Wie bewerte ich, ob ein Risiko bei einem Buch oder sonstigen Produkt gering, mittel, hoch oder sehr hoch ist?
Ob ein Risiko bei einem Buch, Lesezeichen, einer Tasse oder irgendeinem anderen Werbemittel gering, mittel, hoch oder sehr hoch ist, bewertet man durch eine Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. Diese Risikobewertung wird oft in einer Risikomatrix dargestellt, die eine systematische Bewertung ermöglicht.
Im Folgenden erkläre ich, wie solche eine Risikobewertung mittels Risikomatrix erstellt wird und wie sie aufgebaut ist:
1. Ihr müsst die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmen
Überlegt euch, wie wahrscheinlich es ist, dass das Risiko tatsächlich eintritt.
Nutzt dazu am besten eine Skala, die zum Beispiel folgendermaßen aussehen könnte:
1 = Sehr unwahrscheinlich (unter 1 % Wahrscheinlichkeit)
2 = Unwahrscheinlich (1–10 % Wahrscheinlichkeit)
3 = Möglich (10–50 % Wahrscheinlichkeit)
4 = Wahrscheinlich (50–90 % Wahrscheinlichkeit)
5 = Sehr wahrscheinlich (über 90 % Wahrscheinlichkeit)
2. Bewertet das Schadensausmaß
Überlegt, wie groß der Schaden wäre, wenn das Risiko eintritt.
Nutzt dazu ebenfalls eine Skala, die so oder so ähnlich aufgebaut sein kann:
1 = Unbedeutend (kaum spürbare Auswirkungen)
2 = Gering (kleine Beeinträchtigungen, leicht behebbar)
3 = Mäßig (beträchtliche Auswirkungen, Reparatur oder Ersatz notwendig)
4 = Schwerwiegend (erhebliche Schäden, langfristige Folgen)
5 = Katastrophal (existenzgefährdend, schwerwiegende Verletzungen oder Tod)
3. Bewertet das Risiko
Jetzt müsst ihr leider ein bisschen rechnen, aber keine Angst, es ist keine höhere Mathematik notwendig. Die Grundrechenarten reichen vollkommen aus. ;-)
Multiplizier die Werte für Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß, um den Risikowert zu erhalten.
Beispiel: Eintrittswahrscheinlichkeit = 3, Schadensausmaß = 4 → Risikowert = 12.
4. Kategorisiert die Risiken
Legt Schwellenwerte fest, um die Risiken in Kategorien einzuordnen. dies kann folgenderweise aussehen:
1–5 = Gering (wenig Handlungsbedarf)
6–10 = Mittel (Maßnahmen erforderlich, aber nicht dringend)
11–15 = Hoch (dringende Maßnahmen erforderlich)
16–25 = Sehr hoch (unverzüglich handeln)
Ob diese Schwellenwerte für eure Bücher/Produkte zutreffen, müsst ihr natürlich selbst einschätzen. Mit ein bisschen allgemeiner Lebenserfahrung und gesundem Menschenverstand dürfte das nicht allzu schwierig sein.
Hier ein paar Beispiele für Bücher und Merchandise-Produkte
Produkt: Hardcover-Buch
Gefahr: Scharfe Papierkanten könnten Schnittwunden verursachen.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 3 (möglich) – Tritt gelegentlich auf.
Schadensausmaß: 2 (gering) – Kleine Schnittwunden, leicht behandelbar.
Risikowert: 6 → Risiko = Mittel
Gefahr: Schadstoffe in der Druckfarbe könnten gesundheitsschädlich sein.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 2 (unwahrscheinlich) – Kommt selten vor, wenn hochwertige Farben verwendet werden.
Schadensausmaß: 4 (schwerwiegend) – Gesundheitsrisiko durch giftige Stoffe.
Risikowert: 8 → Risiko = Mittel
Produkt: Stoffbeutel
Gefahr: Farbabrieb könnte Kleidung verschmutzen.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 4 (wahrscheinlich) – Bei minderwertigen Farben.
Schadensausmaß: 2 (gering) – Verschmutzte Kleidung, kein langfristiger Schaden.
Risikowert: 8 → Risiko = Mittel
Gefahr: Stoff könnte bei Kontakt mit Feuer schnell entflammen.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 2 (unwahrscheinlich) – Bei normalen Gebrauchsumständen.
Schadensausmaß: 5 (katastrophal) – Brandgefahr.
Risikowert: 10 → Risiko = Hoch
Praktische Umsetzung
Erstellen einer Tabelle
Listet alle potenziellen Gefahren für ein Produkt auf.
Fügt Spalten für Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadensausmaß, Risikowert und Maßnahmen hinzu. (Siehe Vorlagen zur Risikoanalyse im Downloadbereich dieses Leitfadens)
Umsetzung in einer Risikomatrix
Visualisiert die Risiken in einer Matrix, um prioritäre Maßnahmen zu identifizieren. Dabei kann es sinnvoll sein, mit Farben zu arbeiten wie bei einer Ampel (siehe Banner dieses Beitrags).
Warum soll ich denn diese aufwendige Methode anwenden?
Die strukturierte Bewertung hilft euch, fundierte Entscheidungen zu treffen und euch auf die gravierendsten Risiken zu konzentrieren. Insbesondere für Selfpublisherinnen und Selfpublisher bietet dies eine praktikable Möglichkeit, Risiken bei Büchern und Merchandise-Produkten zu managen und rechtliche Vorgaben der Europäischen Produktsicherheitsverordnung zu erfüllen.
Wie schätze ich denn die Eintrittswahrscheinlichkeit ein? Also woher weiß ich, welches Risiko wie häufig eintritt?
Diese Einschätzung eines Risikos ist natürlich nicht selten eine Herausforderung, da sie auf Erfahrung, verfügbaren Daten und manchmal auch auf fundierten Annahmen basiert. Es gibt einige Ansätze, wie ihr die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gefahr realistisch bewerten könnt.
1. Erfahrungswerte nutzen
Eigene Erfahrungen
Wenn ihr bereits ähnliche Bücher oder Produkte veröffentlicht oder hergestellt habt, überlegt euch, ob die Gefahren, die ihr aufgelistet habt, in der Vergangenheit aufgetreten sind.
Beispiel: Gab es Rückmeldungen zu scharfen Papierkanten bei früheren Büchern?
Erfahrungen anderer
Sprecht mit anderen Selfpublisherinnen oder Selfpublishern oder Hersteller/innen und fragt sie nach deren Erfahrungen mit ähnlichen Produkten.
2. Branchendaten und Statistiken
Zugriff auf verfügbare Statistiken
In vielen Branchen gibt es Berichte oder Daten zu Produktsicherheitsrisiken, wie z. B. Rückrufstatistiken oder Berichte von Verbraucherorganisationen.
Beispiel: Die EU-Produktsicherheitsdatenbank (RAPEX) enthält Berichte über Sicherheitsprobleme bei Produkten, einschließlich Merchandise.
Fachliteratur und Studien
In Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Studien finden sich oft Informationen darüber, wie häufig bestimmte Risiken auftreten.
3. Produkttests und Simulationen
Testreihen durchführen
Lasst euer Buch oder Produkt durch Leserinnen und Leser oder Nutzerinnen und Nutzer testen oder führt selbst Tests durch, um potenzielle Gefahren zu identifizieren.
Beispiel: Lasst unterschiedliche Personen ein Buch handhaben, um herauszufinden, wie oft scharfe Papierkanten zu Verletzungen führen.
Simulationen
Testet bestimmte Szenarien, wie z. B. das Brennverhalten eines Stoffbeutels oder die Stabilität einer Verpackung.
4. Rückmeldungen von Kundinnen und Kunden und Vertriebspartnern
Kundenfeedback
Nutzt Rückmeldungen von Käuferinnen und Käufern, um zu erfahren, ob es bei euren Produkten zu Problemen kam.
Distributoren oder Händler
Fragt eure Vertriebspartner, ob sie ähnliche Produkte kennen und ob bei diesen Sicherheitsrisiken aufgetreten sind.
5. Orientierung an Standards und Normen
Regulierungsrichtlinien
Vorschriften wie die EU-Produktsicherheitsverordnung geben oft Hinweise darauf, welche Risiken als relevant angesehen werden und wie häufig sie auftreten könnten.
ISO- und DIN-Normen
Diese Normen enthalten oft empfohlene Werte und Einschätzungen zur Sicherheit bestimmter Produkte.
6. Qualitative Einschätzung
Wenn keine genauen Daten verfügbar sind, könnt ihr die Eintrittswahrscheinlichkeit qualitativ einschätzen.
Sehr unwahrscheinlich: Ein Szenario, das nur unter extrem ungewöhnlichen Umständen auftritt.
Unwahrscheinlich: Ein Szenario, das in seltenen Fällen auftreten könnte.
Möglich: Ein Szenario, das gelegentlich vorkommt.
Wahrscheinlich: Ein Szenario, das mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt.
Sehr wahrscheinlich: Ein Szenario, das fast sicher eintritt.
Beispiel für Bücher: Scharfe Papierkanten
Datenlage
Wenn ihr oder andere Selfpublisher/innen nie Rückmeldungen zu Papierverletzungen erhalten haben, ist die Eintrittswahrscheinlichkeit vermutlich gering.
Tests
Gebt das Buch an Testpersonen und dokumentiert, ob es zu Verletzungen kommt.
Qualitative Einschätzung
Wenn das Risiko existiert, aber selten auftritt, könntet ihr es als „unwahrscheinlich“ einstufen.
Zusammengefasst
Die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit basiert auf:
Eigenen und fremden Erfahrungen
Daten aus der Branche
Praktischen Tests
Standards und Normen
Auch wenn nicht immer genaue Zahlen vorliegen, hilft eine strukturierte und methodische Vorgehensweise dabei, die Eintrittswahrscheinlichkeit fundiert zu bewerten. Wenn ihr unsicher seid, könnt ihr konservativ vorgehen und das Risiko eher höher bewerten, um auf der sicheren Seite zu sein.
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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