Auch wenn noch keine vier Wochen seit dem letzten Textschnipsel vergangen sind, war mir heute einfach danach, euch einen weiteren zu präsentieren. Diesmal trefft ihr auf Neklas und Adelina, so wie ihr die beiden kennt und liebt (hoffe ich doch!). Allerdings wird hier auch der Verlust eines Familienmitglieds angedeutet. Ich hoffe, ihr seid mir deshalb nicht allzu böse, aber es ging halt nicht anders.

Dafür ist dies jetzt die lektorierte (aber noch nicht fahnenkorrigierte) Version, die demnach schon einigermaßen geschliffen ist.

Viel Vergnügen mit dieser Szene aus dem 8. Kapitel!

»Adelina!« Der entsetzte Ruf, den Neklas ausstieß, ließ Adelina hochschrecken. Sie hatte bereits geschlafen oder zumindest fast. Wenn Neklas abends erst spät heimkam, blieb sie meist wach oder döste nur leicht vor sich hin, bis er wieder zu Hause war. Im ersten Moment fragte sie sich, was seinen Schreckensruf wohl verursacht haben mochte, doch dann fielen ihr die beiden neuen Familienmitglieder ein. Rasch schlüpfte sie in ihren Hausmantel und eilte nach unten in die Küche.
Neklas stand in der Tür und starrte mit verblüffter Miene auf die beiden Hündchen, die irgendwie ineinander verknotet unter der Ofenbank lagen und schliefen. Von dem Ankömmling ließen sie sich nicht im Mindesten beeindrucken. Lotte hatte sich halb um die beiden herumgekringelt. Ihr Schwanz zuckte ein wenig und sie blinzelte mit einem Auge zu Neklas auf. Doch auch sie machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. Die drei boten einen wahrhaft denkwürdigen Anblick. »Was ist das?« Neklas drehte sich zu ihr herum.
»Das sind Zausel und Bär. Es sind Brüder.«
Auf Neklas‘ Stirn bildete sich eine tiefe, senkrechte Falte. »Na gut, aber … was sind sie?«
Adelina kicherte. »Es sind Hunde. Zehn Wochen alt. Cristan Reese hat sie uns geschenkt. Offenbar sind sie das Ergebnis einer nicht standesgemäßen Liebschaft zwischen seiner Jagdhündin und einem Gassenköter.«
»Und deshalb schenkt er sie uns?«
»Er dachte, dass sie hier ein gutes Zuhause hätten. Ich finde das auch.«
»Wie man sieht.« Neklas schüttelte halb ungläubig, halb amüsiert den Kopf. »Sie werden einmal Ausgeburten der Lächerlichkeit sein. Das sind sie jetzt schon.«
»Moses war auch keine Schönheit, zumindest nicht äußerlich.«
»Aber ihm sah man wenigstens sofort an, dass er ein Hund war. Diese beiden hier … Wie hast du sie noch mal genannt?«
»Zausel und Bär.«
»Sehr passend.«
»Bär gehört übrigens nicht mir, sondern Griet.«
»Was?«
»Auch das war Hauptmann Reeses Idee.« Ehe ihr Gemahl etwas erwidern konnte, legte sie den Zeigefinger an die Lippen. »Komm mit hinauf, dann berichte ich dir, was heute vorgefallen ist. Wenn wir weiter hier herumstehen, wecken wir das ganze Haus auf.«
Neklas folgte ihr in die Schlafkammer und setzte sich auf ihren Wink hin zu ihr aufs Bett. Sie zog die Decke über ihren Beinen zurecht, während sie erzählte, was sich am Tag ereignet hatte. »Ich fürchte«, schloss sie, »dass der Hauptmann Gefallen an Griet gefunden hat.«
»Das fürchtest du also.« Nachdenklich lehnte Neklas sich mit dem Rücken gegen das Kopfende des Bettes. »Nach allem, was du über ihn erzählt hast, neige ich dazu, diese Befürchtung zu teilen. Hast du eine Idee, wie wir ihm dieses Interesse wieder austreiben können?«
Auch Adelina lehnte sich zurück. »Nein, habe ich nicht. Er ist ein ehrenhafter Mann. Ich mag ihn.«
»Griet wird nicht wollen …«
»Ich weiß.«
»Wir können ihm nicht die Wahrheit sagen. Der Skandal wäre uns sicher.«
»Da hast du recht.«
»Und ich will nicht, dass Griet verletzt wird.«
»Ich glaube nicht, dass Cristan Reese so etwas im Sinn hat, Neklas.«
Mit gerunzelter Stirn sah er sie an. »Was er im Sinn hat, kann ich mir denken.«
Adelina schmunzelte. »Das würde dir ebenso wenig gefallen, wenn Griet keine schlimme Vergangenheit hätte.«
»Sie ist meine Tochter.«
»Natürlich, das meine ich ja.« Aus dem Schmunzeln wurde ein unterdrücktes Lachen. »Mein Lieber, der Hauptmann ist nicht der erste Mann, der ein Auge auf Griet geworfen hat. Nur mit dem Unterschied, dass sie keinem der Männer vor ihm derart auffällig wenig Beachtung geschenkt hat.«
»Wie meinst du das?« Alarmiert hob Neklas den Kopf.
Adelina faltete die Hände in ihrem Schoß. »Ich bin mir nicht sicher, ob er ihr durch seine natürliche Autorität und sein selbstsicheres Auftreten nur besonders viel Angst einjagt oder ob noch etwas anderes dahintersteckt. Sie blickt ihm nicht einmal in die Augen, wenn es sich vermeiden lässt, sondern hält über Gebühr Abstand von ihm.«
»Was soll daran falsch sein?«
»Ich habe nicht gesagt, dass es falsch ist. Nur, dass ich es bemerkenswert finde. Griet ist Männern gegenüber schon immer scheu gewesen, doch bei Cristan Reese kommt es mir fast so vor, als meide sie ihn ganz besonders. Mich würde der Grund dafür interessieren.«
»Hast du sie gefragt?«
Wieder lachte Adelina. »Neklas, sie ist zwanzig Jahre alt. Erwachsen.«
»Kann sie deshalb nicht mehr auf eine einfache Frage antworten?« Sein Ton war ein wenig gereizt.
»Ich fürchte, so einfach ist weder die Frage noch die Antwort. Meiner Ansicht nach sollten wir noch ein wenig abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.«

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Über Fragen, Kommentare, Anregungen usw. würde ich mich wie immer sehr freuen.

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