Das Leben der Menschen im Kreis Ahrweiler und in den angrenzenden Flutkatastrophengebieten hat sich für immer nachhaltig verändert. Auch das meine, und dabei bin ich nicht einmal direkt betroffen. Zumindest nicht in dem Sinne, dass ich Haus und Hof verloren oder auch nur Schlamm und Wasser im Keller gehabt hätte.

Und dennoch ist seit inzwischen über einer Woche alles anders. Es wird auch niemals mehr so werden wie zuvor. Das ist gar nicht möglich. Diese Sintflut oder Apokalypse, wie dieses Jahrtausend-Ahrhochwasser mittlerweile genannt wird, hat so vieles unwiederbringlich zerstört. Nicht nur Häuser, Straßen und Brücken, sondern auch Leben und Lebenswerke.

Ein bisschen müde bin ich heute.

Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich hier schreibe, dass ich müde bin. Angestrengt. Denn da draußen sind so viele Menschen, denen es so viel schlimmer ergeht als mir. Die nichts mehr haben. Die Tag und Nacht schuften, um sich von Schlamm, Dreck, Wasser und dem zu befreien, was von ihrer Habe noch übrig, jedoch für immer zerstört ist.

Ich will mich auch nicht beschweren, nicht herumjammern, denn das ist nicht meine Art. Ich beschreibe nur gerade, wie sich mein Kopf anfühlt … und auch mein Körper. Ich bin voll von schrecklichen Bildern, die ich nie vergessen werde, aber auch von wunderbaren Erfahrungen und Nachrichten über Menschen, die selbstlos alles stehen und liegen lassen und von zum Teil weither kommen, um den Betroffenen hier zu helfen. Von Lagern voller Sachspenden und Spendenkonten voller Geld.

Ich bin einfach voll. Zu. Brauche Ruhe, um wieder zu mir zu kommen.

Ein bisschen Normalität, von der ich vergangene Woche bereits schrieb, tut sicherlich auch gut. Am Wochenende habe ich mein Haus geputzt. Eine nervige Arbeit, aber diesmal habe ich sie zugleich mit Dankbarkeit ausgeführt. Hey, dachte ich, du hast wenigstens noch ein Haus, das du putzen kannst. Einen Garten, in dem das Unkraut sprießt. Einen Hund, er mich immer wieder daran erinnert, dass auch die kleinen Lacher großes bewirken können.

Apropos Hund.

Arthos ist auch müde. Und verwirrt. Seit fast zwei Wochen hatte er keinen geregelten Tagesablauf mehr. Schlimmer noch: Herrchen und Frauchen waren zwar zu Hause, aber dennoch dauernd weg. Auf Achse, um hierhin und dorthin zu hasten, um Kleiderspenden zu sortieren oder Lebensmittel und Hygieneartikel in der Kirche aufzustapeln. Um Dinge zu organisieren. Um zu helfen. Dabei kam der Hund viel zu kurz. Immer bloß rasch mit ihm raus. Mal fünf, mal zehn Minuten. Selten viel länger.

Er hat es ganz brav ertragen, denn offenbar hat er genau gespürt, dass etwas nicht stimmt.

Doch jedes Mal, wenn ich dann doch mal für ein paar Minuten irgendwo saß, kam er zu mir, krabbelte hinter mir auf den Stuhlsitz (das macht er sonst nur morgens) oder legte seinen Kopf auf mein Knie (siehe unten) und blieb dabei ganz still, ganz ruhig. Wer Arthos kennt, weiß, dass er sonst eher nicht zur Sorte ruhig und kuschelig gehört. Doch in den letzten Tagen war er sehr anhänglich und sanft. Zumindest zu uns. Besucher mag er nach wie vor nicht, nur damit wir uns verstehen. ;-)

Heute war der erste Tag nach der Katastrophe, an dem Herrchen wieder normal zur Arbeit gefahren ist und Frauchen sich morgens wie gewohnt an den PC gesetzt hat. Und Arthos war müde. Ist er immer noch. Son ganz traut er dem Frieden wohl noch nicht.

Mir geht es ähnlich, ganz abgesehen davon, dass ich längst noch nicht auf voller Kraft arbeiten kann. Vielleicht so 50-60 Prozent. Mehr geht noch nicht. Lange Pausen dazwischen. Doch so ganz allmählich fange ich an, mich wieder aufs Schreiben zu freuen. Details aus meinen geplanten oder in Arbeit befindlichen Manuskripten spülen an die Oberfläche und geben mir ein gutes Gefühl. Na ja, ein etwas besseres. Gut wird es wohl erst so nach und nach wieder.

Wir sind hier alle traumatisiert. Nicht nur die, die direkt betroffen sind, sondern wir alle – auf die eine oder andere Weise. Es wird ein Weilchen brauchen, um damit fertigzuwerden. Meine Geschichten werden mir ganz sicher dabei helfen, ebenso wie die vielen lieben Worte von euch da draußen, die mir wirklich guttun.

Derweil scheint die Sommersonne, während ich dies hier schreibe. Auf dem Foto oben (von heute Mittag) seht ihr es ebenfalls. Die Vögel singen. Der Bach, zurück in seinem angestammten Bett, gluckst fröhlich vor sich hin.

Ganz so, als sei nichts geschehen.

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