Eigentlich wollte ich mit der Berichterstattung zum Making-of meines neuen historischen Romans Der Hexenschöffe schon viel früher beginnen. Genauer gesagt mit dem ersten geschriebenen Wort. Aber wie das immer so ist – die Zeit lief mir davon, dauernd waren andere Arbeiten zu verrichten. Inzwischen nähere ich mich bereits sehr der Seite 100, was ich als guten Grund empfinde, nun endlich mit ein paar Hintergrundinformationen für euch herauszurücken.
Erst einmal in drei Sätzen ein Überblick, worum es geht:
Rheinbach 1631/35: Hermann Löher, mehrfacher Familienvater, erfolgreicher Kaufmann und Schöffe in Rheinbach muss miterleben, wie in seiner geliebten Heimatstadt immer mehr Menschen als Hexen verurteilt und dem Scheiterhaufen überantwortet werden. Schlimmer noch: Er ist gezwungen, die Urteile mitzutragen, denn ansonsten würde er sich selbst der Hexerei verdächtig machen und riskieren, dass er und seine Familie angeklagt und verbrannt würden. Dennoch gerät er in den Fokus des sadistischen Hexenkommissars Dr. Jan Möden und steht bald vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens …
Dieser Roman ist anders als alle Romane, die ich bisher geschrieben habe. Hauptsächlich deswegen, weil er auf wahren Ereignissen basiert, also nicht wie sonst in meinen Büchern rein fiktiv (vor recherchierter Historie) ist. Das hat für mich sehr umfangreiche Recherchen bedeutet aber auch eine vollkommen neue Herangehensweise an das Thema, an die Figuren, an das komplette Projekt. Ich muss mich in Menschen hineinversetzen, die tatsächlich einmal gelebt haben, und das ist eine besondere Herausforderung. Zwar gibt es ausgezeichnetes Quellenmaterial, aber hier muss man natürlich sehr viel zwischen den Zeilen lesen und eine Menge Empathie aufbringen, um sich vorzustellen (und in Worte zu fassen), was die Menschen damals gedacht und gefühlt haben könnten. Könnten schreibe ich ganz bewusst, denn ich weiß es nicht mit Sicherheit. Ich interpretiere das, was ich in den Quellen lese. Vielleicht liege ich ganz weit daneben, möglicherweise aber auch nicht.
An manchen Stellen schweigen die Quellen auch, so zum Beispiel bei vielen Namen (zum Beispiel der meisten Namen der Kinder meines Protagonisten, und er hatte acht!) aber auch in vielerlei anderer Hinsicht. Hier kann und muss ich mir die künstlerische Freiheit nehmen, doch wieder fiktive Details in den Roman einzufügen. Jedoch bin ich auch hier immer darauf bedacht, mich möglichst an vorhandene Fakten zu halten bzw. mich daran zu orientieren. Das bedeutet zum Beispiel herauszufinden, welche Vor- und Nachnamen in der Region um meinen Schauplatz zu jener Zeit besonders typisch waren, welche Bräuche es gab, welche speziellen Gegebenheiten es gerade in Rheinbach, dem Schauplatz meiner Handlungen für die Einwohner, gab.
Und nicht zuletzt sind die Ereignisse, von denen mein Roman handelt, geschichtlich verbürgt, sodass der Ablauf der Handlung sich entsprechend stark daran orientieren muss. Deshalb arbeite ich diesmal nicht nur mit meinem Arbeitsexposé und meinen Figurensteckbriefen, sondern habe mich vollkommen anders organisiert.
Wenn ich am PC sitze, habe ich hinter mir normalerweise eine große Magnetwand mit einem überdimensionalen Terminplaner. Die Magnetwand hat übrigens mein Mann Paul angefertigt. Er ist mein persönliches handwerkliches Allround-Genie (von Beruf Industriemeister Metallbau) und kann in dieser Hinsicht einfach alles.
Ich habe das von mir hauptsächlich verwendete Quellenmaterial sortiert und nach Personen/Themen/Zeiträumen) aufgeteilt, damit ich nicht den Überblick verliere und die Textstellen meiner historischen Originalquelle, die ich gerade benötige, sofort greifen kann. Der Plot meines Romans ist sehr komplex; anders würde ich seiner vermutlich nicht Herr werden.
Wie kam es überhaupt zu dieser Idee, wollt ihr wissen?
Die Idee schwelt schon seit Jahren, nein, Jahrzehnten in mir. Über Hermann Löher habe ich erstmals mit ungefähr 13, 14 Jahren gelesen, und zwar in einer Festschrift des Rheinbacher Junggesellenvereins, die dieser Ende der 70er Jahre anlässlich seines 375-jährigen Bestehens veröffentlicht hatte. Anstelle einer Chronik entschieden sich die Junggesellen damals, zwei historische Erzählungen des Historikers CL. Wüller in ihre Festschrift aufzunehmen: Die Rheinbacher Hexe und Die Holländer in Rheinbach. Antiquarisch ist diese Festschrift übrigens noch immer erhältlich. Mein Vater hat in den 70er und Anfang der 80er Jahre zum Teil mit Haushaltsauflösungen sein Geld verdient und viele Bücher aus dieser Zeit, die er nicht verkaufen konnte, behalten. Ich erinnere mich noch sehr gut an das riesige Bücherregal in unserem Wohnzimmer. Darin fand ich eben auch diese Festschrift und habe sie dann irgendwann auch mit großer Spannung gelesen.
Seither hat mich Hermann Löhers Geschichte nicht mehr losgelassen, gärte sozusagen in meinem Hinterkopf bzw. Unterbewusstsein. Und jetzt ist es soweit, dass ich daraus einen Roman mache. Den ersten übrigens, der jemals dazu geschrieben (und veröffentlicht) wurde bzw. wird. Es gibt zwar einen Roman von Elmar Bereuter aus dem Jahr 2005 mit dem Titel Lichtfänger, in dem unter anderem auch Löhers Geschichte “nacherzählt” wird, jedoch hält sich Bereuter sehr stark an an die Textvorlage der Originalquelle und übersetzt sie quasi nur ins Neuhochdeutsche. Ein Roman wie der, den ich derzeit schreibe, ist bisher wirklich noch nicht verfasst worden. Eine Tatsache, die mich sehr verwundert, wie ich zugeben muss, denn Löhers Geschichte ist in Historikerkreisen im Bereich Hexenverfolgung ausgesprochen bekannt. Vielleicht hat sich aber auch einfach noch niemand getraut, der Person Hermann Löher und seiner Familie eine Stimme zu verleihen. Einfach ist das nämlich nicht, und vielleicht werden mich die Historiker am Ende dafür steinigen wollen. Vielleicht aber auch nicht. Warten wir es ab.
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Petra Schiers großer Schicksalsroman: Eine wahre Geschichte aus dunkler Zeit
Ganz Deutschland ist vom Hexenwahn ergriffen. Hermann Löher, Kaufmann und jüngster Schöffe am Rheinbacher Gericht, hat Angst um Frau und Kinder. Er glaubt nicht an Hexerei und die Schuld derer, die bereits den Flammen zum Opfer fielen. Eine gefährliche Einstellung in diesen Zeiten. Als die Verhaftungswelle auch auf Freunde übergreift, schweigt Löher nicht länger. Und schon bald beginnt für ihn und seine Frau ein Kampf gegen Mächte, die weit schlimmer sind als das, was man den Hexen vorwirft …
Buchvorschautext, Quelle: www.rowohlt.de
Der Hexenschöffe
Historischer Roman
Petra Schier
Rowohlt-Taschenbuch, ca. 450 Seiten
ISBN 978-3-499-26800-7
9.99 Euro
Erscheint im Oktober 2014
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
Liebe Petra,
ich finde es toll, dass Du Dir diese Aufgabe gestellt hast und was Du uns bisher schon alles dazu berichtet hast. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es keine leichte Sache ist, sich in die Menschen und deren Denken hinein zu versetzen. Hut ab! Und ich bin gespannt auf das Buch und natürlich auf alles, was Du uns dazu noch berichten wirst.
Liebe Grüße
Ulla
Liebe Ulla,
vielen Dank für ein Vorschuss-Vertrauen. Das Buch schreibt sich überraschend flüssig, obgleich es eigentlich schwere Kost ist, zumindest was die Geschichte an sich angeht. In Kürze erhält meine Lektorin eine erste Leseprobe, das ist immer meine erste Hürde. Wenn sie es gut findet (hoffentlich!!!), dann bin ich auf dem richtigen Weg.
Liebe Grüße
Petra
Also, ich drücke Dir schon mal die Daumen für die erste Hürde und denke ganz einfach, bisher waren Deine Bücher toll, warum soll sich das ändern. Auch diese schwere wirst Du mit Deinem Schreibstil bewältigen, ich habe da wirklich vollstes vertrauen