Diejenigen unter euch, die bereits sehnsüchtig auf den Erscheinungstag von Ein Kinderspiel – Fall 10 für Markus Neumann und Janna Berg warten, können allmählich aufatmen. Es wird nur noch ein paar Tage dauern. Ich warte noch auf meine Grafikerin sowie meine Lektorin, die Cover und Text den letzten Korrekturschliff verleihen, dann kann ich alles layouten und veröffentlichen. Damit ihr nicht anfangt, auf den Nägeln zu kauen, gibt es heute noch einmal einen spannenden Sneak Peek.
Aus dem 10. Kapitel
A4 Richtung Görlitz
Rastplatz Żarska Wieś
Samstag, 28. April, 13:50 Uhr
Mit einem Ohr lauschte Janna den Stimmen, die aus dem kleinen, mobilen DVD-Player kamen, den Maja eingeschaltet hatte. Sie sah sich nun schon die zweite Folge irgendeiner Staffel der TV-Serie Seinfeld aus den Neunzigern an, für eine Zwölfjährige erstaunlich. Doch Maja schien Spaß daran zu haben, denn sie lachte häufig und war auf diese Weise für eine Weile abgelenkt. Auch Mikolaj schielte immer wieder auf den Bildschirm. Vermutlich war er es gewesen, der seine Schwester für die Comedy-Serie begeistert hatte.
»Da haben wir’s.« Markus brummelte ungehalten vor sich hin.«
»Was meinst du?« Janna richtete ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne und sah sofort selbst, was er meinte. »Schon wieder eine Kontrolle?«
»Diesmal von der Zollfahndung, wie Melanie schon angekündigt hat.«
»Hätten wir die nicht umfahren können?«
»Sicher, um dann in eine andere hineinzugeraten. Melanie sagte, da sei heute ein Großeinsatz im Gange.«
»Die kontrollieren aber offenbar nur LKW.«
»Hier zumindest.« Trotzdem musste Markus die Geschwindigkeit drosseln, bis sie nur noch Schritttempo fuhren, denn auch hier war die Fahrbahn auf nur einen Streifen verengt worden.
Zwei vor ihnen fahrende LKW wurden an dem Rastplatz, den die Zollbeamten als Kontrollpunkt gewählt hatten, herausgewunken. Janna staunte über das Gewusel von Polizei und Zollbediensteten, die alle damit beschäftigt zu sein schienen, die Transportfahrzeuge auf Herz und Nieren zu prüfen. »Sieht aus wie das reinste Chaos.«
»Ist es auch. Aber anscheinend ist das so gewollt. Soweit ich weiß, arbeitet der polnische Zoll sehr effektiv.«
Janna schüttelte leicht den Kopf. »Kaum zu glauben, wenn man sich dieses Durcheinander ansieht.« Ihr Blick blieb an einem Mann in der Montur der Zollbeamten hängen, der wie mehrere andere Kollegen damit beschäftigt war, den Verkehr zu regeln. Er ließ seinen Blick prüfend in jedes Fahrzeug wandern, das die Kontrollstelle passierte, und sprach dabei immer wieder in sein Funkgerät. Als sie den Kontrollpunkt passiert hatten, blickte Janna sich noch einmal um und hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, als blicke ihnen der Zollbeamte nach. Sie konnte sich aber auch getäuscht haben.
Markus gab wieder Gas und sie richtete ihr Augenmerk auf Maja und den DVD-Player. »Sag mal, worum geht es in dieser Serie eigentlich? Ich habe sie noch nie gesehen, sondern kenne sie nur dem Namen nach.«
»Echt?« Maja hob erstaunt den Kopf. »Du kennst Seinfeld nicht?«
»Als sie damals bei uns im Fernsehen lief, war das nicht so mein Geschmack. Ich habe lieber andere Serien angeschaut.«
»Da hast du aber was verpasst. Also es geht um Jerry Seinfeld. Guck, das ist der hier.« Sie drehte den Player so, dass Janna den Bildschirm sehen konnte. »Er ist ein Stand-Up-Comedian und total cool und witzig. Dann sind da noch Cosmo und George und Elaine, das sind seine Freunde. Ich mag Cosmo gerne. Der will nämlich immer reich werden, aber das klappt nicht so und er ist total nett und will immer allen helfen, aber wenn er das versucht, gibt es jedes Mal ein totales Chaos. Und Elaine …« Während Maja noch weiter erzählte, entspannte sich Janna wieder. Sie waren jetzt nicht mehr weit von der Grenze entfernt. Markus hatte beschlossen, den kürzesten und direkten Weg zu wählen, um möglichen weiteren Kontrollen und Verzögerungen so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.
Tatsächlich konnten sie eine halbe Stunde später unbehelligt nach Deutschland einreisen. Zwar gab es auch am Grenzübergang Görlitz-Ludwigsdorf weitere Zollkontrollen, die sich aber auch hier hauptsächlich auf LKW beschränkten. Nur ab und zu waren auch Autos herausgewunken worden.
Markus entspannte sich ebenfalls, auch wenn er nach außen hin die ganze Zeit über ruhig gewirkt hatte. Janna kannte ihn inzwischen gut genug, um die subtilen Anzeichen zu erkennen, die bei ihm auf innere Anspannung hinwiesen, zum Beispiel der Muskel, der in seiner Wange zuckte.
Eine knappe dreiviertel Stunde später gerieten sie auf Höhe Bautzen in einen Baustellenstau. Markus nutzte die erneut gedrosselte Geschwindigkeit, um sich an seine beiden jugendlichen Passagiere zu wenden. »Wie sieht es aus, sollen wir nach der Baustelle noch mal eine Pause einlegen oder haltet ihr noch länger durch?«
»Eine Pause bitte.« Maja verzog verlegen die Lippen. »Ich muss noch mal zur Toilette. Hab zu viel Limo getrunken.«
»Eine Pause täte uns allen gut.« Janna musterte Markus prüfend von der Seite. »Wenn du willst, kann ich auch wieder eine Zeit lang das Steuer übernehmen.«
»Nein.«
»Nein?«
»Diesmal nicht.«
»Warum nicht? Wir sind doch bisher gut durchgekommen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht müde und … Keine Ahnung. Ist nur so ein Gefühl.«
»Stimmt etwas nicht?« Mikolaj hatte den leisen Wortwechsel mitbekommen und beugte sich alarmiert vor.
»Nein, alles in Ordnung.« Markus sah kurz über die Schulter, dann aber gleich wieder geradeaus.
»Wenn was nicht in Ordnung ist, machen wir lieber keine Pause.«
»Ich muss aber aufs Klo«, protestierte Maja.
»Dann kneif die Beine zusammen.« Mikolaj warf seiner Schwester einen strafenden Blick zu.
»Aber ich muss wirklich!«
»Schon gut, schon gut. Wir machen die Pause, nicht wahr, Markus?« Abwartend sah Janna Markus an.
»Hab ich doch gesagt. Gleich bei der nächsten Raststätte nach der Baustelle.« Diese kam kurz darauf bereits in Sicht.
»Das ist der Rastplatz Oberlausitz Nord.« Janna lächelte Maja über die Schulter zu. »Auf dem Hinweg haben wir hier auch Rast gemacht. Auf der Gegenseite natürlich.«
»Beeilt euch, wir halten uns hier nicht länger als unbedingt nötig auf.« Markus hielt an der Tankstelle und Janna schnappte sich Maja und beeilte sich, mit ihr zu den Toiletten zu kommen. Nach kurzem Zögern schloss Mikolaj sich den beiden an.
Als sie zurückkehrten, hatte Markus bereits fertig getankt und den gelben Minivan auf einem der wenigen noch freien PKW-Stellplätze geparkt. Es herrschte ein ziemlicher Trubel von Wochenend-Ausflüglern und Reisebussen. Da Samstag war und für LKW das sonntägliche Fahrverbot galt, war auch der LKW-Parkplatz bereits fast bis auf den letzten Platz besetzt. Viele Fahrer hatten offenbar vor, das Wochenende hier zu verbringen und dann am Montagmorgen ihre Tour fortzusetzen. Vermutlich waren einige von ihnen sogar dazu gezwungen, da sie sich an die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten halten mussten.
»Es kann wieder losgehen.« Janna winkte ihm schon von weitem zu.
Markus räusperte sich. »Noch nicht. Ich muss selbst auch mal für kleine Jungen, wollte aber das Auto nicht unbeaufsichtigt lassen. Bin gleich wieder zurück.« Schon strebte er dem Rasthaus zu. Janna sah ihm kurz nach und reckte sich. »Okay, dann vertreten wir uns noch einen Augenblick die Beine. Das lange Sitzen im Auto ist ja nicht gerade angenehm. Bleibt aber in der Nähe!«
»Schon klar.« Mikolaj beugte sich vor, stützte sich auf der Motorhaube ab und drückte den Rücken durch.
Maja beobachtete ihn und machte es ihm dann nach. »Warum machst du das?«
»Ist gut für den Rücken. Soll man auch spätestens alle zwei Stunden machen, wenn man lange am Computer arbeitet. Mama hat mir das beigebracht, als ich erst zehn oder so war. Sie sagt, sonst kriegt man einen krummen Rücken und ist mit dreißig ein Wrack.«
»Da hat deine Mutter recht.« Janna nickte anerkennend und drehte sich ebenfalls ein wenig nach links und rechts, ließ die Schultern kreisen und ging dann ein paar Schritte auf das Rasthaus zu. Als sie die grasgrüne Kawasaki an der Tankstelle erblickte, setzte ihr Herz für einen Schlag aus. Nein, das musste ein Zufall sein. Solche Maschinen gab es bestimmt wie Sand am Meer. Trotzdem wich sie hinter das Heck eines dunkelblauen Vans zurück, der gleich neben ihr in einer Parkbucht stand. Vorsichtig lugte sie erneut hinüber zur Tankstelle und sah zu ihrem Schrecken, dass sich ein weißer Lieferwagen dem Motorrad näherte. Die Fahrer schienen sich miteinander zu beraten, kurz darauf schoss die Kawasaki davon und verschwand auf der Autobahn. Der Lieferwagen hingegen rollte langsam in ihre Richtung.
***
A4 Richtung Jena
Rastplatz Oberlausitz Nord
Samstag, 28. April, 15:17 Uhr
Leicht genervt verließ Markus die Raststätte. Die Schlange vor der Herrentoilette war fast noch länger gewesen als die vor der Damentoilette, weil gerade zwei Busse voller zum Teil angetrunkener junger Männer vorgefahren waren, offenbar ein Sportverein auf Tour, sodass er schon überlegt hatte, seine eigenen Bedürfnisse noch für eine Weile zu unterdrücken. Glücklicherweise war es dann aber doch recht flott vorangegangen und auf dem Rückweg hatte er, einer Eingebung folgend, vier Eis am Stiel gekauft. Die Stimmung war schon seit einer Weile immer angespannter geworden, vor allem, weil Mikolaj ihm nicht so recht zu trauen schien. Vielleicht würden die Süßigkeiten die Atmosphäre ein wenig auflockern.
Verübeln konnte er es dem Jungen nicht, dass er so zurückhaltend und kritisch ihm gegenüber war, und er war wirklich froh, Janna dabei zu haben, die zumindest zu dem Mädchen einen guten Draht gefunden zu haben schien und auf die Mikolaj ebenfalls einigermaßen ruhig und vernünftig reagierte. Janna hatte ganz offensichtlich ein Gespür für Kinder oder Jugendliche. Ihm selbst fehlte diese Eigenschaft mangels Erfahrung, und wenn er sich vorstellte, womöglich mit Alexa auf diesen Einsatz geschickt worden zu sein, schauderte ihn geradezu. Wie hatte Janna es ausgedrückt? Das hätte nach einer halben Stunde Mord und Totschlag gegeben. Da lag sie vermutlich nicht weit von der Wahrheit entfernt. Alexa hatte mit Kindern oder Teenagern nichts am Hut und hätte die kleine Maja eher verschreckt als beruhigt und darüber hinaus wahrscheinlich mit ihrer provozierenden Erscheinung den Hormonhaushalt des Achtzehnjährigen vollständig auf den Kopf gestellt.
Jeweils zwei Eistüten in einer Hand, steuerte Markus auf den Parkplatz zu, blieb dann aber wie angewurzelt stehen. In der Lücke, in der der gelbe Minivan vorhin noch geparkt hatte, stand jetzt ein grauer BMW. Für einen Moment setzte Markus‘ Herzschlag aus, dann wurde ihm eiskalt. Achtlos warf er die Eistüten zu Boden und zog sein Handy aus der Tasche. Dann fluchte er, weil ihm einfiel, dass Jannas Mobiltelefon ausgeschaltet war, genau wie seins. Suchend sah er sich um, rannte ein paar Schritte weiter, doch der Minivan war verschwunden.
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Alles ganz einfach!
Geheimagent Markus Neumann erhält den Auftrag, den jungen Programmierer Mikolaj aus Krakau abzuholen und in den Zeugenschutz aufzunehmen. Das erst achtzehnjährige Computergenie hat eine Software entwickelt, mit deren Hilfe Nachrichtendienste und Polizei sich noch besser vor Hackerangriffen schützen und deren Ursprung zurückverfolgen können. Dazu hat Mikolaj Ressourcen des organisierten Verbrechens angezapft und fürchtet nun um sein Leben und das seiner erst zwölfjährigen Schwester Maja.
Wieder einmal soll die zivile Hilfskraft Janna Berg den Agenten zur Tarnung begleiten und zunächst sieht alles nach einer einfachen Mission aus. Doch die beiden Jugendlichen zu beschützen, wird zur lebensgefährlichen Herausforderung für das ungleiche Agententeam, denn schon bald sind ihnen Auftragskiller dicht auf den Fersen.
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Erscheint voraussichtlich im Juni 2017
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
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