Verrückt, oder? Bei dem (noch) hochsommerlichen Wetter an Weihnachten zu denken …

Trotzdem möchte ich euch den ersten Einblick in meinen neuen Weihnachtsroman nicht vorenthalten. Wer meinen Newsletter abonniert hat, kennt diesen Textschnipsel allerdings bereits, weil ich ihn vergangene Woche dort exklusiv vorab veröffentlicht habe.

Vorbestellen könnt ihr Buch und eBook (und teilweise auch das Hörbuch) ja schon längst. Ich will auch gar nicht lange um den heißen Brei herum schreiben, sondern wünsche euch gute Unterhaltung mit dem ersten Zusammentreffen meiner beiden Hauptfiguren. Wenn ihr Lust habt, dürft ihr mir auch gerne eure Leseeindrücke in den Kommentaren hinterlassen.

Aus dem 2. Kapitel

Mit strahlendem Lächeln nahm Sabine die Schachtel entgegen und hob vorsichtig den Deckel an, um hineinzulinsen. Ihre Augen leuchteten auf beim Anblick der Kunstwerke. »Nein, nein, kommt gar nicht infrage! Ich bezahle die Sachen hier und jetzt.« Sie legte die Box auf dem Verkaufstresen ab und zog ihre Geldbörse aus der Handtasche. »Ich bezahle mit Karte.« Während Melissa ihr das Kartenlesegerät hinschob, musterte sie Melissa eingehend. »Du siehst heute so hübsch und rosig aus. Bist du frisch verliebt?«

Erschrocken zuckte Melissa zusammen und hob ruckartig den Kopf. »Wie bitte?«

Sabines Lächeln vertiefte sich, gleichzeitig hob sie jedoch beschwichtigend die linke Hand. »Ich dachte ja nur. Diese neue Bluse steht dir unglaublich gut und lässt deinen Teint strahlen, und da habe ich mich einfach gefragt, ob es einen besonderen Grund dafür gibt, dass du dich neuerdings etwas bunter kleidest. Verliebt zu sein, wäre doch eine sehr schöne Erklärung.«

»Nein.« Melissa biss sich auf die Unterlippe und hob verlegen die Schultern. Ihr Ton war eindeutig zu ruppig gewesen. »Nein«, wiederholte sie etwas gelassener. »Es gibt keinen besonderen Grund dafür, außer dass ich mit Jana und Ellie vergangene Woche einkaufen war und sie mich dazu gedrängt haben, mir ein paar neue Sachen zuzulegen.« Sie schluckte. »Verliebt bin ich jedenfalls ganz bestimmt nicht. Das … kommt gar nicht infrage.« Schon während sie die Worte aussprach, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte, denn auf Sabines Gesicht zeichnete sich prompt neugieriges Interesse ab.

»Warum denn nicht? Du bist doch eine liebenswerte, kluge und hübsche junge Frau. Ich bin sicher, dass es auf diesem Planeten mehr als nur einen netten Mann gibt, der sich für dich interessiert. Oder auch die eine oder andere Frau, falls dir das lieber wäre«, setzte sie hinzu.

Energisch schüttelte Melissa den Kopf. »Ich bin nicht interessiert an … so etwas. Ich habe Andy und … und …«

»Ach was.« Sabine schenkte ihr ein weiteres warmes Lächeln. »Dein Sohn wäre bestimmt kein Problem, wenn du dem oder der Richtigen begegnest.«

»Auf keinen Fall.« Noch einmal schüttelte Melissa rigoros den Kopf. »Ich will nicht …« Sie zögerte, denn sie sprach normalerweise nicht über ihre Vergangenheit. »Ich will keinen Mann mehr in meinem Leben.« Unwillkürlich strich sie mit den Fingerspitzen über die verblasste Narbe an ihrer linken Schläfe, die sie nach einer äußerst schmerzhaften Begegnung mit Matthias’ Faust zurückbehalten hatte. Rasch, um Sabines Aufmerksamkeit nicht darauf zu lenken, ließ sie die Hand wieder sinken. »Andy braucht einen Haarschnitt«, wechselte sie das Thema. »Und da dachte ich, ich könnte es auch einmal mit einer neuen Frisur versuchen.«

Glücklicherweise war Sabine einfühlsam genug, um nicht weiter in sie zu dringen. Stattdessen nickte sie enthusiastisch. »Sehr gerne! Am besten schreibst du Ellie eine Textnachricht, dann gibt sie dir den nächstmöglichen Termin.« Mit schräg gelegtem Kopf musterte sie Melissa erneut. »Ich hätte da schon ein paar Ideen, was wir mit deinen Haaren anstellen könnten. Ellie mit Sicherheit auch.« Sie zwinkerte Melissa fröhlich zu und schnappte sich die Schachtel mit den Girlanden. »Wir machen eine völlig neue Frau aus dir … Wenn du möchtest.« An der Tür drehte sie sich noch einmal kurz um. »Grüß Jana und Oliver von mir und gib Andy unbedingt in meinem Namen einen Knutscher. Wir sehen uns.« Damit verließ sie den Laden.

Hin und hergerissen zwischen Erheiterung und Besorgnis blickte Melissa ihr nach. Sie fragte sich inzwischen immer häufiger, ob es sinnvoll sein könnte, zumindest der Familie Weißmüller und natürlich Oliver, der ja ebenfalls dazugehörte, etwas über Matthias zu erzählen. Es wurde immer schwieriger, ihr Geheimnis vor solch guten Freunden zu bewahren. Andererseits verfolgte sie ständig die Angst, dass jemand sich versehentlich verplappern könnte und so die Nachricht über ihren Aufenthaltsort auf irgendeinem Wege Matthias zugetragen werden könnte. Das wollte sie unbedingt verhindern – sie musste es, schon um Andy zu schützen.

Wahrscheinlich würden sie früher oder später wieder von hier wegziehen müssen, wenn sie nicht riskieren wollte, dass Matthias sie doch irgendwann entdeckte. Das Problem war, dass sie nicht mehr wegwollte. Sie fühlte sich in dieser Kleinstadt sehr wohl, hatte neue Freunde gefunden, und auch Andy war glücklich hier. Es würde ihr unsagbar schwerfallen, sich und ihn erneut zu entwurzeln und irgendwo anders neu anzufangen, besonders weil sie ganz genau wusste, dass sie wahrscheinlich immer auf der Flucht sein und nirgendwo ein wirkliches Zuhause finden würde.

Seufzend rieb Melissa sich mit beiden Händen übers Gesicht und versuchte, die trüben Gedanken zu vertreiben. Noch musste sie keine Entscheidung treffen. Zunächst einmal hatte sie für die nächsten zwölf Monate eine neue Bleibe gefunden. So lange sollte der neue Mietvertrag zunächst gelten. Danach oder vielleicht auch schon im Laufe der kommenden Monate würde sie sich überlegen, wie es weitergehen sollte.

Sie wollte gerade ins Hinterzimmer gehen, um zu überprüfen, ob es über den Onlineshop neue Bestellungen gab, als das Klingeln des Glöckchens an der Ladentür erneut Kundschaft ankündigte.

Melissa drehte sich wieder um und erschrak zutiefst, als sie die große, breitschultrige Gestalt eintreten sah. Für einen Moment rang sie unwillkürlich nach Atem.

Der Mann war mindestens einen Meter fünfundachtzig und sehr muskulös. Sein dichtes blondes Haar hatte er zu einem etwas über schulterlangen Zopf gebunden, Kinn, Wangen und Oberlippe waren von einem Fünf- oder Sechstagebart bedeckt, der seine herben Gesichtszüge noch rauer wirken ließ. Er trug schwarze Jeans, ein grauweißes gemustertes Shirt und darüber eine schwarze Lederjacke, die ihn noch breiter und imposanter wirken ließ. Er war ein regelrechter Schrank von einem Mann.

Glücklicherweise erkannte Melissa ihn auf den zweiten Blick, andernfalls hätte sie womöglich die Flucht vor ihm ergriffen. »Herr Overbeck, guten Tag.« Dass ihre Stimme ein klein wenig gepresst klang, überspielte sie mit einem, wie sie hoffte, freundlichen Lächeln. »Was kann ich für Sie tun?«

»Guten Tag. Melissa, nicht wahr?« Auch auf seinen Lippen erschien ein Lächeln, das den furchteinflößenden ersten Eindruck seiner Erscheinung sogleich abmilderte. »Sagen Sie bitte ruhig Lennart zu mir, immerhin kennen wir uns ja schon ein wenig vom vergangenen Jahr.« Bewundernd sah er sich im Laden um. »Wie ich sehe, war Jana wieder einmal sehr fleißig. Wo nimmt sie nur immer ihre Ideen für diese ganzen Skulpturen her? Sie hat wirklich ein außergewöhnliches Talent.«

»Das hat sie«, stimmte Melissa ihm zu. »Möchten Sie etwas kaufen? Ein Geschenk vielleicht?«

»Nein.« Er lachte, ein leicht rauer Ton, der, ebenso wie seine dunkle Stimme, seltsam, aber nicht unangenehm zwischen ihnen vibrierte. »Oder vielleicht doch. Es schadet wahrscheinlich nicht, mich hier einmal umzusehen. Immerhin ist Weihnachten nicht mehr allzu fern, und meiner Schwester gefallen Janas Skulpturen ausgesprochen gut. Allerdings bin ich heute aus einem anderen Grund hier. Ich bin mit Jana wegen der Absprache für den Securityeinsatz auf dem Weihnachtsmarkt verabredet. Außerdem müssen wir noch einen Termin für die jährliche Wartung der Sicherheitsvorrichtungen hier im Laden, in der Werkstatt und in Janas und Olivers Haus ausmachen.«

»Sie sind mit ihr verabredet?« Rasch zog Melissa das Tablet aus dem Fach unter dem Verkaufstresen hervor, über das sie auf Janas Terminkalender zugreifen konnte. Tatsächlich war dort ein Vermerk über das Treffen mit Lennart Overbeck eingetragen. Verlegen sah sie ihn an. »Das hat sie bestimmt vergessen. Sie ist schon seit heute Morgen in ihrer Werkstatt und will nicht gestört werden. Wenn die Muse sie küsst, vergisst sie meistens alles um sich herum. Ich weiß leider nicht, wann sie mit ihrer Arbeit fertig sein wird.«

»Da störe ich mal besser nicht.« Lennart lächelte unvermindert weiter, und es war ihm nicht anzumerken, dass ihn der ausgefallene Termin in irgendeiner Form störte. »Ich habe bereits oft genug gehört, dass so etwas bei Jana böse enden kann. Oliver hat mir in dieser Hinsicht einiges erzählt.« Aus dem Lächeln wurde ein Schmunzeln. »Anscheinend hat er ja diesbezüglich selbst so einige Erfahrungen gesammelt, insbesondere als er Jana kennengelernt hat.«

Das amüsierte Funkeln in seinen Augen reizte Melissa ebenfalls zu einem Lächeln. »Ich glaube, er hat sich anfangs einiges von ihr anhören und gefallen lassen müssen. Inzwischen sind sie aber ein eingespieltes Team.«

»Das ist schön zu hören.« Lennart zog sein Smartphone aus der Innentasche seiner Lederjacke hervor. »Anderenfalls hätte er sie aber auch wohl kaum gebeten, ihn zu heiraten, oder? Am besten mache ich mir einen Vermerk, Jana später anzurufen. Dann vereinbaren wir einfach einen neuen Termin.« Während er sprach, tippte und wischte er auf dem Display seines Smartphones herum, dann schob er es zurück in die Jackeninnentasche. Noch einmal sah er sich um, diesmal wanderten seine Blicke jedoch sehr gezielt von der Kasse zur Überwachungskamera und dann zur halb offenstehenden Tür, die in das Büro hinter dem Ladenlokal führte. »Gibt es irgendwelche Probleme mit der Sicherheitsanlage hier im Laden? Sie arbeiten doch jeden Tag hier, nicht wahr? Dann gehen Sie ja auch täglich damit um. Wenn es irgendetwas geben sollte, was noch verbessert werden könnte, dann wäre jetzt gerade der richtige Moment, mir das mitzuteilen.« In seinen dunkelblauen Augen funkelte es fröhlich. »Immerhin habe ich jetzt fast eine ganze Stunde freie Zeit.«

»Oh, also …« Auch Melissa blickte hinauf zu der Kamera und dann auf ihre Kasse. Sie fühlte sich ein wenig überrumpelt. »Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt habe ich mir nie …« Sie brach ab, als sich die Ladentür erneut öffnete und eine ältere Dame eintrat. »Entschuldigen Sie bitte. Ich muss mich rasch um die Kundin kümmern.«

»Aber klar doch.« Lennart trat zwei Schritte zur Seite, damit er nicht im Weg stand.

»Frau Meisenbach, guten Tag«, begrüßte Melissa die ältere Dame freundlich. »Sie sind bestimmt hier, um sich die neuen Vasen anzusehen, nicht wahr?« Zuvorkommend trat sie hinter dem Tresen hervor und führte die Kundin zu einer Vitrine auf der rechten Ladenseite. Dabei wich sie Lennart möglichst weiträumig aus. Obwohl er sehr nett wirkte, konnte sie sich eines Anflugs von Verunsicherung ihm gegenüber nicht erwehren. Männer wie er, groß, rau und selbstbewusst, machten ihr Angst. Sie war jedoch entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen, deshalb konzentrierte sie sich ganz auf ihre Kundin. »Sehen Sie, hier ist eine ganz neue Kollektion. Einmal in Rosa, einmal in Grün und einmal in Elfenweiß. Zumindest nennt Jana diese Farbe so, weil sie die Vasen so filigran und leicht wie Elfen wirken lässt.«

»Wunderschön!« Die Kundin streckte die rechte Hand aus, berührte die Vasen jedoch nicht. »Und sehe ich das richtig, es gibt immer gleich drei Größen im Set?«

»Sie können gerne das Set erwerben«, bestätigte Melissa. »Es ist aber auch möglich, nur einzelne Vasen zu kaufen.«

»Hach, da kann ich mich ja gar nicht entscheiden!« Die Kundin lachte. »Ich dachte mir schon, dass ich heute hier fündig werde. Als Jana mir vor einiger Zeit erzählte, dass sie Mitte November mit der neuen Kollektion Vasen fertig sein würde, habe ich mir den Termin gleich rot im Kalender angestrichen. Wissen Sie was? Ich nehme das Set in Weiß und ein weiteres in Grün für meine Schwester. Wir sind Zwillinge, wissen Sie? Deshalb gefällt uns so gut wie immer dasselbe. Ihre Lieblingsfarbe ist allerdings Grün, das passt doch perfekt, nicht wahr? Wir haben nächste Woche Geburtstag, dann habe ich gleich ein schönes Geschenk für sie. Können Sie mir das grüne Set hübsch einpacken?«

»Selbstverständlich, Frau Meisenbach.« Melissa nahm erst die weißen, dann die grünen Vasen aus der Vitrine und trug sie vorsichtig zum Tresen. Dort packte sie sie sorgsam in gepolsterte Pappschachteln. Die mit den grünen Vasen umwickelte sie routiniert mit weiß-golden gemustertem Geschenkpapier und wand eine ebenfalls weiß-goldene Schleife darum. Sie hörte Lennart Overbeck deutlich Luft holen, als sie der Kundin den Preis nannte, den diese, ohne mit der Wimper zu zucken mit ihrer Kreditkarte beglich.

»Nobel geht die Welt zugrunde«, kommentierte er, nachdem Frau Meisenbach den Laden wieder verlassen hatte. »Die Preise sind ja ganz schön happig.«

»Sie sind aber angemessen für die Kunstwerke, die Jana erschafft. Ihre Skulpturen, Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände sind jeden Cent wert, den sie dafür verlangt«, widersprach Melissa und erschrak dabei über sich selbst. Noch immer hatte sie Schwierigkeiten damit, jemandem ein Widerwort zu geben, und sei es auch noch so angebracht. Jemandem wie Lennart Overbeck gegenüber traute sie sich normalerweise überhaupt nicht, den Mund aufzumachen, zumindest nicht, wenn es über allgemeine Floskeln oder ein Verkaufsgespräch im Laden hinausging.

»Das will ich gar nicht bestreiten.« Sein Blick richtete sich auf sie; von der Nervosität, die sie ergriffen hatte, schien er nichts zu bemerken, denn auch das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. »Ich habe mir nur gerade überlegt, dass ich mein Budget für das Weihnachtsgeschenk meiner Schwester noch einmal überdenken sollte. Für das, was ich angedacht hatte, werde ich hier nämlich nicht mehr als eine daumengroße Figur bekommen, vermute ich.«

Melissa versuchte, sich wieder zu entspannen. »Ich bin sicher, wir finden etwas für Ihre Schwester.«

»Wir?« Seine Augenbrauen hoben sich ein klein wenig und in seine Augen trat wieder dieses fröhliche Funkeln, das sie jedoch erneut nervös werden ließ.

»Ja, also, natürlich.« Sie bemühte sich mit aller Kraft, seine überaus intensive Ausstrahlung zu ignorieren, und flüchtete sich in einen geschäftsmäßigen Ton. »Dazu bin ich ja hier, um Ihnen, also den Kunden, bei der Auswahl zu helfen. Jana macht das auch immer wieder sehr gerne selbst. Sie liebt es, Kundschaft hier im Laden zu bedienen, aber im Augenblick ist sie ja …«

»… beschäftigt«, vervollständigte Lennart den Satz. »Sobald ich mir über das neue Budget Gedanken gemacht habe, werde ich darauf gerne zurückkommen.« Er zwinkerte ihr sichtlich gut gelaunt zu.

»Sehr gerne«, quetschte Melissa gerade noch einigermaßen normal hervor und verräumte rasch, um ihre Hände zu beschäftigen, die Überreste des Geschenkpapiers. Auf diese Weise konnte sie auch seinem Blick ausweichen, was es ihr leichter machte, weiterzureden: »Obwohl der Wert eines Geschenks ja eigentlich nicht an der Höhe seines Preises gemessen werden sollte. Ein kleines Geschenk, das von Herzen kommt, ist doch hundertmal schöner als ein großes, das nur ausgesucht wurde, weil ein möglichst hoher Preis dafür bezahlt wurde.« Während sie sprach, hatte sie sich kurz gebückt, um in dem Fach mit dem Geschenkpapier ein wenig für Ordnung zu sorgen.

Als sie sich nun wieder aufrichtete, erschrak sie erneut, weil Lennarts Blick unverwandt auf sie gerichtet war. Das Lächeln auf seinen Lippen war ein klein wenig verblasst. Stattdessen konnte sie auf seiner Miene einen besorgten Ausdruck erkennen. Er ging einen Schritt auf den Tresen zu, was sie veranlasste, etwas zurückzuweichen.

Sein Lächeln verschwand ganz. »Mache ich Sie nervös, Melissa?«

»Ich, äh, nein, natürlich nicht.« Prompt zitterte ihre Stimme leicht, ebenso wie ihre Hände, die sie daraufhin fest ineinander verschränkte.

»Sind Sie sicher?« Er kam noch näher, und wieder wich sie automatisch zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Tür zum Büro, die daraufhin ein Stück weit aufschwang. Nun sichtlich besorgt runzelte er die Stirn. »Sie wirken nämlich im Augenblick so, als ob Sie kurz davor wären, vor mir die Flucht zu ergreifen.«

»Das ist«, sie schluckte krampfhaft, »ich meine, nein, also …« Hilflos blickte sie links und rechts an ihm vorbei. Sie hatte tatsächlich das Bedürfnis, Ausschau nach einem Fluchtweg zu halten, dabei wusste sie, dass das ganz bestimmt unnötig war und außerdem sinnlos gewesen wäre. Dieser Mann war so viel größer als sie und ihr körperlich derart überlegen, dass sie mit einer Flucht ganz sicher nicht weit kommen würde. Einer Flucht wohlgemerkt, die vollkommen irrational wäre, denn er hatte sie ja mit keinem Wort und keiner Geste bedroht.

Zu ihrer Überraschung machte Lennart drei Schritte rückwärts und schob die Hände bis zur Hälfte in die Taschen seiner schwarzen Jeans. »Besser so?«

Tatsächlich führte der vergrößerte Abstand zwischen ihnen dazu, dass sie ein wenig leichter atmen konnte. Tief sog sie die Luft in ihre Lungen, dann nickte sie verlegen. »Danke. Es … tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«

»Wirklich nicht?« Er musterte sie gleichermaßen freundlich wie aufmerksam. »Auf mich machen Sie den Eindruck, als wären sie schon einmal von einem Mann bedrängt oder sogar überfallen worden.« Ehe sie auch nur Luft holen konnte, um etwas zu erwidern, hob er beschwichtigend beide Hände. »Darauf brauchen Sie nicht zu antworten, Melissa. Ich möchte nur deutlich machen, dass Sie von mir nichts zu befürchten haben.« In seinen Blick trat wieder dieses fröhliche Funkeln, und er zwinkerte ihr erneut zu. »Solange Sie mich nicht angreifen, bin ich vollkommen handzahm.«

Mit dieser Bemerkung brachte er sie tatsächlich dazu, ganz kurz zu lächeln. »Selbstverständlich«, murmelte sie.

»Nein, nicht selbstverständlich«, antwortete er leise. »Aber in meinem Fall trifft es zu. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben.«

Weihnachtszauber und Hundepfoten

Petra Schier

HarperColins, ca. 400 Seiten
Erscheint am 26.09.2023
ISBN 978-3-74990-608-6
12,- € / eBook 9,99 €

Hörbuch

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