Ein Guinness auf die Freundschaft! Oder doch nicht??

von Ulla Leuwer; Eingangsdatum 5. Januar 2015

2. Weihnachtstag

Irgendwie wirkte Janna auf ihre Familie ganz anderes als am Tag zuvor. Den Kindern fiel es natürlich nicht auf, aber ihre Mutter und ihre Schwester stutzten doch etwas. Wenn Janna meinte, dass sie unbeobachtet ist, lächelte sie immer vor sich hin. Nein, es lag natürlich nicht daran, weil sie am Nachmittag mit Markus verabredet war. Zumindest redete sie sich das ein.
„Hast Du heute noch etwas vor?“ fragte ihre Mutter, weil Janna außerdem etwas unruhig wirkte und nicht wie gewohnt ihren gemütlichen Jogginganzug zum „Zweiten-Weihnachtstagfaulenzen“ angezogen hatte.
„Achja, ich würde mich heute Nachmittag gerne noch einmal mit Kollegen treffen. Aber diesmal wird es nicht spät. Es ist eigentlich nur ein gemütliches Treffen zur Kaffeezeit. Meinst Du, Ihr kommt mit den Kindern ohne mich klar?“ Hoffnungsvoll blickte Janna ihre Mutter an.
„Na, klar, gehe ruhig. Wir machen es uns schon gemütlich und Du genieße die Zeit mit Deinen Kollegen. Haben sie denn alle keine Familie? „ meinte Linda Berg dann doch.  Insgeheim glaubte sie nicht an ein Treffen mit allen Kollegen, wer weiß was dahinter steckte. Aber sie freute sich, dass Janna mal wieder etwas unternahm und nicht nur dienstlich unterwegs war.
Zum Glück brauchte Janna nicht zu antworten, denn Susanna und Till stürzten in die Küche, um Linda zu einem Spiel zu holen. Jannas Mutter hatte ihnen versprochen mit ihnen eins der neuen Spiele zu machen.
Ein bisschen aufgeregt war Janna dann doch und sie überlegte, was sie anziehen sollte. Eigentlich legte sie keinen großen Wert darauf. Einfach und praktisch, so hatte sie ihre Kleidung am liebsten. Aber heute war doch noch Weihnachten und ein bisschen schick wollte sie sich dann doch anziehen. Auf der anderen Seite sollte Markus sich nicht einbilden, dass sie sich extra für ihn heraus geputzt hätte. Hach, eine schwere Entscheidung. Da fiel ihr ein, dass Feli ihr doch ein ganz tolles Tuch mitgebracht hatte, was wunderbar zu ihrem Lieblingspulli passte und so ein bisschen edel wirkte. Ja genau, das war es, so ein Tuch wirkt immer!

Gegen halb vier machte Janna sich auf den Weg ins HellHole. Sie hatte ausreichend Zeit, wollte aber auch nicht zu früh und nicht zu spät kommen. Sie wunderte sich, warum sie sich so viele Gedanken machte. Schließlich würde sie doch nur Markus treffen, einen guten Freund, oder?
Inzwischen war es kälter geworden und als sie das HellHole betrat empfing sie eine angenehme Wärme. Außerdem roch es so wunderschön weihnachtlich. Michael und Brian begrüßten sie so überschwänglich, als hätten sie sie ewig nicht gesehen, dabei waren es ja gerade erst 2 Tage her. Aber daran wollte Janna jetzt nicht denken. Suchend schaute sie sich um und entdeckte Markus in einer gemütlichen Nische. Freudig stand er auf und begrüßte Janna mit einem freundschaftlichen Küsschen auf ihrer Wange.
„Ich freue mich, dass Du es geschafft hast, hat Deine Familie Dich so einfach gehen lassen?“
„Ja, die Kinder nutzen die Gelegenheit, dass sie so viele erwachsene Spielgefährten haben und meine Eltern und Geschwister können mit ruhigem Gewissen Blödsinn mit den Kindern machen.“
„Ich habe uns diese Nische reserviert, dort können wir ungestört sitzen und erst einmal etwas von den tollen Weihnachtsleckereien naschen“ meinte Markus „Später setze ich mich dann ans Klavier. Hast Du eigentlich besondere Musikwünsche?“
Janna war zunächst etwas erstaunt, Markus war so ganz anders als sonst, viel lockerer. Aber sie wollte darüber nicht nachdenken, sondern den Nachmittag mit ihm genießen.
„Nun, eigentlich haben wir beide einen ähnlichen Musikgeschmack und ich lasse mich gerne von Dir überraschen“ antwortete sie „ aber jetzt zeig mir doch erst einmal, was hier alles leckeres steht“
Michael und Brian haben sich richtig Mühe gegeben und einige Spezialitäten aufgetischt. Auch ein Guinness gehörte dazu und nachdem Janna ein paar Schlucke getrunken hatte, bekam sie richtig rote Wangen, war sie Alkohol doch kaum gewohnt. Allerdings wurde sie noch redseliger, als sie es sonst schon war, nur diesmal steckte sie Markus an und die beiden unterhielten sich richtig gut. Markus hielt sich mit seinen Erzählungen, was er als Junge so getrieben hatte sehr zurück, aber die eine oder andere Anekdote aus seinem Berufsleben konnte er beitragen, denn nicht immer ging es so dramatisch wie in den letzten Tagen zu. Janna konnte ihm erzählen, was sie so alles mit ihren Geschwistern erlebt hat. Dann kamen sie wieder auf das Thema Musik zu sprechen und Markus setzte sich ans Klavier. Er hatte einen weiteren Hocker daneben gestellt und bat Janna dort Platz zu nehmen. Markus hatte sie am 24. schon mit seinem Talent überrascht und hier konnte er nun in aller Ruhe zeigen, was er spielen konnte. Janna saß ganz verzückt neben ihm und sie wünschte sich, dass sie noch viele solche Nachmittage erleben könnten. Nachdem Markus eine ganz Weile gespielt und einige Musikwünsche erfüllt hatte, setzten sich beide wieder in die gemütliche Nische. Janna war immer noch ganz überwältig von dem besonderen Musikgenuss, den ihr Markus beschert hatte. Sie strahlte ihn an und irgendwie hatte man das Gefühl, dass so kleine ganz besondere Funken von dem einen zu dem anderen springen würden. Sie merkten überhaupt nicht mehr, was um sie herum geschah. Schnell waren sie wieder in einem sehr anregenden Gespräch vertieft und selbst Markus legte seine Zurückhaltung ab und fühlte sich so richtig wohl. Deshalb  überlegte er gerade, ob er mit Janna einen kleinen Spaziergang machen sollte, bevor er sie zum Abendessen einladen könnte. In diesem Moment klingelte Markus Handy. Etwas verärgert schaute er aufs Display und wunderte sich, dass ihn sein Vater anrief. „Nanu, was will denn mein Vater von mir. Am liebsten würde ich nicht drangehen“ meinte er. „Das kannst Du nicht machen, geh dran“ forderte Janna ihn auf.
„Hallo Vater, was gibt es? Wie bitte???“  Janna schaute Markus erschrocken an, der ganz blass wurde. Was war denn jetzt wieder los?

© Ulla Leuwer

Gehe direkt ins Gefängnis,

gehe nicht über Los und ziehe keine 4000 Euro ein

von KriSa; Eingangsdatum 6. Januar 2015

Bonn, Innenstadt
HellHole
Montag, 26.12. 16:05

Verzweifelt rüttelte Janna am Türgriff, probehalber versuchte sie die schwere Eisentür aufzudrücken. Vergeblich.  Nervös blickte sie auf ihr Smartphone. Keine Nachricht von Markus! Ihr Blick fiel auf die Uhr: Sie war zu spät, aber war das etwa ein Grund, das HellHole zu verrammeln und sich zu verstecken? Noch einmal stieß sie an die Tür, die keinen Zentimeter nachgab. Warum war die Kneipe geschlossen? Und wo war Markus? Bisher hatte er seine Zusagen immer eingehalten, Janna erstarrte. Was wenn, ein Verbrecher der Heiligen Nacht fliehen konnte und Markus in Gefahr schwebte? Wer weiß? Besser sie informierte  das Institut, das Codewort kannte sie ja. Stockfisch. 
Jannas Finger scrollten bereits durch ihr Telefonbuch, aber was wenn sie die Pferde scheu machte, wegen nichts und wieder nichts? Janna dachte an Alexa und Melanie. Ein Schaudern breitete sich auf ihrem Rücken aus und zog in den Nacken hoch, sie sah schon den Gesichtsausdruck der beiden Agentinnen vor sich. 
Erschrocken zuckte sie zusammen als die Melodie ihres Smartphones ertönte. „Wo steckst du denn?“, erklang die tiefe Stimme des Agenten aus ihrem Handy.
Vor Erleichterung wurde Janna schwarz vor Augen.  Dann drangen jedoch seine Worte in ihr Bewusstsein. „Hier, und wo bist du? Wir waren doch verabredet, dafür habe ich ein Rendezvous mit Brad Pitt in Troja abgesagt, die Zwillinge müssen jetzt mit meinem Vater alleine den Film im ZDF schauen und werden sich wieder die Mägen mit Plätzchen vollschlagen, sodass kein Platz mehr für was anderes ist. Dann werden sie wieder Bauchschmerzen bekommen und die ganze Nacht unruhig sein…“
„Janna, hol mal Luft“, unterbrach Markus sie. „Natürlich habe ich dich nicht vergessen, aber Brian und Michael  öffnen am zweiten Weihnachtsfeiertag erst um 21 Uhr, das hatte ich verschwitzt. Rechts von dir geht’s  hoch zu ihrer Wohnung, ich mache dir auf.“ Ein Knacken deutete an, dass Markus aufgelegt hatte und schon vernahm sie das Summen der Haustür. 
Zögernd betrat Janna das Haus und stieg langsam die Stufen hoch. Im ersten Stock angekommen, betrachtete sie die einen Spalt breit geöffnete Wohnungstür. Nervös strich sie sich eine widerspenstige Locke hinters Ohr zurück und schreckte zusammen, als der dunkelhaarige Brian die Tür schwungvoll aufriss. „Komm rein Janna, wir warten schon auf dich. Kannst du Skat spielen, wir benötigen noch einen vierten Mann, eh Mitspieler und du kommst wie gerufen.“ Ohne auf Jannas Zaudern zu achten,  zog der Kneipenbesitzer sie in die Wohnung und nahm ihr ihren Mantel und den hellblauen Schal ab. „Da geht’s lang“, er zeigte in Richtung eines Zimmers und schob sie durch die Tür. 
„Janna, gut das du da bist“, begrüßte sie Brians Lebensgefährte Michael. „Wir wollen Skat kloppen und du spielst mit.“
„Hallo Michael“, mit einem befreiten Lächeln ergriff Janna die ihr angebotene Hand. „Nein, leider spiele ich kein Skat, aber Rommee. Hallo Markus.“
„Hallo Janna. Nein, Rommee spielen nur ältere Damen wenn ihnen die Bingokarten ausgegangen sind. Wir können es dir ja beibringen“ schlug Markus vor.

***

Ein halbe Stunde später bereute Markus seinen Vorschlag. Er hatte noch nie jemanden gesehen, der ein so schlechtes Pokerface wahrte. Nicht nur, dass er bereits beim Kartenausteilen und Aufnehmen an Jannas Gesicht erkannte, wie ihr Blatt war, nein auch Brian und Michael konnten in Jannas Miene, wie in einem Buch, lesen. Zugute halten musste Markus ihr, dass sie sich die Spielregeln nach einmaligem Erklären gemerkt hatte, aber trotzdem machte das Spiel keinen Spaß.
„Können wir nicht vielleicht doch etwas anders spielen?“
Jannas leise Frage entlockte ihm einen freudigen Seufzer, auch die beiden anderen Männer wirkten erleichtert und in den, in den letzten Minuten, immer stiller gewordenen, Brian kam wieder Leben. Er sprang auf und reckte die Fäuste in den Himmel. „Ja, ein Gesellschaftsspiel, vielleicht Monopoly. Das letzte Mal ist schon ewig her  und spaßig ist es auch. Markus? Janna?“ Michael wartete die Antwort nicht ab, sondern griff gezielt in das hinter dem Sofa stehende Regal.
„Das ist eine gute Idee“, erwiderte Janna. „Ich bin die Bank und meine Spielfarbe ist blau.“
Spöttisch beugte sich Markus zu ihr vor. „Wollen wir hoffen, dass die Bankkaufrau dir besser steht als die Zockerin.“
„Was soll denn das heißen?“ Entrüstet verschränkte Janna ihre Arme vor der Brust. „So schlecht bin ich doch beim Skat gar nicht gewesen.“
„Ne, das war nicht schlecht, das war grottig“, warf Brian ein, lächelte aber Janna, um seine Worte abzumildern, an. Nun stahl sich auch ein Lächeln auf die Lippen von Markus, gemütlich im Stuhl zurückgelehnt, beobachtete er  Michael und Janna, die das Spielfeld ausbreiteten, und griff nach der Packung Dominosteine.
„Mist, die sind ja leer!“, beschwerte er sich bei Brian, der in der Küche verschwand. „Ich erwärme noch mal ein oder zwei Flaschen Glühwein und Plätzchennachschub kommt auch gleich.“

***

„Und von dir bekomme ich Miete, da stehen drei Hotels auf dem Feld“, Janna streckte ihre offene Hand Richtung Markus.
„Ja, Moment“ grummelte Markus. „Schon seit Runden habe ich kein Glück. Entweder bin ich im Gefängnis oder lande bei  unserem Immobilienhai. Wenn ihr gewinnen wollt, dann solltet ihr von mir armen Schluckspecht ablassen und euch auf den wahren Feind konzentrieren.“ Er schloss Michael und Brian mit einer Handbewegung ein und deutete dann auf Janna, schließlich  verzog er den Mund trotzig wie ein Kind. 
„Armer Markus“, lachte Janna und prostete ihm mit ihrem Glühweinbecher zu. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Ist doch nur ein Spiel, aber trotzdem bekomme ich jetzt das Geld von dir. Vielleicht solltest du eine Hypothek auf deine letzte freie Straße aufnehmen.“
„Du hast es wirklich auf mich abgesehen, du willst mich platt machen!“ Markus klang jetzt wie Till, wenn er abends ins Bett sollte.
Janna versuchte ernst zu bleiben und erklärte ihm mit geduldiger Stimme. „Nein das stimmt nicht, ich brauche das Geld nun mal, um meine letzte Stadt zu bauen.“ 
„Deine letzte Stadt?“ Markus sank auf seinem Stuhl zusammen. „Das gibt’s doch gar nicht! Ich habe bisher eigentlich nur Schulden gemacht. Erinnere mich daran, dass nächste Mal keine Rücksicht zu nehmen und deine Tage, wo du das Spiel eröffnen kannst, sind auch vorbei.“
„Tja, selbst schuld. Also, was ist nun, bist du Bankrott?“
Brian, der Markus genau beobachtete, legte seine Geldscheine auf den Tisch und stand auf. „Ich denke, Janna hat uns alle abgezogen und das ginge jetzt endlos weiter. Nur leider, müssen Michael und ich diese illustre Runde verlassen.“ Er blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr und drehte den Kopf hektisch zu seinem Lebensgefährten. „In 15 Minuten öffnen wir die Tore. Wir müssen Geld verdienen, damit unsere Freunde beim nächsten Spieleabend wieder so viele Kekse und Salzstangen essen können.“
„Geht ruhig“, warf Janna ein und erhob sich nun ebenfalls.  „Vielen Dank für den schönen Nachmittag, das war richtig lustig. Und nun ab mit euch, der Verlierer räumt auf und ich helfe ihm. Vielleicht.“

©KriSa 2015

Weihnachten im Pub

von Nicole Klein; Eingangsdatum 14. Januar 2015

Im Pub gibt es eine Karaoke-Veranstaltung, bei der Janna gleich und Markus nach anfänglicher Abwehr mitmachen.
Es macht ihnen dann doch Spaß und nach einigen Liedern gibt es ein Duo, bei dem beide sich etwas annähern. Nachdem sie überrascht in einer Umarmung innigere Gefühle bemerken, gehen sie abrupt auf Abstand und die freundschaftliche Atmosphäre kühlt ab. Als dann auch noch Markus` Vater ins Pub kommt, weil er seinen Sohn vor dem Auftauchen eines Ablegers der Söhne der Sonne warnen möchte, wird der anfänglich harmonische Tag für Markus zur Hölle.
Denn Janna bittet den Vater sich zu ihnen zu setzen und beginnt ein Gespräch mit ihm. Markus fühlt sich wie das fünfte Rad am Wagen und möchte die Begegnung abbrechen. Kurzerhand geht er spazieren, um frische Luft zu schnappen.
Nachdem er nicht zurückkommt versucht Janna ihn anzurufen, aber ohne Erfolg.
Dann bekommt sie einen Anruf von seinem Handy - mit der Ankündigung, dass Markus den nächsten Tag nicht mehr erleben wird...
Während der gemeinsamen Suche bekam Janna auch eine Vorstellung davon, wie anstrengend Markus Vater sein kann. Irgendwie kann sie Markus sogar verstehen, aber trotzdem würde sie die beiden gerne versöhnen...

© Nicole Klein

Niemals gemeinsam alleine

von Melanie Döring; Eingangsdatum 23. Januar 2015

Janna steht vor ihrem Schrank und weiß einfach nicht, was sie zur Verabredung mit Markus heute anziehen kann. Immerhin sollte es auch nicht zu auffällig sein, damit die Familie nichts merkt.
Wie aufs Stichwort kommt Till hinein gerannt. „Was machst du dich denn so schick? Willst du noch weg?“.
Eigentlich sollte Till überhaupt nicht mehr da sein. „Wolltest du nicht mit deiner Schwester und Bernd zum Weihnachtsmarkt?“ fragte Janna. „Immerhin ist heute das Theaterstück auf dem großen Platz und ihr wolltet es doch unbedingt anschauen.“
Till verzieht das Gesicht. „Das war aber nicht meine Idee!“
„Du gehst da jetzt trotzdem hin. Ich hab noch etwas zu erledigen und jetzt leider keine Zeit mehr.“ Mit diesen Worten nimmt Janna sich ihren Lieblingspullover und verschwindet im Bad.
Till schaut ihr kurz nach, zuckt mit den Schultern und macht sich auf die Suche nach seiner Schwester.
Janna weiß nicht, warum sie sich so viele Gedanken um ihr Aussehen macht. Markus ist einfach nicht ihr Typ und er will ja auch gar nichts von ihr. Zumindest verhält er sich immer so. Mit diesen Gedanken macht sie sich auf den Weg zum HellHole. Immerhin sind sie heute zum Essen verabredet. Sie ist extra etwas früher losgefahren, da die Fahrbahn vereist sein soll.

Sie kommt heil an und unterhält sich kurz mit den Besitzern. Es ist angenehm warm im Irish Pub. Lange muss sie auf Markus auch nicht warten. „Hey Markus, wie war dein Tag“, begrüßte Janna ihn.
„Ach so weit ganz gut, danke der Nachfrage. Wollen wir uns setzen?“
Kurze Zeit später, bestellten sie sich etwas zum Essen. Janna trinkt ein Wasser und Markus das Übliche. Er ist Stammgast und trinkt immer das Gleiche. 
„Wie geht’s Alexa?“, beginnt Janna endlich das Gespräch, obwohl das Schweigen jetzt nicht unangenehm war. Es gab jetzt aber auch nicht viel zu sagen, da beide mit Essen beschäftigt waren.
„So weit ganz gut. Immerhin ist sie Agentin und da gehört so etwas ja fast zum Alltag.“
„Hmm, wahrscheinlich hast du Recht. Wie war denn dein Abend gestern noch so?“
„Ach nichts Besonderes. Es sind ja Feiertage und somit nicht viel los. Außerdem hatten wir gerade erst den Fall mit den Weihnachtsmännern und davon muss man sich erst etwas erholen. Ich habe daher gestern nicht so viel gemacht, außer auf der Couch gegessen und ein Football Spiel geschaut. Ich freue mich aber, heute mit dir den Abend zu verbringen.“
Ein leichtes Grinsen tauchte auf Markus Gesicht auf. Oder hatte Janna sich das nur eingebildet? Sie weiß nicht so Recht, was sie jetzt denken soll. Noch total in Gedanken, bekommt Janna nicht mit, wie Markus sie mustert.

Für ihn ist es ja auch einen neue Erfahrung, dass er vielleicht doch mehr für Janna empfindet, als gut für ihn ist. Wo das noch alles hinführen soll, ist ihm nicht ganz klar.
„Was machst du denn Silvester“, wollte Janna plötzlich wissen.
Was sollte er nur so schnell antworten. Vielleicht die Wahrheit? Nein, das geht nicht. „Ich werde nicht hier sein. Ein Geheimauftrag des Instituts.“
„Ach so, das ist natürlich wichtiger. Ich werde wohl mit den Zwillingen und meinen Eltern Silvester auf dem Hof verbringen. Wir spielen Spiele und essen Fondue oder Raclette. Mal sehen. Anschließend noch „Dinner for One“ im Fernsehen geschaut und dann raus zum Feuerwerk. Dann hoffe ich, dass die Kinder müde genug sind und freiwillig ins Bett gehen. Ist nicht immer so einfach zu Silvester. Immerhin ist alles so aufregend.“, plapperte Janna vor sich hin.
Warum war sie nur so nervös. Wir trafen uns doch nicht das erste Mal alleine. Irgendetwas war anders. Aber er sollte keine Zeit mehr haben es herauszufinden. Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre im Pub und er musste schnell handeln.

Es brach Panik aus, da es eine Erschütterung im Restaurant gab. Markus konnte so schnell leider nicht erkennen, was die Ursache gewesen ist. Er musste es herausfinden. Und schon machte er sich auf dem Weg zum Ausgang. Auf der Straße angekommen, erblickt er ein einziges Trümmerfeld. Anders kann er es nicht beschreiben. Was war passiert? Er spürte, dass Janna ihm dicht gefolgt ist und nun auch das Ausmaß der Katastrophe erblickte.
Sie schlägt die Hände vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Die ganze Straße  bestand aus Wrackteilen und Leichen. Ein Flugzeug war abgestürzt, warum auch immer. Er musste herausfinden was passiert war.

Während Markus versuchte sich einen Überblick zu verschaffen, schaute Janna, ob sie jemanden helfen konnte. Sie wusste nur nicht genau, wo sie anfangen sollte. Nervös strich sie sich eine Strähne hinter das Ohr, welche sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. An Markus gewandt. „Das ist ja schrecklich! Was können wir denn jetzt machen?“
Etwas ratlos schaut Markus sich um, zückt sein Telefon und ruft im Institut an. Es dauerte eine Weile, bis jemand abnahm. Im Moment ist da Feiertagsbesetzung und somit schwierig, den richtigen Mitarbeiter zu erreichen. „Ja, hier ist Markus. Ich brauche dringend Informationen zu einem kürzlichen Flugzeugabsturz in der Innstadt. …... Wie sie wissen darüber nicht? Ich stehe mitten in Trümmern und brauche Verstärkung.“  Mit diesen Worten legte er auf und schaute sich nach Janna.
Diese stand nicht weit weg von ihm und suchte nach Überlebenden. Sie wird nur keine finden. So etwas Schreckliches zu Weihnachten zu erleben, ist nicht leicht zu verkraften, aber Janna hat ja schon andere Sachen erlebt. Weiteraus schlimmere Sachen. Man denke nur an den vorletzten Fall.
„Janna, ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ich weiß nicht so recht. Können wir denn gar nichts mehr machen, um den Leuten hier zu helfen? Immerhin haben die ja auch Familie und die sollte doch Bescheid wissen, oder nicht? Nicht auszudenken was für Sorgen sie sich machen müssen. Was würde ich machen, wenn meiner Familie etwas zustoßen würde. Ich wäre am Boden zerstört.“ Vor Aufregung merkte Janna nicht, dass sie ins wieder plappern gekommen ist. Aber das ist auch alles so schrecklich. Was sollten sie bloß machen? Irgendetwas musste jetzt unternommen werden, sonst würde sie noch durchdrehen. Kaum hatte sie das zu Ende gedacht, stürzte sie sich auch schon wieder ins Gewühl. Vielleicht konnte sie ja doch noch jemanden retten! Zum Glück hörte sie im Hintergrund schon die Sirenen der Krankenwagen. Hilfe war also unterwegs.

Obwohl Markus nicht viel Hoffnung hatte, half er Janna beim Suchen. Wenigstens wurden sie so etwas abgelenkt und mussten nicht zu viel über diese erneute Katastrophe, die sie mal wieder heimgesucht hat, nachdenken.
Irgendwie passieren immer komische Dinge, wenn ich mit Markus zusammen bin, überlegte Janna gerade, als sie ein Geräusch vernahm. Ganz in Nähe hörte sie ein wimmern. „Markus! Hast du das auch gehört? Da war irgendwas.“
Angestrengt versucht Markus über den Lärm, den die Rettungsleute veranstalten, hinwegzuhören und auch er hat das Gefühl, etwas gehört zu haben. „Leute, seid mal eben still! Wir haben da etwas gehört“, ruft er aus.
Plötzlich ist alles ganz still und alle lauschen.
Tatsächlich ist es ganz deutlich zu hören. Nur was ist das und wo kommt es her? Fieberhaft machten sich alle auf die Suche. Unter einem zusammengestürzten Haus wird das Wimmern lauter. Als Janna näher tritt, kann sie es ganz deutlich hören. Aber es ist kein Mensch, welcher diese Laute von sich gibt. Nach kurzer Suche entdeckt sie einen kleinen Hund. Sie ist etwas traurig und gleichzeitig froh. „Markus schau mal! Wir müssen ihn schnell zum Tierarzt bringen. Vielleicht wird er das ja überleben.“ Sie zeigt Markus das kleine Lebewesen. Vielleicht kann sie ihn ja auch behalten, wenn der Besitzer sich nicht meldet, überlegte sie. Die Kinder werden sich bestimmt freuen und auch für Bella wäre es gut, dann wäre die Hündin nicht mehr alleine.

Markus und Janna machen sich auf dem Weg in eine Tierklinik, damit sich jemand um das kleine Geschöpf kümmern kann. Den Trümmerhaufen überlassen sie den Rettungskräften und den anderen Helfern. In der Zwischenzeit hat es angefangen zu schneien und das Chaos wird unter einer weißen Schneedecke versteckt. Dies macht den Einsatzkräften die Suche allerdings nicht leichter.
„So ein armes kleines Wesen. Hoffentlich wird es wieder gesund. Vielleicht kannst du ihn sonst auch nehmen, Markus. Was meinst du?“
„Ich habe doch überhaupt keine Zeit für einen Hund. Das erlaubt mir der Beruf schon nicht. Außerdem weißt du doch, dass ich in den nächsten Tagen zu einem geheimen Einsatz muss.“
Stimmt, das hatte Janna total vergessen. Überhaupt ist aus ihrem gemeinsamen Abend wieder mal etwas anderes geworden, als es hätte sein können. Es ist ja noch etwas Zeit. Man muss ja auch nicht alles überstürzen.

ENDE

© Melanie Döring

Ein Spitzel für Janna

von Susen Pfifferling; Eingangsdatum 24. Januar 2015

Bonn, Innenstadt
HellHole
Montag, 26. Dezember, 16Uhr

Um Punkt 16 Uhr betrat Janna etwas atemlos den Irish Pub HellHole. Sie hätte nicht gedacht, dass sie es annähernd pünktlich zu ihrer Verabredung mit Markus schaffen würde, denn auf dem Weg dorthin waren aufgrund von Blitzeis zwei Autos zusammen geknallt und hatten die Hauptstraße verstopft. Scheinbar hatten sich am zweiten Weihnachtsfeiertag einige Familien das gemütliche Heim verlassen, um auswärts Kaffee zu trinken oder Verwandte zu besuchen. Auf jeden Fall waren die Straßen für einen Feiertag unverhältnismäßig gut frequentiert gewesen und der Unfall hatte scheinbar für großen Unmut gesorgt. Im Gegensatz zu den genervten Familienvätern und herausgeputzten Frauen hatte sich Janna zunächst nicht aus der Ruhe bringen lassen. Nicht nur war sie von Natur aus ein eher besonnener Typ, aber die letzten Jahre hatten sie gelehrt, dass sich manche Dinge nicht ändern ließen und all die Aufregung verschwendete Liebesmüh war. Seitdem sie als Ziehmutter von mittlerweile neunjährigen Zwillingen fungierte, wusste sie, dass man mit Ruhe und Besonnenheit wesentlich mehr erreichen konnte – zumal man die Energie für wirklich brenzlige Situationen brauchte. Und diese gab es in letzter Zeit zur Genüge. Doch der Gedanke an Markus und die bevorstehende Verabredung ließ Janna dann doch ein wenig nervös werden.
Ihr Leben hatte in den vergangenen Jahren zwei entscheidende Wendungen erfahren. Die eine war der Tod ihrer Cousine und die Entscheidung, deren Zwillinge zu adoptieren und großzuziehen. Die andere Wendung begann mit dem Geheimagenten Markus Neumann, der vor nicht allzu langer Zeit in ihr Leben trat. Damals brauchte er eine schnelle Rettung, doch aus der zufälligen Begegnung wurde eine mehr oder minder unfreiwillige Partnerschaft. Dann entdeckte der als Institut für Meinungsforschung getarnte Geheimdienst Jannas „Potential“ und ihr wurde ein Job als zivile Mitarbeiterin angeboten. Diese Entscheidung brachte allerlei Gefahren mit sich und hätte nicht selten tödlich enden können.  In Wirklichkeit hätte sie es sich nie im Leben vorstellen können, selbst einmal in einer Verfolgungsjagd zu landen oder verdeckt zu ermitteln. Manchmal kam die Hausfrau und Ziehmutter sich vor, als ob sie blind in einen James Bond Film gestolpert wäre. Bisher ist alles gut gegangen, aber sie haderte schon länger mit ihrer Rolle als zivile Mitarbeiterin. Schließlich ging es nicht nur um ihr Leben – als Mutter musste man auch bedenken, was mit den Kindern geschah. Außerdem hatte Janna große Angst, dass sie mit ihren kleinen Aufträgen für den Geheimdienst auch ihre Familie gefährden könnte.
Daher dachte sie schon seit einiger Zeit darüber nach, ihre Zeit als zivile Hilfskraft zu beenden und sich wieder vermehrt ihrem Büroservice zu widmen. Aber wie so oft kommt alles ganz anders, als erwartet. So auch zu Heiligabend. Wobei Janna den Tag mit ihrer Familie verbrachte und nur kurz ihren Kollegen besuchen wollte. Nach einigen Einsätzen mit Markus wusste sie, dass der charmante Einzelgänger den 24. Dezember am liebsten in seiner Stammkneipe, dem HellHole verbrachte.  Janna tat dieser Umstand schon ein wenig Leid und sie hatte sich ein Herz gefasst, sich von ihrer Familie mit der Ausrede zu einer Weihnachtsfeier am Institut für Meinungsforschung zu gehen verabschiedet und auf den Weg zu Markus gemacht, um ihm etwas Gesellschaft zu leisten.
Das dachte sich ebenfalls seine Kollegin Alexa, die ihn mit ihrer wallenden Mähne in einem hautengen Hosenanzug um den Finger wickeln wollte. Janna selbst wäre nie der Gedanke gekommen, den Agenten mit ihren weiblichen Reizen von sich überzeugen zu müssen. Allerdings konnte sie sich überhaupt nicht mit der toughen Agentin vergleichen. Dennoch war sie kein bisschen neidisch auf den sexy Auftritt. So viel Respekt sie Alexa auch für ihre Fähigkeiten als knallharte Agentin entgegenbrachte, aber scheinbar merkte sie nicht, dass sämtliche Anmachversuche auf taube Ohren stießen.  Denn die kurze Affäre der beiden, die nun schon länger zurücklag, schien bei Alexa einen weitaus tieferen Eindruck hinterlassen zu haben, als bei dem Draufgänger Markus. Doch bevor sich Markus die Frage stellen konnte, wie er aus einem einsamen Abend plötzlich mit zwei Frauen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können, in einem Irish Pub gelandet war, wurde die Agentin von als Weihnachtsmann verkleideten Mitgliedern der Vereinigung für den wahren Heimatschutz entführt – die mit Alexa als Geisel den Geheimdienst erpressen wollten. Allerdings hatten sie die Rechnung nicht mit den zwei Sturköpfen gemacht. Dank der geringen Belegschaft zum Weihnachtsfest wollte Markus Alexa beinahe im Alleingang retten, was dazu führte, dass er ebenfalls als  Geisel endete. Im Grunde genommen hatten sie es dem beherzten Eingreifen von Janna zu verdanken, dass beide noch am Leben waren und die Situation glimpflich ausgegangen war.
Das ganze Abenteuer war nun knapp zwei Tage her, in der sich alle von dem Schreck erholen konnten. Markus hatte Janna unverbindlich für den 26.12. in das HellHole eingeladen und da sie mittlerweile so etwas Ähnliches wie Freunde waren, freute sich Janna schon sehr auf das Zusammentreffen. So richtig privat hatten sie sich bisher nämlich noch nicht getroffen. Das leichte Flattern in ihrer Magengegend verdrängte Janna in den hintersten Winkel, denn sie hatte nach einer Parkplatzsuche, die Odysseus vor Neid erblassen ließe, keine Zeit mehr und gehörte zu den Menschen, die Verabredungen ernst nahmen und es als selbstverständlich erachteten, zu diesen auch pünktlich zu erscheinen.
Daher betrat sie nun schwer atmend, kleine weiße Nebelwölkchen ausstoßend, das Lokal. Ein glockenheller Ton kündigte ihr Eintreten an und einige Personen drehten sich nach dem Neuankömmling um. So auch Markus. Als er sie erblickte, zogen sich seine Mundwinkel leicht nach oben. Auch wenn es nach einem zurückhaltenden Lächeln aussah, erreichte es seine Augen und ließ sie erstrahlen. Das Flattern in der Magengegend kämpfte erneut um Aufmerksamkeit und Janna wurde sichtlich nervöser.
Dem konnte sie zum Glück keine weitere Beachtung schenken, denn im nächsten Moment bewegten sich gleich mehrere Personen auf sie zu. Markus, der ihr den Mantel abnehmen wollte und das Inhaberpärchen Michael und Brian. Beide hatte sie zwei Tage zuvor zum ersten Mal kennen gelernt und sogleich ins Herz geschlossen. Von ihrem Mantel befreit genoss sie den Charme der beiden und die lockere Art, wie sie sich flirtend durch ihre Gäste bewegten und es doch immer wieder schafften, sich einen verliebten Blick zuzuwerfen oder sogar einen flüchtigen Kuss auszutauschen. Die beiden waren einfach ein schönes Paar und Janna begann sich allmählich zu entspannen.
„Oh, die rothaarige Schönheit hat wieder ihren Weg zu uns gefunden“ begrüßte Michael sie aufgeräumt und küsste sie auf die Wange.
„Du sollst doch nicht immer so viel Süßholz raspeln!“ mahnte Brian scherzhaft, gab Janna ebenfalls einen Kuss und Michael einen Klaps auf den Hintern.
Janna lächelte. Die beiden hatten ihr sofort das Du angeboten, nachdem sie merkten, wie die junge Frau mit Markus umsprang. Scheinbar war es eine Seltenheit, dass sie ihm Kontra gab und sich nicht an seinen Hals warf. Sie empfand die persönliche und vor allem liebevolle Begrüßung als sehr angenehm und strahlte automatisch bis über beide Ohren.
„Nun setz dich erstmal meine Liebe. Was kann dir Yussof Gutes tun?“ fragte Brian und schob sie sanft in die Nische, die Markus für sie beide ausgesucht hatte. Yussof war ein Deutschafrikaner und begnadeter Koch in HellHole. Zumindest hatte sie so viel bei ihrem letzten Besuch mitbekommen. Da sie noch keinen Blick in die Karte werfen konnte und Brian sie wartend ansah, entschied sich Janna dafür, Yussof selbst entscheiden zu lassen.
„Ich lasse mich überraschen“ meinte sie lächelnd und wandte sich Markus zu. Dieser beobachtete das ganze Treiben mit einem geheimnisvollen Lächeln und schien mit ihrer Antwort zufrieden zu sein.
„Hi“ ließ er mit tiefer Stimme vernehmen.
Das Flattern im Bauch ignorierend, das seine Stimme in ihr auslöste, begrüßte sie ihn ebenfalls. Da fiel ihr Blick auf ein halbleeres Glas Bier und Janna wurde bewusst, dass Markus wohl schon eine Weile auf sie gewartet haben musste.
„Oh, das tut mir Leid“ begann sie mit weit aufgerissenen Augen. „Ich bin eigentlich viel zu früh los gefahren, weil ich wusste, dass ich noch Zeit für die Parkplatzsuche benötige. Aber dann waren da die beiden Autos, die auf der B9 einen Unfall hatten. Wahrscheinlich ist jemand zu schnell gefahren, zumindest habe ich in den Nachrichten gehört, dass es heute Blitzeis geben sollte und deswegen …“
Markus hob die rechte Hand und Janna stoppte abrupt. Sie hatte in ihrem Monolog vergessen Luft zu holen und holte dies nach. Immer wenn Janna besonders nervös war, begann sie ohne Punkt und Komma zu sprechen, was Markus zu Beginn ihrer Bekanntschaft regelmäßig in den Wahnsinn getrieben hatte, da er selbst eher kurz angebunden und kein sehr geduldiger Mensch war – zumindest nicht im zwischenmenschlichen Bereich. Belustigt sah er sie an.
„Janna, nun mal langsam. Du warst doch völlig pünktlich. Ich bin nur etwas eher gekommen, weil ich vorher noch einige Wege zu erledigen hatte und früher als gedacht fertig war. Kein Grund sich zu rechtfertigen!“
Dennoch konnte Janna die Nervosität nicht ganz ablegen und suchte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand nach Rillen in dem rustikalen Holztisch, während die linke Hand zu ihren neuen Ohrringen wanderte, die sie zu Weihnachten von ihrer Schwester Feli bekommen hatte. Es waren kleine Stecker in Form von Kleeblättern, mit grünen Steinen, die im Licht des Tannenbaums gefunkelt hatten. Feli meinte, die sollen ihr Glück bringen, vor allem bei der Männersuche, und außerdem würden sie wunderbar die Farbe ihrer roten Haarpracht zur Geltung bringen, was wiederum die Sache mit den Männern erleichtern sollte. Beim Gedanken an ihre jüngere Schwester musste Janna schmunzeln. Wenn diese nur wüsste, dass ihr gerade ein gut aussehender und etwas geheimnisvoller Agent gegenüber saß, der durch das regelmäßige Training breite Schultern und starke Arme vorzuweisen hatte und ihr zudem schon einige Male das Leben gerettet hatte … Janna räusperte sich.
„Was waren das denn für Wege, die du zu erledigen hattest?“
In dem Moment kam Yussof persönlich und servierte ihnen etwas, das sicherlich nicht in der Speisekarte zu finden war. „Weil heute der zweite Weihnachtsfeiertag ist, habe ich mich für Kaninchen entschieden. Und damit ihr euch nicht langweilt, habe ich den traditionellen Weihnachtsbraten etwas abgewandelt. Das Fleisch wird serviert mit einer Estragon-Senf-Weißwein-Soße, dazu gibt es Reis und grüne Bohnen mit Speckmantel angedünstet. Ich wünsche einen guten Hunger.“ Sagte er lächelnd und wartete.
Markus grinste wissend, aber Janna stand der Mund leicht offen. Obwohl sie wusste, dass Yussof ein ausgezeichneter Koch ist, hätte sie das, was sie da vom Teller anlächelte, nicht in einem Irish Pub erwartet. Als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte, stammelte sie ein „das sieht einfach wundervoll aus“ und hörte nur entfernt, dass Markus etwas Ähnliches sagte, woraufhin sich der Koch zufrieden entfernte.
„Ist es nicht die falsche Uhrzeit für einen Braten?“ fragte sie erstaunt, dann sie hatte eher mit Kaffee und Kuchen gerechnet.
„Aber ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich heute Mittag zurück halten. Oder hast du meine Nachricht nicht bekommen?“
„Doch, doch, aber …“ Janna schaute nach wie vor erstaunt auf ihren Teller.
„Nun“ Markus räusperte sich und nahm das Besteck zur Hand. „Ich wusste, dass ich es nicht zum Mittag schaffe und habe daher etwas Herzhaftes bestellt. Und da ich mir dachte, dass du mir sicher nicht dabei zuschauen willst, wie ich dieses Gedicht von einem Weihnachtsessen verschlingen werde … Es stört dich hoffentlich nicht?“
Janna schüttelte den Kopf und griff ebenfalls nach Messer und Gabel. Die Zusammenstellung verströmte einen unwiderstehlichen Duft und ihr tropfte allmählich der Zahn. Natürlich machte ihre Mutter ebenfalls einen wundervollen Weihnachtsbraten, aber sie war dabei nicht sehr experimentierfreudig. Wenn es schmeckte, wurde es immer gleich zubereitet und so würde eine Estragon-Senf-Weißwein-Soße niemals ihren Weg in die familiäre Küche finden.
Die nächsten Minuten aßen beide schweigend, nur unterbrochen von einem hin und wieder eingeworfenen „Hm“ und „Ohm“ und ähnlichen Ausdrücken des Glücks. Als die Teller abgeräumt waren, saßen sich die beiden zufrieden und satt gegenüber und Janna nutzte die Pause vor dem Dessert, um mehr über den geheimnisvollen Agenten herauszufinden.
„Also, du sagtest etwas von Wegen, die du erledigen musstest. Ging es da um verspätete Weihnachtsgeschenke oder um einen neuen Fall? Ich hoffe nicht, denn nach den letzten Tagen musst du doch auch mal Urlaub haben oder?“ Dabei sah sie ihn besorgt an. Wenn Janna allein an die Nacht vom 24. zum 25. Dezember zurück dachte, bekam sie eine Gänsehaut.
„Ja und Nein.“ Markus runzelte die Stirn und setze sich etwas bequemer hin. Scheinbar überlegte er sich seine Worte ganz genau, bevor er Janna direkt in die Augen sah. „Das bleibt aber unter uns, ja?“
Bevor Janna etwas erwidern konnte, wie zum Beispiel, wem sie es wohl erzählen sollte, hob er wie zuvor die Hand, um sie aufzuhalten. „Ich meine damit auch nicht gegenüber Alexa, Dr. Schwartz oder sonst wem. Bevor ich mit wem offiziell darüber rede, will ich zunächst einige Dinge überprüfen, bevor ich Alarm schlage. Sag mal, hast du über den Fall von Heiligabend in den Zeitungen gelesen oder die Reportagen im Fernsehen verfolgt?“
Janna nickte.
„Ist dir dabei irgendetwas aufgefallen? Etwas, was nur wir, aber keineswegs die Presse wissen kann?“
Sie überlegte kurz, schüttelte aber nachdenklich den Kopf. „Nein, ich habe mir aber nicht alles dazu angesehen. Ich finde es immer schwer, mir die Nachrichten mit meiner Familie anzuschauen, weil mein Vater gern über das eine oder andere redet oder es sogar beim Essen angesprochen wird. Daher versuche ich mich so gut wie möglich da raus zu halten, damit mir nicht aus Versehen etwas rausrutscht.“ Sie dachte noch eine Sekunde darüber nach, wie sie das Letzte besser formulieren könnte, damit Markus nicht dachte, sie würde Geheimnisse ausposaunen. „Ich meine damit, dass ich ja immer so tun muss, als würde ich nichts davon wissen oder verstehen. Und auch wenn die Presse etwas Falsches berichtet oder meine Familie etwas falsch auslegt, darf ich es nicht richtig stellen. Wie zum Beispiel als das BKA die Lorbeeren für unsere Arbeit einheimste. Das fand ich nicht sehr fair, musste es aber unkommentiert stehen lassen. Verstehst du?“
Der Agent wirkte eher nachdenklich. Eine Weile schwiegen sie sich an und Janna befürchtete fast, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, als Markus wieder zu sprechen begann. „Wir hatten jemanden im Heimatschutz, der uns mit Informationen versorgte und aussagen wollte …“
„Ja, H…“
„Nicht! Wir haben ihn einkassiert und er ist im Zeugenschutzprogramm. Das Problem ist nur, und mittlerweile glaube ich fast, dass ich es mir nur eingebildet habe, aber mir war so, als ob einer dieser Reporterfuzzis letztens berichtet hat, dass es beim Heimatschutz wohl einen Maulwurf gäbe und dieser maßgeblich dafür verantwortlich war, dass wir die Gruppe dingfest machen konnten.“ Der Agent hielt inne und strich sich frustriert mit der Hand über die Augen. Plötzlich wirkte er nicht mehr so fröhlich, sondern eher müde und ausgelaugt.
„Und? Woher können die das wissen? Hm, davon abgesehen, gibt es bei euch nicht eine Abteilung, die sich darum kümmert, dass solche Nachrichten unter Verschluss gehalten werden? Muss die Zeitung oder der Sender das dann nicht zurück nehmen?“ fragte Janna eifrig. Sie hatte das zumindest mal irgendwo gehört.
Markus prustete vor Lachen. „Janna! Du schaust zu viele Thriller. Nein, ganz so läuft das bei uns nicht. Mein Problem ist eher, dass ich bei dem Sender angefragt habe, mir das Material zu schicken. Als ich es mir noch mal anschaute, war davon keine Rede mehr. Ich bin mir aber sicher, dass ich es gehört habe! Nun vermute ich eher, dass die Gegenseite es mitbekommen hat und den Sender irgendwie unter Druck setzt und selbst Nachforschungen anstellt. Ich frage mich viel eher, wie sie an diese Information kommen konnten!“ Nun war sein Blick ganz hart und Janna erkannte wieder den Agenten, der in jeder Situation kompromisslos durchgreifen konnte.
„Das heißt also, es gibt eine undichte Stelle oder? Aber wer soll das sein? Falls du mich in Verdacht hast, ich bin es jedenfalls nicht, das musst du mir glauben! Ich habe mit keinem über meine Arbeit gesprochen – auch mit meiner Familie nicht!“ Unruhig rutschte sie hin und her. Ihre Hand tastete nach dem Wasserglas und begann es zu drehen. Janna war so aufgebracht, dass sie Markus nicht anschauen konnte. Hoffentlich dachte er nicht an sie und wollte sie heute zur Rede stellen. Ein Stich der Enttäuschung fuhr ihr schmerzhaft ins Herz.
Da sie sich gerade in Rage geredet hatte und nun fahrig reagierte, legte Markus besänftigend eine Hand auf ihren Arm. „Keine Sorge, ich verdächtige dich nicht. Ich wollte eigentlich auch gar nicht mit dir darüber reden.“, bemerkte der Agent nachdenklich. Es überraschte ihn, dass er sich wie selbstverständlich mit Janna über seine Sorgen und Gedanken austauschte. Ihm fiel wieder ein, dass sein Chef ihn immer wieder bedrängte, dass er sich endlich einen Partner suchen sollte. Ein Gedanke geisterte durch sein Hirn und machte ihn nicht glücklich. Während er Janna nachdenklich musterte, führte er sich wieder vor Augen, was sie in den letzten Monaten durchmachen musste. Es missfiel ihm, dass Janna immer noch für den Geheimdienst arbeitete, obwohl es nicht wenige lebensgefährliche Situationen gegeben hatte. Auch wenn er sie irgendwie gern hatte und sich über ihre Anwesenheit mehr freute, als ihm lieb war, wollte er sie nicht in die nächste schmutzige Geschichte hinein ziehen.
Mitten in seinem Gedankengang klingelte ein Handy und Markus brauchte einen Moment um zu registrieren, dass es sein eigenes war. Abgelenkt meldete er sich mit einem brummen, hörte einige Momente zu und sprang plötzlich alarmiert auf. Ohne Janna anzusehen, kramte Markus in seiner Geldbörse nach einem Schein, schmiss ihn auf den Tisch und wollte zur Tür eilen, als sich etwas in seinen Arm krallte und er sich umdrehen musste.
Überrascht schaute Markus in Jannas verärgerte Miene. „Was …?“
„Markus! Was ist los? Wer war das und wo willst du so eilig hin?“
Da sie sich nicht abschütteln ließ, erklärte Markus in groben Zügen: “Das war Isad. Ich habe ihn auf den Sender angesetzt, er sollte sich in ihre Emails und Telefonanschlüsse hacken und sich melden, falls er was Verdächtiges findet.“
Wieder wollte er sich umdrehen, aber Janna hielt ihn immer noch in einem erstaunlich festen Griff. Wo sie den wohl her hatte?
Markus seufzte ergeben. „Isad hat etwas gefunden, ich will zu ihm und mir das anschauen. Je frischer die Spur, umso eher lässt sich noch was herausfinden. Jetzt entschuldige mich. Bitte!“ Flehend sah er sie an und Janna ließ ihn gehen.
Kopfschüttelnd sah sie ihm nach und hörte in sich hinein. Ein Kribbeln hatte sich ihrer bemächtigt. Adrenalin fuhr durch ihren Körper seit dem Markus plötzlich aufgesprungen war. Ohne weiter darüber nachzudenken griff auch Janna nach ihrer Jacke und rannte nach draußen. Hoffentlich konnte sie Markus noch einholen! Janna konnte sich nur noch wundern, denn trotz der vergangenen Gefahren lag ein abenteuerlustiges Glitzern in ihren Augen.

© Susen Pfifferling
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