In diesem Blogartikel erkläre ich euch, was eine Risikoanalyse überhaupt ist und wozu sie gut sein soll, für welche Selfpublishing-Produkte eine Risikoanalyse im Rahmen der Europäischen Produktsicherheitsverordnung (GPSR) durchzuführen ist und in welchem Umfang. Dabei stelle ich die Herstellung von selbst publizierten Büchern (und anderen Artikeln) der im Print on Demand-Verfahren gegenüber und gehe auf die wesentlichen Unterschiede ein.
Inhalt dieses Artikels
Was ist eine Risikoanalyse und wozu ist sie gut?
Ein paar grundlegende Tipps vorab
Für welche Produkte muss eine Risikoanalyse durchgeführt werden?
Gegenüberstellung: Auflagendruck und eigener Vertrieb vs. Veröffentlichen im PoD-Verfahren
Was ist eine Risikoanalyse und wozu ist sie gut?
Eine Risikoanalyse im Rahmen der Europäischen Produktsicherheitsverordnung (EU 2023/988) ist ein Prozess, bei dem Herstellerinnen und Hersteller – dazu gehören auch Selfpublisherinnen und Selfpublisher – prüfen, ob ein Produkt sicher für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist. Dabei geht es darum, mögliche Gefahren zu erkennen, die vom Produkt ausgehen könnten. Diese Gefahren muss man bewerten und dann geeignete Maßnahmen ergreifen, um Risiken zu minimieren oder zu vermeiden.
Das Hauptziel ist, sicherzustellen, dass ein Produkt keine Schäden oder Verletzungen verursacht, wenn es wie vorgesehen verwendet wird – oder auch, wenn es auf eine vorhersehbare Weise falsch verwendet wird.
Das klingt erst mal total schwierig und im Hinblick auf die Maßnahmen sogar teilweise unmöglich. Aber immer mit der Ruhe, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich bin sicher, dass ihr die meisten Punkte (mal abgesehen von der schriftlichen Dokumentation) sowieso ganz alltäglich beherzigt. Ihr müsst sie jetzt nur zusätzlich aufschreiben und abspeichern.
Wie funktioniert so eine Risikoanalyse?
Im Grunde besteht die Analyse aus drei einfachen Schritten, die logisch aufeinander aufbauen.
Gefahren erkennen
Überlegt euch, welche Risiken das Produkt haben könnte. Zum Beispiel: Ist es brennbar? Könnte es gesundheitsschädliche Stoffe enthalten? Gibt es scharfe Kanten?
Risiken bewerten
Nun müsst ihr einschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass diese Gefahren auftreten, und wie schlimm die Folgen wären. Ein kleiner Kratzer ist weniger schlimm als eine Brandgefahr.
Ihr müsst Maßnahmen festlegen, mit denen ihr diese Risiken minimiert oder eliminiert
Findet heraus, wie man diese Gefahren vermeiden oder verringern kann. Zum Beispiel durch bessere Materialien, Warnhinweise oder Sicherheitsprüfungen.
Ein einfaches Beispiel:
Wenn ihr ein Buch veröffentlicht, könnte die Risikoanalyse bzw. ein Teil davon, denn es können ja durchaus mehrere verschiedene Risiken bestehen, folgendermaßen aussehen:
Gefahr
Manche Leute könnten sich an den scharfen Kanten des Buchpapiers schneiden.
Bewertung
Das passiert selten und hat nur geringe Folgen (kleine Wunden).
Maßnahme
Ihr entscheidet euch, Papier mit glatteren Kanten zu verwenden, um das Risiko zu minimieren.
Warum ist die Risikoanalyse wichtig?
Die augenzwinkernde Antwort könnte lauten: Weil die EU es so will. Tatsächlich geht es aber um die Verbrauchersicherheit, die wir, denke ich, alle zu schätzen wissen, denn sie betrifft uns ja schließlich auch selbst. Wenn wir aber Nutznießende dieses Schutzes sind, sollte uns klar sein, dass wir, sobald wir selbst Produkte herstellen (lassen) und in den Handel bringen, ebenfalls für diese Sicherheit verantwortlich sind, damit andere Menschen unsere Produkte (Bücher, Werbemittel usw.) sicher nutzen können.
Eine Risikoanalyse …
… schützt Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gefahren.
… hilft euch, rechtliche Vorgaben einzuhalten.
… zeigt, dass ihr eure Verantwortung als Herstellerin oder Hersteller ernst nehmt.
Eine Risikoanalyse ist also wie ein Sicherheitscheck, um sicherzustellen, dass euer Produkt für alle sicher ist! Nicht mehr und nicht weniger.
Und nun geht es ans Eingemachte!
Ein paar grundlegende Tipps und Hinweise vorab
Legt euch auf eurem Computer einen eigenen, leicht zu findenden Ordner für die Produktsicherheit aller eurer Bücher, eBooks, Hörbücher und Merchandise-Artikel an.
Erstellt Unterordner für die verschiedenen Produktarten sowie für Zertifikate und Nachweise von Produktions- und Vertriebspartnern.
Nutzt Vorlagen in Word oder Excel, in denen ihr alle relevanten Punkte für jedes Produkt festhaltet, sodass ihr im besten Falle für jedes neue Buch oder Werbemittel nur noch mit Copy&Paste die Daten einfügen und ggf. auf die jeweiligen Gegebenheiten anpassen könnt. In diesem Leitfaden habe ich einen Downloadbereich mit Mustervorlagen eingerichtet.
Hinweis
Beachtet aber bitte, dass diese Vorlagen kein Ersatz für eine rechtliche Beratung darstellen und auch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit erheben. Es sind lediglich Hilfestellungen, die ich selbst beim Erstellen meiner Risikoanalysen verwende. Informiert euch genau, welche Risiken jeweils auf euer Produkt zutreffen und bewertet diese selbst.
Erstellt Sicherheitskopien des gesamten Produktsicherheitsordners, am besten auf externen Festplatten und/oder in einer Cloud, die regelmäßige Updates erhalten, damit ihr im Falle eines Computercrashs weiterhin auf die Daten zugreifen könnt.
Die schriftliche Dokumentation der Risikoanalyse muss mindestens 10 Jahre lang aufbewahrt werden, so ist es in der GPSR vorgeschrieben.
Für welche Produkte muss eine Risikoanalyse durchgeführt werden?
Die Antwort hierauf ist zunächst einmal einfach: Für alle Produkte, die ihr herstellen lasst und in den Handel bringt, müsst ihr eine Risikoanalyse durchführen und schriftlich festhalten.
Bücher
Merchandise-Artikel bzw. Werbemittel aller Art
Hörbücher, die auf CD produziert und in den Handel gebracht werden
Für eBooks und Hörbücher, die rein digital angeboten werden, ist eine Risikoanalyse nicht verpflichtend, da Digitalprodukte in aller Regel nicht durch die Europäische Produktsicherheitsverordnung abgedeckt werden.
Ausnahme: Die Verordnung ist dann auch auf Digitalprodukte anzuwenden, wenn von diesen eine erhöhte Gefahr für Verbraucherinnen und Verbraucher ausgehen könnte, zum Beispiel durch implementierte Malware, Virenbefall und dergleichen.
Ich habe mich entschieden, in diesem Leitfaden (Link) auch einen Punkt einzufügen, unter dem ich die Risikoanalyse für rein digitale eBooks und Hörbücher beschreibe, denn 1. macht diese Analyse nicht sehr viel Arbeit (das Meiste kann, wenn einmal angelegt, mit Copy&Paste für jedes neue eBook oder Hörbuch angelegt werden) und 2. können die Daten, die hierzu erhoben werden, in anderen Situationen hilfreich sein, zum Beispiel, wenn weitere EU-Verordnungen verabschiedet werden, für die diese Daten relevant sein könnten, wie die geplante neue Produkthaftungsverordnung.
Grundsätzlich gibt es Unterschiede im Umfang der Risikoanalyse und in den Verantwortlichkeiten, je nach Art des Produktes oder des Herstellungs- und Vertriebsweges. Bei Büchern, die ihr selbst drucken lasst und vertreibt (im eigenen Shop, über eine Verlagsauslieferung und/oder über Barsortimente), seid ihr für alle Herstellungsprozesse verantwortlich und müsst jeden Aspekt in der Risikoanalyse festhalten. Ebenso verhält es sich bei Hörbüchern, die ihr auf CD produzieren lasst und vertreibt.
Bei Büchern, die im PoD-Verfahren veröffentlicht werden, braucht ihr nur eine eingeschränkte Risikoanalyse durchzuführen, weil der PoD-Dienstleister in der Regel für die Produktsicherheit und entsprechende Risikoanalyse verantwortlich ist.
Bei eBooks und Hörbüchern, die rein digital angeboten werden, ist die Risikoanalyse aufgrund der geringen Risiken nicht verpflichtend, aber sinnvoll und sehr einfach und überschaubar.
Wenn ihr aber Merchandise-Produkte bzw. Werbemittel vom Lesezeichen bis zur Tasse, vom T-Shirt bis zum Adventskalender, vom Notizbuch bis zum Brillenputztuch usw. produzieren lasst und verschenkt, verlost oder verkauft, gilt für diese Produkte dieselbe Pflicht zur ausführlichen Risikoanalyse wie für selbst gedruckte und vertriebene Bücher.
Gegenüberstellung: Auflagendruck und eigener Vertrieb vs. Veröffentlichen im PoD-Verfahren
Ihr lasst eure Bücher selbst drucken und vertreiben
Wenn ihr Bücher selbst drucken lasst und vertreibt, gilt ihr als Hersteller und Händler. Eure Pflichten sehen demnach folgendermaßen aus:
Ihr müsst die Produktsicherheit gewährleisten
Ihr seid direkt dafür verantwortlich, dass die gedruckten Bücher den Anforderungen der Produktsicherheitsverordnung entsprechen.
Ihr müsst die Sicherheit der verwendeten Materialien (z. B. Papier, Druckfarben) prüfen und sicherstellen, dass diese keine Gefährdung für Verbraucher darstellen.
Ihr müsst eine Risikobewertung (= Risikoanalyse) durchführen.
Eine eigene Risikoanalyse ist verpflichtend. Ihr müsst potenzielle Gefährdungen (mechanische, chemische, thermische und ggf. inhaltliche) bewerten und Maßnahmen zur Risikominderung dokumentieren.
Ihr müsst die Rückverfolgbarkeit sicherstellen.
Der Name und die Anschrift der Druckerei sowie eure eigenen Kontaktdaten müssen im Buch oder dessen Verpackung angegeben werden, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.
Ihr müsst den Kennzeichnungspflichten nachkommen.
Neben eurem Namen und eurer Adresse müsst ihr eventuell Warn- oder Nutzungshinweise (z. B. bei empfindlichen Materialien, verschluckbaren Teilen oder inhaltlicher Natur, z.B. bei Ratgebern) sowie rechtliche Informationen im Impressum angeben.
Marktüberwachung und Rückruf obliegen euch
Im Falle von Sicherheitsmängeln müsst ihr eigenständig mit den Behörden zusammenarbeiten, geeignete Maßnahmen ergreifen (z. B. einen Rückruf) und die betroffenen Produkte aus dem Verkehr ziehen.
Vorteil: Ihr habt die vollständige Kontrolle über die Produktion und Qualität eurer Bücher.
Nachteil: Ihr tragt die volle Verantwortung für die Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben, was zeitaufwendig und kostenintensiv sein kann.
Ihr veröffentlicht im Print-on-Demand (PoD) über Dienstleister/Distributor
Wenn ihr das Print-on-Demand-Verfahren nutzt, wird der Dienstleister oder Distributor zum Hersteller im rechtlichen Sinne. Eure Rolle hinsichtlich der Produktsicherheit verändert sich dadurch erheblich, aber ganz raus aus der Sache seid ihr trotzdem nicht. Die Sache sieht für euch dann folgendermaßen aus:
Ihr gebt bestimmte Verantwortungen ab.
Der Dienstleister (z. B. Amazon KDP, BoD, Tolino, epubli, Bookwire usw.) übernimmt in der Regel die Verantwortung für die Produktsicherheit, da er für die Herstellung und den Vertrieb des physischen Produkts verantwortlich ist.
Der PoD-Dienstleister sorgt für die Rückverfolgbarkeit, da er mit den Druckereien direkt zusammenarbeitet, und führt die Risikoanalyse durch.
Es verbleiben dennoch die folgenden Pflichten bei euch:
Ihr seid weiterhin für die Inhalte verantwortlich, d. h. ihr müsst sicherstellen, dass keine urheberrechtlichen oder rechtlichen Verstöße in eurem Buch vorliegen.
Ihr müsst keine eigene Risikoanalyse für die physischen Eigenschaften der Bücher (z. B. Papier, Druckfarben) durchführen, da dies in den Aufgabenbereich des PoD-Dienstleisters fällt.
ABER: Eine grundlegende oder Basis-Risikoanalyse müsst ihr dennoch durchführen.
Die Rückverfolgbarkeit der Produktionskette muss im Impressum sichergestellt werden.
Ihr könnt auf den Distributor/Dienstleister hinweisen, da dieser die Druckerei verwaltet. Ein Hinweis wie „Dieses Buch wurde im Print-on-Demand-Verfahren über [Dienstleister] hergestellt“ ist ausreichend.
Beachtet hierzu bitte die Angaben, die euer jeweiliger Dienstleister zu diesem Punkt zur Verfügung stellt. Zum aktuellen Zeitpunkt (19.12.2024) hat zum Beispiel Tolino Media bereits auf der Website klargestellt, dass ihr, wenn ihr dort veröffentlicht, keine Hinweise auf die Produktsicherheit ins Impressum aufnehmen müsst, da die Druckerei dies bereits automatisch übernimmt. Die Quelle hierzu findet ihr hier sowie in den Quellenangaben und weiterführenden Links.
Andere PoD-Anbieter werden wahrscheinlich in absehbarer Zeit ähnliche Regelungen treffen und verlautbaren. Recherchiert also bitte hierzu selbst bei eurem Anbieter oder fragt dort nach, wie dies im Einzelnen gehandhabt wird.
Ihr müsst keine direkte Marktüberwachung durchführen.
Im Falle eines Rückrufs oder eines Problems wird der Dienstleister für den Kontakt mit Behörden verantwortlich sein.
Vorteil: Weniger administrative und rechtliche Belastung, da viele Pflichten auf den PoD-Dienstleister übergehen.
Nachteil: Weniger Kontrolle über die Druckqualität oder die genauen Herstellungsbedingungen.
Zusammenfassung der Unterschiede
Aspekt | Selbst drucken und vertreiben | Print-on-Demand über Dienstleister |
Produktsicherheit | Direkte Verantwortung | Verantwortung liegt beim PoD-Dienstleister |
Risikobewertung | Muss vom Selfpublisher durchgeführt werden | Wird vom PoD-Dienstleister abgedeckt |
Rückverfolgbarkeit | Name der Druckerei und eigene Daten erforderlich | Hinweis auf den PoD-Dienstleister reicht |
Marktüberwachung und Rückruf | Eigenverantwortung | Verantwortlichkeit liegt beim PoD-Dienstleister |
Kontrolle über Produktion | Vollständig | Eingeschränkt |
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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