In loser Folge gibt es in der Rubrik Zu Gast bei … Interviews mit Autorenkollegen, Bloggern und anderen interessanten Personen.

Für das heutige Interview hat mir meine Autorenkollegin Verena Rabe Rede und Antwort gestanden. Sie wurde 1965 in Hamburg geboren. In Göttingen und München studierte sie Neuere Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Volkswirtschaftslehre. Nach ihrem Studium und einem mehrmonatigen Auslandsaufenthalt in London arbeitete sie zunächst als Journalistin und begann dann, Romane zu schreiben.
Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Hamburg und ist Mitglied bei DeLiA und im Writers Room und engagiert sich dort seit Jahren im Vorstand.

Veröffentlichungen:

Das Glück in weiße Nächten, ars vivendi Verlag, November 2012
Der längste Tag in unserem Leben, Knaur, Januar 2011
Thereses Geheimnis, Knaur, 2004, ( Bertelsmann Buchclub 2006)
Ein Lied für die Ewigkeit, Knaur 2006, (Bertelsmann Buchclub 2009)
Charlottes Rückkehr, Knaur 2008, (Bertelsmann Buchclub 2007)

Beiträge in Anthologien:

Weihnachten und Paul: Weihnacht, LangenMüller
Elsas Weihnacht: Weihnachtsstern, Lichterglanz, Bertelsmann Buchclub,
Von Kröten und Kellerasseln: Tierische Helden, Bertelsmann Buchclub

Internetseite von Verena Rabe: www.verena-rabe.de
Verena Rabe bei Facebook: https://www.facebook.com/verena.rabe

Im folgenden Interview gibt Verena Rabe sehr interessante und spannende Einblicke in ihre Gedanken- und Arbeitswelt.

Petra Schier:
Gerade ist dein Roman „Das Glück in weißen Nächten“ bei ars vivendi erschienen. Erzähle ein bisschen über das Buch.

Verena Rabe:
Der Roman spielt auf den Lofoten, das ist eine Inselgruppe in Nordnorwegen, 200 Kilometer nördlich vom Polarkreis. In der Geschichte geht es um das Verlieren und Finden der großen Liebe, der Freiheit, das zu tun, was man wirklich möchte und um Familie.
Die Lofoten spielen eine Hauptrolle und wenn es mir gelingt, die Leser zu inspirieren, sich mal diesen Teil der Erde anzusehen und sie verstehen, wie wunderschön Kargheit in der Natur sein kann, freut es mich.

Petra Schier:
Wie kamst du auf die Idee zu deinem allerersten Roman?

Verena Rabe:
Ich habe Neuere Geschichte studiert und 1990 meine Magisterarbeit über Möglichkeiten der Berichterstattung von Auslandskorrespondenten in Berlin von 1938-1942 geschrieben. In den Jahren darauf hatte ich immer wieder gedacht, daraus könnte man eine Geschichte machen. An einem trüben Januartag drei Jahre später war der Gedanke, einen Roman zu schreiben, der einen amerikanischen Auslandskorrespondenten zur Hauptperson hat, plötzlich so präsent, dass ich ihn nicht mehr wegschieben konnte. Bis ich dann anfing, dauerte es noch ein Jahr. Meine Tochter war gerade drei Monate alt, ich fuhr allein eine Skipiste herunter und plötzlich war er da: John Smithfield, der amerikanische Auslandskorrespondent. Er stellte sich mir in Gedanken vor und erzählte mir seine Geschichte. Dann kamen sein Freund, Chaim Steinberg, ein Musiker, und Elisabeth Brandt, dazu, die beide Männer liebten. Und die Geschichte begann.

Petra Schier:
Was bedeutet Schreiben für dich?

Verena Rabe:
Die Schriftstellerei ist schön und schwierig zugleich. Schreiben bedeutet mir alles – neben meinen Lieben.

Petra Schier:

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Verena Rabe:
Wenn ich gerade eine neue Geschichte konzipiere oder schreibe, fahre ich vormittags in den Writers Room. Das ist eine Atelierwohnung unterm Dach in Hamburg-Altona in einer alten Dosenfabrik und in der neben dem Verein Writers Room auch viele Künstlerateliers untergebracht sind. Der WR bietet Hamburger Autorinnen und Autoren einen Platz zum Schreiben und die Möglichkeit zum Austausch. Ich bin jetzt schon seit 14 Jahren dort Mitglied, war zwei Jahre Vorstandsvorsitzende und bin immer mal wieder im Vorstand aktiv.
Im vorderen Raum des WR stehen acht Schreibtische. Ich arbeite meistens am dritten Schreibtisch auf der linken Seite. Ich suche mir die passende Musik aus, setze meine Kopfhörer auf und beginne zu recherchieren oder eine Szene zu schreiben. Ich bleibe bis zum späten Nachmittag im WR. Mittags gibt es manchmal ein gemeinsames Essen mit Kollegen in der Küche oder nachmittags einen Plausch und einen Kaffee.
Im Writers Room sind die Wände weiß und kahl bis auf ein Bild, der Schreibtisch ist leer, nichts lenkt ab. Die Kollegen sitzen im selben Boot wie ich. Das Handy höre ich nicht immer, aber das ist auch egal, alle, die mich erreichen wollen, wissen darüber Bescheid. Wenn es gut läuft, gerate ich beim Schreiben in den Flow. Ich schreibe meine Geschichten in einem durch, danach kommt die große Korrekturphase.
Wenn ich überarbeite, bleibe ich zu Hause. Ich frühstücke meist allein, die Kinder und mein Mann sind schon aus dem Haus, ich genieße die Ruhe und bereite mich auf den Text vor, den ich überarbeiten will. Dann gehe ich in mein Arbeitszimmer und beginne die Korrektur damit, mir die Texte laut vorzulesen. Auch zu Hause lasse ich mich selten ablenken, es gibt ja glücklicherweise Anrufbeantworter. Mittags mache ich mir etwas zu essen und gönne mir manchmal eine Serie im Fernsehen zum Kaffee – momentan Rote Rosen. Dann beginnt die nächste Arbeitseinheit, die bis halb fünf dauert.
Mein Mann ist schon seit 20 Jahren mit mir zusammen. Er und meine Kinder beobachten mich sehr entspannt in den verschiedenen Schreibphasen…

Petra Schier:
Woher nimmst du die Ideen für deine Bücher und wie geht es weiter, wenn so eine Idee erst einmal in deinem Kopf ist?

Verena Rabe:
Erst ist da eine vage Idee, bei meinem gerade veröffentlichten Roman „Das Glück in weißen Nächten“ wusste ich, dass mein nächstes Buch auf den Lofoten in Nordnorwegen spielen muss. Dann kommt ein Bild, hier war es ein Mann, der mit einem Saxofon auf einem Fels hinter einem weißen Holzhaus steht und spielt. Wir sind dann auf die Lofoten geflogen – Norwegen kannten wir schon von etlichen Reisen – und ich habe die Landschaft, die Menschen, alles auf mich wirken lassen. Zwei Wochen lang bin ich nicht ohne mein Notizbuch unterwegs gewesen. Auf den Lofoten kamen auch die restlichen Figuren zu mir. Ab da ist es nicht mehr schwer. Sie erzählen mir ihre Geschichten, ich lerne sie kennen, und nach der Recherche fange ich dann an zu schreiben.

Am Anfang der Arbeit zu meinen ersten vier Romane, die sich mit historischen und zeitgeschichtlichen Themen auseinandersetzten, stand eher eine Idee: Ich will über die Bombennächte im Juli 1943 auf Hamburg schreiben in „Thereses Geheimnis“, über die Olympiade 1936 und die Opfer der Nazidiktatur in „Ein Lied für die Ewigkeit“, über die jüdischen Kindertransportkinder, die gerettet wurden in „Charlottes Rückkehr“. Über fünf Menschen in London im Juli 2005 vor, während und nach den Attentaten in „Der längste Tag in unserem Leben“. Aber diese Ideen waren auch mit inneren Bildern, Fotos oder eigenen Eindrücken verbunden, wie in „Der längste Tag in unserem Leben“, wo ich zum Zeitpunkt der Attentate auf die U-Bahnen und den Bus auf der Circle Line nur drei Stationen von einem Anschlagsort entfernt war.

Petra Schier:
Was tust du am liebsten, wenn du nicht gerade an einem Roman arbeitest?

Verena Rabe:
Ich fahre nach Berlin, besuche Freunde und Familie und lasse mich von dieser wunderbaren, aufregenden, widersprüchlichen, energiegeladenen Stadt inspirieren. Oder ich gehe ich mit meinem Mann gerne ins Theater oder ins Kino, ich treffe mich mit Freunden, koche für sie oder ich suche die Stille unter Wasser beim Schwimmen oder beim Segeln. Und ich verbringe sehr gerne Zeit mit meinen fast erwachsenen Kindern, sofern sie dann einen Termin frei haben.

Petra Schier:
Wie empfindest du die Literaturlandschaft im Jahr 2013? Welche Gefahren, welche Chancen siehst du sowohl für Verlage als auch für Autoren, die ihre Bücher verlagsunabhängig publizieren?

Verena Rabe:
Ich sehe eine große Gefahr der Gleichmacherei, dadurch, dass die Autoren der Midlist immer weniger werden oder gezwungen sind, Dinge zu schreiben, die ihre Chancen auf einen Platz auf der Bestsellerliste verbessern, auch wenn sie eigentlich ganz andere Geschichten im Kopf haben. Was dagegen hilft, ist Sturheit, Ausdauer, um den Spagat zwischen Individualität und den Ansprüchen des Marktes zu schaffen. Ich habe noch nicht verlagsunabhängig publiziert und sehe für mich auch nicht in der Zukunft diesen Weg. Ich brauche einen Partner an meiner Seite, der sich um die Vermarktung kümmert. Ich mache ja auch nicht meine Buchverträge selbst, sondern haben dafür einen Agenten. Aber ich glaube, dass durch die selbst ins Netz gestellten EBooks die Chancen sehr viel größer geworden sind, ohne einen Verlag in den Literaturbetrieb zu kommen. Ich hoffe, dass sich wieder mehr kleine Buchhandlungen auf die Fahne schreiben, ein spezielles Angebot zu haben, dass die mittleren Verlage gestärkt werden und die Vertreter der großen Verlage sich wieder trauen, auch Autoren zu publizieren, die etwas abseits vom Mainstream anzusiedeln sind. Nur so kann die Vielfältigkeit in der Literatur erhalten bleiben.

Petra Schier:

Was können deine Leser in den kommenden 5 Jahren von dir erwarten? Welche Pläne hast du?

Verena Rabe:
Ich beginne gerade mit einem Roman, der in Mexiko spielen wird, im Winterprogramm 2013-14 erscheint ein Familien- und Liebesroman, der in der Bretagne spielt, bei Knaur, der genaue Termin steht aber noch nicht fest. Bisher habe ich immer schon die nächste Idee für einen Roman gehabt, bevor der Vorgänger fertig war, und so wird es auch weitergehen.

Petra Schier:
Wenn du dich mit drei Wörtern beschreiben müsstest, welche wären das?

Verena Rabe:

Lebensfroh, zielstrebig und spontan

Petra Schier:
Liebe Verena, ganz herzlichen Dank für das interview!


Verena Rabes aktueller Roman:

Cover Das Glück in weißen NächtenDas Glück in weißen Nächten
Verena Rabe
Roman
ars vivendi
Klappenbroschur, 216 Seiten
ISBN 978-3-86913-176-4
13,90 Euro

Am Tag nach seiner Scheidung fliegt Matthias Mohn, Meeresbiologe aus Berlin und Vater zweier Kinder, spontan nach Norwegen. Moa Lund, die als Köchin in einem Hamburger Szenerestaurant arbeitet, erhält etwa zur selben Zeit von ihrem Vater eine Einladung zu dessen Jazzkonzert auf den Lofoten. Auf ihrer Reise kreuzen sich Moas und Matthias’ Wege zufällig, und sie verlieben sich ineinander. Doch beide tragen ihre Enttäuschungen in Sachen Liebe wie Rucksäcke mit sich herum, schnell kommt es zu Missverständnissen. Die inneren und äußeren Hürden scheinen unüberwindbar, sodass sie getrennt nach Deutschland zurückkehren. Aber bald schon vermissen sie einander – und die weißen Nächte auf den Lofoten …

Klappentext und Cover: www.arsvivendi.com

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