Es wird mal wieder Zeit für einen Textschnipsel zum neuen Rodderbach-Roman. Leider kann ich euch noch immer nicht das wunderschöne Cover zeigen, weil es noch einmal in einem kleinen Detail überarbeitet wird. Sobald es fertig ist, dürfte das dann einen eigenen Blogartikel wert sein, meint ihr nicht auch? Bis dahin dürft ihr aber zunächst einmal erneut ein wenig in den Roman hineinschnuppern.
Herausgesucht habe ich euch hierzu das erste Zusammentreffen der beiden Hauptfiguren Larissa und Holger aus seiner Perspektive.
Aus dem 4. Kapitel
Als die beiden Frauen die Werkstatt betraten, war es Holger gerade endlich gelungen, die festsitzende Mutter zu lockern. Sorgsam drehte er sie los, wischte sie sauber und musterte sie eingehend. Dann legte er sie zu den anderen auf das Tablett und trat hinter dem aufgebockten Traktor hervor. »Tag Jessie. Vielen Dank, dass du mich deiner Freundin derart unvorteilhaft vorgestellt hast. Ich weiß gleich gar nicht, ob ich mich geehrt fühlen oder beleidigt sein soll.«
»Stets gerne zu Diensten, vielgeliebter Bruder.« Jessica prustete aus unerfindlichem Grund los. »So viel zum Thema Charme.«
»Ha, ha.« Da nun auch die Begleiterin seiner Schwester sichtlich ein Lachen unterdrücken musste, warf er Jessie einen strafenden Blick zu, wandte sich dann aber sogleich neugierig der Besucherin zu. Mittelgroß, schlank, hübsches honigblondes Haar, graublaue Augen. Nicht bildschön auf den ersten Blick, aber durchaus höchst attraktiv auf den zweiten, konstatierte er bei sich. Vermutlich der neue Dauergast seiner Mutter, also tabu hinsichtlich jeglicher romantischen Annäherung. Dieses Versprechen hatte er seiner Mutter schon vor Jahren geben müssen: Von weiblichen Feriengästen hatten er und seine Brüder sich tunlichst fernzuhalten. Zumindest wenn sie nur auf einen unverbindlichen Flirt aus waren. Gebrochene Herzen und Ferienstimmung passten nicht gut zusammen, so Erika Mahlers Philosophie. Holger war mit dieser Regelung einverstanden, denn auf die meist sowieso eher magere Auswahl an Feriendomizilbewohnerinnen war er ganz sicher nicht angewiesen, wenn ihm nach anregender Gesellschaft zumute war.
Entschlossen, sich dennoch von seiner besten Seite zu zeigen, immerhin war er ein höflicher Mensch, trat er auf die Frau zu und wischte sich gleichzeitig die Hände an seiner fleckigen Arbeitshose sauber, bevor er ihr die Rechte entgegenstreckte. »Holger Mahler. Willkommen auf dem Lärchenhof.«
»Larissa Weiß.« Ihm fiel auf, dass sie einen Moment zögerte, bevor sie seine Hand ergriff. Woran das wohl lag? Gegen seinen Willen war sein Interesse geweckt.
»Die Schriftstellerin«, stellte er fest, was er sich bereits gedacht hatte. Ihre Ankunft hatte sich natürlich längst in der gesamten Familie Mahler herumgesprochen. »Irgendwie hatte ich Sie mir anders vorgestellt.«
»Ach, und wie?«
Holger betrachtete sie eingehend und bemerkte, dass sie seinem Blick auswich. War sie schüchtern? »Nicht ganz so hübsch, mehr in Richtung langweiliger Bücherwurm, würde ich sagen.« Er zwinkerte ihr versuchsweise zu, doch sie reagierte nur, indem sie den Blick gleich wieder senkte.
Jessica schnaubte tadelnd. »Es fängt schon an.« Sie schüttelte sich übertrieben. »Was weißt du schon von Schriftstellerinnen, Holger? Du liest doch kaum jemals ein Buch.«
»Nicht viel, aber das lässt sich nun ja ändern, nicht wahr?« Er sah seine jüngere Schwester übertrieben vielsagend an, weil er wusste, dass er sie damit ärgern konnte.
»Untersteh dich!« Sie legte Larissa wie zum Schutz eine Hand auf den Arm. »Gehen wir. Ich habe euch bekannt gemacht, das muss erst mal reichen. Wir sollten uns aus dem Staub machen, ehe Holgers Charme an Fahrt aufnimmt. Ich weiß zwar nicht, was die Frauen an ihm finden …«
»Freches Gör!« Holger machte einen Schritt auf Jessica zu und tat, als wollte er nach ihr greifen.
Lachend sprang sie zurück. »Und schneller warst du auch schon mal, Brüderlein fein.« Sie tippte sich an die Stirn. »Schöner übrigens auch.« Damit machte sie einfach kehrt und verließ mit ausholenden Schritten die Werkstatt.
Larissa sah Jessica kurz nach, dann wandte sie sich sichtlich verunsichert wieder an Holger. »Ich werde dann auch mal reingehen.«
Holger lächelte ihr noch einmal freundlich zu. »Hat mich gefreut.«
»Gleichfalls.« Sie nickte ihm kurz zu, machte eilig kehrt und ließ ihn stehen.
Er folgte ihr mit Blicken, bis sie durch die Haustür verschwunden war, und überlegte dabei, ob es sich lohnen würde, Larissa Weiß aus der Reserve zu locken. Hässlich war sie jedenfalls nicht, und es reizte ihn herauszufinden, was hinter ihrer offensichtlichen Reserviertheit steckte. Die Tatsache, dass sie ausgesprochen spannende und auch durchaus leidenschaftliche Romane zu verfassen wusste, ließen jedenfalls auf noch andere Seiten an ihr schließen, die nicht mit dem ersten Eindruck, den er von ihr gewonnen hatte, zusammenpassen wollten. Entgegen Jessicas Behauptung hatte Holger nämlich sehr wohl schon den einen oder anderen Blick in Larissas Bücher geworfen und sich dabei regelmäßig festgelesen. Warum sollte er also nicht nett zu ihr sein und sehen, was sich daraus ergeben mochte? Mehr hatte er auch überhaupt nicht vor, denn die Warnung seiner Mutter, was ihm widerfahren würde, falls er sich nicht an ihre Abmachung bezüglich weiblicher Feriengäste hielt, war durchaus ernst zu nehmen. Und eigentlich war er doch gar kein so ein übler Kerl. Er war kein Kostverächter, legte es aber nicht darauf an, mit allem, was weiblich war, anzubandeln. Eher war er auf der Suche – wonach, wusste er allerdings selbst nicht so genau. Wenn er es – oder sie – gefunden hatte, würde er das schon erkennen.
Als er sich wieder dem Motor zuwandte, fiel sein Blick zufällig in den ovalen Außenspiegel des Traktors. Quer über seine Stirn verlief ein breiter schwarzer Ölstreifen. Schmunzelnd wischte er mit dem Ärmel seines Pullovers darüber, verschmierte den Fleck jedoch nur noch mehr. Also verzichtete er auf einen weiteren Reinigungsversuch und widmete sich wieder seiner Arbeit.
Wie gefällt euch dieser Textschnipsel? Schreibt mir doch eure Eindrücke in die Kommentare und alles, was euch dazu sonst noch einfällt.
Willkommen in Rodderbach: Frühlingsmorgen
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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