sehr beschränkt genutzt. Heute sind die gängigen Suchmaschinen erste Wahl, um einen groben Überblick über ein Thema zu gewinnen.
Aber Vorsicht! Nicht alles, was im Netz steht, ist auch korrekt. Selbst in Wikipedia tummeln sich Halbwahrheiten und Fehler. Man muss schon sehr genau hinschauen und aufpassen, dass man nicht versehentlich einer Ente (wenn auch einer historischen) aufsitzt.
Der nächste Weg (wenn ich mir alles Relevante aus dem World Wide Web in Lesezeichen abgespeichert, in Dateien gesammelt und ggf. ausgedruckt habe, ist die Bibliothek meines Vertrauens. Sprich: die Stadtbibliothek Bad Neuenahr. Allerdings suche ich mir vorab bereits Literatur über das Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz und ähnliche bzw. angeschlossene Systeme passende Literatur und wo sie zu finden ist. Via Fernleihe über die Bibliothek in Bad Neuenahr lasse ich mir die jeweiligen Bücher dann kommen. Das sind, je nach Epoche und Thema, oft ganze Körbe voll, die Stapel sind dann meist tischhoch.
Dann geht sie los, die Leserei, das Kopieren von wichtigen Textstellen, Anmarkern noch wichtigerer Abschnitte auf den Kopien usw.
Aber meist reicht auch das noch nicht.
Alles, was man in Bibliotheken nicht findet, vor allem historische Originalquellen, Gerichtsakten, Karten, Verzeichnisse von Namen, Stadträten, Besitzurkunden uvm. findet man in Stadt- und Landesarchiven. Die Recherche dort kann man entweder vor Ort selbst ausführen oder man beauftragt einen der Archivare für ein Entgelt damit, die entsprechenden Dokumente zu finden und zu kopieren, soweit das erlaubt ist.
Wenn irgend möglich, fahre ich auch zu den Originalschauplätzen, um ein Gefühl für die Örtlichkeiten, die Atmosphäre, Entfernungen etc. zu bekommen. In der Vergangenheit habe ich dazu schon mehrfach Fotos hier im Blog veröffentlicht. Wenn sie euch interessieren, klickt euch mal durch die Rubrik Making-of hier im Blog oder auch durch meine Jubiläumsaktion.
Und wie lange dauert so eine Recherche?
Das ist verschieden. Für eine Reihe ist das erste Buch meist dasjenige, für das die Recherche die meiste Zeit braucht. Eine neue Epoche, ein neuer Schauplatz usw. müssen erst einmal erforscht werden. Bei Folgebänden sind es dann mehr die Details um den Plot selbst, die recherchiert werden müssen. Im Schnitt kann ich 6-12 Monate für die Recherche an einem historischen Roman rechnen.
Für Die Gewürzhändlerin war die Recherche ein wenig aufwendiger, obwohl es sich um den zweiten Band einer Trilogie handelt. Grund: Der Schauplatz wechselt von der Burg Kempenich zur Stadt Koblenz. Letztere spielt zwar in einigen Sequenzen der Eifelgräfin auch schon eine Rolle, aber eher untergeordnet. Für die Gewürzhändlerin musste ich also den Schauplatz vollständig recherchieren. Glücklicherweise ist die Koblenzer Geschichte sehr gut dokumentiert. Ich habe sogar viel mehr Informationen gefunden, als ich jemals verarbeiten könnte. Und damit kommen wir zum nächsten “Problem”.
Was passiert, wenn man fertig recherchiert hat?
Zunächst einmal: Man hat nie fertig recherchiert. Weder vor, während noch nach Fertigstellung eines Romans. Zumindest geht es mir so. Ich finde ständig neue interessante Details zu meinen Geschichten, selbst wenn sie längst zwischen zwei Buchdeckeln verewigt wurden.
Was macht man also? Man hört irgendwann auf, gezielt nach Informationen zu suchen. Es sei denn, man benötigt während des Schreibens plötzlich vollkommen neuen Input, weil sich Handlungsstränge so entwickelt haben, das nachrecherchiert werden muss.
Die Kunst ist es nun, aus dem Wust an Daten und Fakten nur das herauszufiltern, was man für den Plot wirklich benötigt. Und das sind oft weniger als 10 Prozent dessen, was man sich in mühsamer Arbeit angeeignet hat.
Klingt heftig? Ist es auch.
Ich schreibe historische Romane, keine Geschichts(sach)bücher. Also muss ich die Fiktion mit den historischen Fakten mischen, verknüpfen, zu einem Gesamtbild verweben. Dass nur so wenig der Gesamtrecherche sichtbar in einen Roman einfließt, bedeutet aber nicht, dass die übrige Recherche für den Mülleimer ist. Im Gegenteil!
Immer wieder erreicht mich Feedback von Lesern, die bewundern, wie leicht sie in die jeweilige Epoche, in die Lebens- und Gefühlswelt der Figuren meiner historischen Romane eintauchen können. Wie viel sie über die Menschen der jeweiligen Zeit, über ihr Denken, Fühlen, ihr Umfeld, die Gerüche, den Geschmack von Speisen, die Kleidung, einfach alles, was ein Zeitalter ausmacht, lernen. Ganz nebenbei. Ohne erhobenen Lehrerfinger. Manchmal ohne es wirklich zu bemerken. Einfach so beim Lesen einer spannenden Geschichte.
Um diesen Effekt zu erreichen, MUSS ich all das, was ich zu meinem aktuellen Manuskript recherchiert habe – und auch alles, was ich jemals zuvor an Informationen zusammentragen konnte – wissen, kennen, abgespeichert haben. Nur so kann ich beim Beschreiben einer Szene automatisch darauf zurückgreifen, es verarbeiten, einfließen lassen. Und das möglichst so, dass es nicht als Infodumping empfunden wird, sondern sich organisch und natürlich aus der Handlung heraus ergibt bzw. erklärt. Das ist die wahre Schwierigkeit beim Schreiben historischer Romane.
Im Folgenden habe ich euch eine kleine Fotostrecke zusammengestellt mit Bildern der Recherchematerialien, die mich beim Schreiben der Gewürzhändlerin stets begleitet haben. Die tischhohen Bücherstapel kann ich leider nicht mehr zeigen, dafür aber jede Menge Papier mit der Quintessenz aus jenen Stapeln.
Durch die Fotos habt ihr jetzt vielleicht einen winzigen Eindruck davon gewonnen, mit wie viel Akribie ich meine historischen Romane, in diesem Fall Die Gewürzhändlerin, recherchiere bzw. recherchiert habe. Aber wie oben bereits angedeutet, sind es nicht nur der Schauplatz und die Details eines Plots, die ich als Autorin kennenlernen muss, sondern auch das ganze Drumherum.
Was ich sonst noch alles wissen muss, um einen guten historischen Roman zu schreiben:
Wie haben die Menschen im späten Mittelalter gelebt, geliebt, wie sind sie geboren worden und gestorben? Wie haben sie sich gekleidet, wie war die Hygiene? Im Gegensatz zur landläufigen Meinung habe ich gerade dazu Überraschendes herausgefunden und im Roman auch verarbeitet.
Was und wie hat man gekocht und gegessen? Wie war die Ehe geregelt, wie die Stellung von Mann und Frau in den verschiedenen Bevölkerungsschichten? Auch hierzu gibt es in all meinen Romanen viel zu entdecken, das wir so im Schulunterricht nicht gelernt haben.
Handwerk, Gewerbe, Medizin, Wissenschaft, Religion, Gerichtsbarkeit (weltlich und kirchlich) und vieles vieles mehr muss ich über eine Epoche wissen, wenn ich sie glaubhaft darstellen will.
Einen Großteil dieser Informationen kann ich natürlich auch für andere Romane verwenden, die in der gleichen Epoche angesiedelt sind. Und immer wieder, von Buch zu Buch, sammele ich neue Erkenntnisse und erweitert sich mein Horizont.
Einen kleinen Überblick dessen, was ich als Handbibliothek zum Thema spätes Mittelalter (und Renaissance) stets griffbereit in meinem Bücherregal stehen habe, könnt ihr auf den folgenden Fotos sehen. Und ja, wenn man diese Bücher übereinander legen würde, reichte der Stapel auch bis zur Tischkante (oder sogar darüber hinaus).
Was aus all den Daten und Fakten schließlich in der Gewürzhändlerin gelandet ist, findet ihr am besten heraus, indem ihr das Buch lest. ;-) Wer aber gerne noch mehr über die historischen Hintergründe erfahren möchte, dem lege ich meinen (ständig wachsenden) YouTube-Kanal ans Herz. Dort gibt es auch eine Playlist mit Videos, hauptsächlich Dokumentationen, die den geschichtlichen Hintergrund des Romans aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.
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Und wer gerne historisch passende Musik hören möchte, während er den Roman liest, der schaue sich mal in der dazu passenden Playlist mit mittelalterlicher Musik um.
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Die Gewürzhändlerin
Petra Schier
Rowohlt-Taschenbuch + eBook, 543 Seiten
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Informationen, Leseprobe, Shop-Links uvm. findet ihr auf meiner HOMEPAGE.
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
Toll Petra.
Danke für’s Teilen. Es ist immer wieder sehr spannend – und lehrreich – zu sehen, wie die Kollegen arbeiten und welche Tipps sie haben.
Dir weiterhin viel Erfolg.
Liebe Grüße
Elli
Danke, liebe Elli! :-)
Liebe Petra,
mir ist bewusst, dass ein guter historischer Roman viel Arbeit macht. Deshalb bewundere ich jeden Autor/jede Autorin, der/die den Rechercheaufwand auf sich nimmt, um ein fundiertes Ergebnis vorzulegen. Das ist die eine Seite, der korrekte Hintergrund. Dann will die Geschichte ja noch mit Leben gefüllt werden. Letzten Ende soll sie uns Lesern gefallen. Denn das ist schließlich der Lohn für all die Mühe.
Also Hut ab, dass du immer wieder dieses Wagnis auf dich nimmst.
Allerbeste Grüße
Anke
Liebe Anke,
das würde ich nicht tun, wenn es nicht auch Spaß machen würde. Und vorläufig tut es das auch noch. :-D Ideen für neue Geschichten sind jedenfalls genügend vorhanden.
Liebe Grüße
Petra