Bevor ihr hier weiterlest, scrollt bitte ganz nach unten zum zweiten Foto des heutigen Montags und schaut es euch genau an. Lasst euch gerne Zeit dabei, betrachtet es ganz genau, lasst es wirken.

Habt ihr gemacht? Okay, dann geht es hier weiter:

Das Foto ist gestern entstanden, als ich mit meinem Mann und unserem Hund Arthos wieder einmal auf Entdeckungsreise praktisch direkt hinter unserem Haus gegangen bin. Wir waren Wandern, und zwar auf einem Weg, der sich tatsächlich direkt an unser Haus anschließt, den wir aber seit mindestens 20 Jahren, eher schon länger, nicht mehr benutzt haben. Warum eigentlich nicht, fragt ihr? Wir uns auch. Es hat sich einfach nicht ergeben, aber es hat sich so was von gelohnt! Ich habe unzählige Fotos geschossen, aber dieses hier (unten) gehört zu denen, die mich am meisten faszinieren.

Hier bei uns in der Eifel gibt es praktisch überall interessante Schieferformationen, von pittoresk bis beeindruckend. Was mich aber immer wieder sehr berührt und in Erstaunen versetzt, ist die Tatsache, dass Stein oder Schiefer nicht einfach nur Stein oder Schiefer ist. Man sollte ja eigentlich meinen, dass mehr als vielleicht Moos dort gar nicht wachsen kann. Aber seht selbst! Da wachsen Bäume (!) auf dem Schiefergestein. Kein Gras, keine Blümchen (oder eben nicht nur), sondern ausgewachsene Bäume. Einige davon sind schon uralt, die meisten sogar vermutlich. Sie sehen vielleicht schlank oder gar dünn aus und “verknorzt”, wie man hier so schön sagt, aber würde man sie absägen, was hoffentlich niemand jemals tun wird, dann würde man ihr Alter an den Jahresringen erkennen. Oder vielmehr daran, dass es so viele Ringe bei so schlanken Stämmen sind, dass man sie gar nicht mehr erkennen kann.

Unglaublich, oder? Das sind Zeitzeugen eines oder gar zweier Jahrhunderte, die sich ihren Lebensraum ausgerechnet auf einem Schieferblock gesucht haben. Auf Stein, den wir normalerweise als unwirtlichen Ort abtun würden.

Wenn ich solche Naturphänomene sehe, werde ich immer ganz leise und demütig, auch wenn dieses Wort vielleicht mittlerweile aus der Mode gekommen ist. Diese Bäume und die bloße, einfache, unprätentiöse Tatsache, dass sie an solch einem Ort seit langer, langer Zeit leben und überleben, erinnert mich stets daran, dass nichts auf dieser Welt, in diesem Leben, unmöglich ist. Man sagt landläufig ja auch: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Diese Bäume versinnbildlichen diese Weisheit für mich auf eine ganz besondere Art.

Ihr Anblick ist unglaublich und doch braucht man gar nicht zu glauben, dass es sie genau dort, an dieser Stelle gibt. Es ist ein Fakt. Eine Tatsache. Selbst unter widrigsten Umständen sucht das Leben sich seinen Weg und findet ihn auch.

Das ist übrigens auch stets ein Gedanke, der mich beim Schreiben meiner Geschichten begleitet. Manchmal frage ich mich in der Tat, ob dieser oder jener Plot, eine bestimmte Wendung oder Begebenheit wirklich glaubhaft sind. Ob ich da nicht etwas Unglaubliches, Unglaubhaftes oder gar Unmögliches erdacht habe. Die Erfahrung hat mir aber immer wieder gezeigt, dass das Leben in der Realität tatsächlich immer wieder unglaubliche, seltsame, unerhört scheinende Dinge geschehen lässt. Ganz besonders freue ich mich darüber, wenn Leser:innen mit mir Kontakt aufnehmen und mir erzählen, dass dies oder jenes ihnen so oder so ähnlich tatsächlich passiert ist. Dass sie sich in einer Figur oder einer Situation wiedergefunden haben, sich damit identifizieren können. Dann wird mir bewusst, dass alles, was ich mir ausdenken kann, bereits vorhanden ist. Auf der Welt, wie sie jetzt ist, in der Vergangenheit oder auch erst in der Zukunft.

Es gibt nichts, was es nicht gibt, gab oder geben wird, auch wenn es noch so unglaublich erscheint.

Ein Baum kann auf einem Schieferfelsen üerleben.

Wir Menschen können alles schaffen und erreichen, was wir uns wünschen und erträumen.

Leicht ist es allerdings nicht immer, vermutlich sogar in den eher selteneren Fällen. Ich wette, dass so ein Baum auf einem Schieferfels sich hin und wieder auch fragt, was ihn wohl ausgerechnet an diesen schwierigen Ort verschlagen haben mag. Warum er nicht irgendwo anders, auf weichem, durchlässigen, humosen Waldboden aufgegangen und gewachsen ist. Aber er hält trotzdem durch, lebt weiter, gibt nicht auf – und bietet hoffentlich nicht nur mir damit eine unglaubliche – und glaubhafte – Inspiration.

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